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Ein Hintergrundrauschen, das langsam zu einem Dröhnen anwächst

 

 
Anetta Kahane (Quelle: Amadeu Antonio Stiftung)

Es gibt immer wieder Dinge, die erstaunlich sind. Haben Sie den Bericht zum letzten NSU-Untersuchungsausschuss wahrgenommen? Er ist medial tatsächlich etwas untergegangen. Es mag auch daran gelegen haben, dass die Empfehlungen eher eine Ergänzung zu den vorangegangenen darstellten, als dass sie wirklich Neues enthielten. Wir bewerten dies nach dem Motto: „Es gibt nichts Neues, das Alte ist noch nicht alle“. Und wir bedanken uns gleichermaßen bei den Mitgliedern des Ausschusses für ihre Arbeit und den Stress, dem sie währenddessen ausgesetzt waren. Dennoch sei eine Anmerkung erlaubt: Antisemitismus scheint es beim NSU nicht gegeben zu haben. Er kommt in dem Bericht nicht als solcher vor – allenfalls fragmentarisch in Nebensätzen.

Nun kann man sagen, wozu den Antisemitismus betonen, der ganze rechtsextreme Müll ist doch schon genug, um sich ein Bild über die Gesinnung der Täter und Mittäter zu machen. Wozu dieses „Detail“ noch betonen? Rechtsextremismus und Antisemitismus sind doch faktisch identisch, oder nicht? Sicher, so kann man den Antisemitismus auch unsichtbar machen. Oder aber ihn bestreiten, was auf dasselbe hinausläuft. Ich hatte einmal die Ehre bei einem Briefing zu Antisemitismus bei einem sehr hohen Würdenträger der Bundesrepublik dabei zu sein. Sein Stab wollte sich auf die erste Israelreise im Amt vorbereiten. Die Frage, ob und in welcher Form es Antisemitismus gebe, wurde ausgiebig von Fachleuten dargelegt. So sprach man auch über den Rechtsextremismus. Ja, klar, Nazis sind Antisemiten, hieß es. Die einzig Wahren sozusagen. Doch bleibt keine Wahrheit unbestritten, als ein Mitglied des Stabes tatsächlich fragte, ob denn ernsthaft jedes Mitglied der NPD antisemitisch wäre. Mir fiel die Kinnlade runter.

Es ist eben so: Antisemitismus neigt dazu überall zu verschwinden, unsichtbar zu werden, sich in Phrasen und Wortwolken aufzulösen. Antisemitismus gibt es demnach weder in der Friedensbewegung, noch in den Antielitenprotesten der Querfront, noch in muslimischen Milieus, noch mit Israelbezug oder im politisch linken Antiimperialismus, für den Palästinas „Befreiung“ für alles Elend der Welt schlechthin mit den Juden als Schuldigen für alles steht. Nirgends Antisemitismus. Dabei läuft die Narration unserer Zeit fast immer auf irgendeine Verschwörungstheorie hinaus, nach der wenige Schuldige irgendwo zum Bösen hin die Strippen ziehen, um Kinder zu töten, Brunnen zu vergiften oder sonst wie vorsätzlich und zersetzend zu zerstören. Ein riesiger Strom solcher verschwörungstheoretischer Geschichten zieht sich durch alle Schichten der Gesellschaft. Ein Hintergrundrauschen, das langsam zu einem Dröhnen anwächst – auch und vor allem in den Sozialen Netzwerken. Und nichts davon soll antisemitisch sein? Kann Kritik am System oder woran auch immer nicht auch ohne dem auskommen?

Kommen wir zu unseren NSU-Tätern zurück. 1996 bereits hatte Uwe Böhnhardt nahe Jena am Geländer einer Brücke über der A4 eine Puppe mit einem Davidstern aufgehängt, die in einer Schlinge steckte. Dann gab es noch dieses von dem Trio entworfene und vertriebene Brettspiel »Pogromly« – eine Art Monopoly, bei dem das Ziel lautete, Städte »judenfrei« zu machen. Sie beobachteten auch jüdische Einrichtungen – wir standen übrigens auch auf deren Anschlagsliste – und sie gehörten zu den Holocaustleugnern. Also eigentlich sagt das alles über ihre antisemitische Gesinnung. Wieso aber bleibt dies unbesprochen? Weil es selbstverständlich ist, hier Antisemitismus zu erkennen? Weil man darüber gar nicht mehr reden muss? Weil Antisemitismus, wenn überhaupt, nur dort zu finden ist? Weil das und nur das Antisemitismus ist und alles andere nicht?

Nein, das wäre zu einfach. Man muss heute schon taub sein, um das Dröhnen nicht zu hören. Der NSU ist nur ein Ton in der Kakophonie des weltweiten Antisemitismus. Sich darüber klar zu werden, ist in jedem Fall der richtige und notwendige Schritt, sich damit auseinanderzusetzen.

 

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