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Anti-asiatischer Rassismus Gedenktafel für chinesische NS-Opfer in Hamburg angegriffen und beschmutzt

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Das Gesicht eines chinesischen Migranten auf einer Gedenktafel an den Nationalsozialismus in Hamburg wurde ausgelöscht. (Quelle: Rosa Fava)

Ein großer brauner Fleck, verklumpte Erde und Schmutz, wie sich aus der Nähe zeigt, bedeckt das Gesicht eines namentlich nicht bekannten Chinesen bzw. seiner Fotografie auf einer Gedenktafel. Die Tafel erinnert unter anderem auch daran, dass Woo Lie Kien aus der Schmuckstraße 7 im November 1944 an den Folgen der Folter durch die Gestapo starb. Sie steht am Eingang zur Schmuckstraße in Hamburg an der Ecke Talstraße kurz vor der weltbekannten Reeperbahn, früher das so genannte Chinesenviertel. Der Dreck wurde ganz bewusst in das Gesicht des Chinesen geworfen oder sogar irgendwie fest angebracht, so solide, wie er dort haftet, leicht nach unten gerutscht. Da haben sich welche Mühe gegeben und wollten ganz bewusst verletzen. Ein Gesicht und einen Menschen noch einmal auslöschen. Ihn als Person und als Vertreter der anderen Chinesen im Viertel damals wegmachen, so wie die Nationalsozialisten, deren Verbrechen damit gutgeheißen wird. Dies erschreckt gerade jetzt besonders, da es seit Monaten viele Angriffe auf asiatisch gelesene Menschen gibt, in denen Rassist*innen Träger*innen von Corona sehen wollen.

Das chinesische Quartier in Hamburg

Woo Lie Kien gehörte zu 129 Männern, die bei einer Razzia der Gestapo am 13. Mai 1944 festgenommen, gefoltert und in Arbeitslager deportiert wurden. Mindestens 17 Männer starben, nur etwa 30 blieben nach Ende von Nationalsozialismus und Krieg in Hamburg und bauten sich ein neues Leben auf – Entschädigungen erhielten die Überlebenden, wie so viele Opfer des Nationalsozialismus, nicht.

Mit der Razzia wurde das „Hamburger Chinatown“, so manchmal die Bezeichnung für einige Straßen und wenige hundert Menschen, zerstört, und dies war das Ziel der Aktion: Vordergründig ging es um politische Aktivitäten wie Spionage, illegale Devisengeschäfte und „Feindbegünstigung“, tatsächlich aber hatten die Nationalsozialisten das Viertel lange schon im Visier. In der Weimarer Republik hingegen war die Haltung der Politik noch ambivalent gewesen: Die Straßen und ihre Bewohner*innen, chinesische und auch einzelne andere asiatische Seeleute, Kleinhändler, Köche und Dienstleiter sowie deutsche Frauen, die mit ihnen in Beziehungen lebten oder dort arbeiteten, strahlten mit Restaurants, Lokalen und Geschäften auch Exotik aus und zogen eine bürgerliche Szene an. Sie waren Teil des für viele anziehenden Hafenviertels mit Migrant*innen aus vielen Ländern. Parallel dazu wurden die sich seit den 1920er Jahren dort niederlassenden Chinesen aber auch immer schon als Angehörige niederer Schichten betrachtet, die Armut, länderübergreifende Kriminalität (Opium- und Waffenhandel, Glücksspiel) und Krankheiten ins Land brächten. Chinesen und andere Asiaten – in der Regel waren es Männer, die migrierten – galten zudem als Personifikation einer phantasierten „Gelben Gefahr“: Als Vorboten einer schleichenden „Unterwanderung“ der europäischen Groß- und Kolonialmächte, um deren Niedergang und Unterwerfung herbeizuführen.

Im Nationalsozialismus mit seinen Rassenkonstruktionen galten die Chinesen und ihre Kinder dann vor allem als „rassische Gefahr“ für den deutschen „Volkskörper“, und Beziehungen mit deutschen Frauen sollten durch Entzug des Aufenthalts und Ausweisung verhindert werden. Ärzte rieten Frauen, die von Chinesen schwanger waren, zur Abtreibung. In den Hafenstädten Bremen und Hamburg verschärfte sich allmählich die Situation, und es wurden vermehrt Razzien durchgeführt – ohne dass Verbrechen im großen Stil hätten aufgedeckt werden können. Zunächst standen die Menschen zwar noch unter diplomatischem Schutz, aber mit der Kriegserklärung Chinas an Deutschland im Dezember 1941 wurden sie als Angehörige einer feindlichen Nation behandelt. Repression und Kriminalisierung wurden intensiviert und viele wurden zu Zwangsarbeit verpflichtet. Die Razzia im Mai 1944 war eine großangelegte, systematische Aktion zur Auflösung des Viertels: Die Straßen wurden von abgeriegelt, 200 Polizisten mit Maschinenpistolen waren im Einsatz, niemand sollte entkommen. „Chinesenaktion“ hieß die Razzia, die an die „Säuberungsaktionen“ in den besetzten Ländern erinnert. 129 Männer wurden verhaftet und unter Prügel in die bekannte David-Wache auf der Reeperbahn geführt; deutsche Partner*innen wurden als „Chinesen-Dirnen“ und als Träger*innen von Geschlechtskrankheiten stigmatisiert und in Konzentrationslager überstellt.

Die Botschaft des Erdklumpens auf der Tafel

Mitte der 1990er Jahre wurde von einigen Engagierten zu dem Verbrechen geforscht und eine erste einfache Gedenk- und Dokumentationstafel aufgestellt, die 2012 durch die jetzige Tafel des St. Pauli Archivs ersetzt wurde. Dies erinnert daran, dass die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen in vielen Fällen auf das Engagement Einzelner zurückgeht. Gerade dann, wenn es um die ganz konkrete lokale Geschichte im eigenen Umfeld geht. Die Großrazzia, Folter und Zwangsarbeit in Lagerhaft wurden von bundesdeutschen Gerichten nicht als spezifisches nationalsozialistisches Unrecht im Sinne politischer, „rassischer“ und religiöser Verfolgung, so die juristische Formel, gewertet. Sondern, wie es der Historiker Lars Amenda wiedergibt, als „normales polizeiliches Vorgehen gegen verdächtige Ausländer“ (hier ein Fachartikel zur Razzia 1944). Überlebende, die für Anerkennung und Entschädigung kämpften, blieben allein.

Die Tafel erinnert an ein nationalsozialistisches Verbrechen und seine rassistischen Hintergründe, die wenig im Bewusstsein verankert sind. Vielleicht gerade weil „normales polizeiliches Vorgehen gegen verdächtige Ausländer“ einem so bekannt ist: Die rassistische Zuschreibung von Kriminalität und die Inszenierung der Gefährdung der eigenen Nation durch kleine Bevölkerungsgruppen als Repräsentant*innen einer äußeren Gefahr im Inneren. Die Tafel erinnert daran, was umsetzt werden kann, wenn Rassist*innen die Staatgewalt zur Verfügung steht und Rassismus Staatsdoktrin ist. In Hamburg, dem „Tor zur Welt“, gibt es anders als in anderen großen Hafenstädten kein Chinatown. Diese Leerstelle im sozialen Raum, die sichtbar gemacht werden muss etwa durch Dokumentationstafeln, erinnert an den tief verankerten völkischen Rassismus in Deutschland, der keine „Fremdkörper“ duldet. Der aktuelle Angriff auf die Gedenktafel, auf das Gesicht eines Chinesen als „Fremden“, zeigt einmal mehr, dass viele bereit sind, Gewalt anzuwenden und „die Fremden“ auszulöschen. Ganz bewusst in Bezugnahme auf die Verbrechen des Nationalsozialismus.

Erinnerung an die Menschen

Am 75. Jahrestag erinnerte letztes Jahr die Tagesschau an das chinesische Viertel und die rassistischen Gründe seiner Zerstörung, und auch einige Artikel erschienen in Zeitungen. Ausschnitte aus dem Dokumentationsfilm „Bis die Gestapo kam… Das ‚Chinesenviertel‘ in St. Pauli“ lassen sich auf dem youtube-Kanal eines der Filmemacher anschauen. In der Ausstellung „Heizer, Köche & Container. China in Hamburg“ geht es um die Hintergründe der chinesischen Einwanderer.

Man lernt über die Erinnerungen ihrer Kinder, Freund*innen und Bekannten und viele Fotos oder Dokumente einige der oft sehr jungen Männer kennen, die motiviert durch die Hoffnung auf ein besseres Leben den Schritt wagten, auf einem anderen Kontinent an Land zu gehen. Sie lernten, sich zurechtzufinden, starteten oft ein kleines Unternehmen und bauten dabei Strukturen für sich und ihre Landsleute auf. Man erfährt von jungen Frauen, sie sich dem sozialen Druck und bald der politischen Formierung zur „Volksgemeinschaft“ widersetzten, sich mit den Chinesen befreundeten, bei ihnen arbeiteten oder Liebesbeziehungen eingingen. Die Kinder, heute im höheren Alter, sind selbst Pionier*innen, die trotz aller Feindseligkeiten manchmal das Geschäft der Eltern weiterbetrieben und so daran mitwirkten, beispielsweise chinesische Bars oder Restaurants zur deutschen Normalität machten. Die Gedenktafel am Eingang zur Schmuckstraße erinnert daran, dass Migration und Vermischung immer schon da waren, und der Dreckklumpen daran, dass Vorstellungen von „ethnischer Reinheit“ zu Gewalt führen.

 

Rosa Fava leitet die ju:an-Praxisstelle rassismus- und antisemitismuskritische Jugendarbeit.

Mehr zu ju:an

https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/projekte/juan-praxisstelle/

Auf Belltower.News: https://www.belltower.news/lexikon/juan/

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