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Wer Gewalt sät Von goldener Morgenröte und dunkler Realität

Europa schaut besorgt auf Griechenland. Im Mutterland der Demokratie gedeihen Gewalt und rechtsextremes Gedankengut. Ein Fußballspieler zeigt öffentlich den Hitlergruß und die rechtsextreme Partei „Goldene Morgenröte“ ist mit fast sieben Prozent der Stimmen im griechischen Parlament.  Wie ist die Situation wirklich einzuschätzen?

 
Demonstration von Chrysi Avgi in Griechenland (Quelle: Wikimedia Commons (CC-Lizenz)/Ggia)

Homer hätte sich im Grabe umgedreht. Der große griechische Dichter besang in seinen beiden Epen Ilias und Odysee die rosenfingrige „Eos“, die Göttin der Morgenröte. Man kann heute nur darüber spekulieren, wie er darüber gedacht hätte, dass sich eine rechtsextreme und gewaltbereite Partei aus seinem dichterischen Fundus bedient hat. Seitdem diese faschistische Partei „Goldene Morgenröte“ sich das Thema „Illegale Migration“ auf die politische Agenda gesetzt hat, erlebt sie in Griechenland einen kometenhaften Aufstieg. Rassistisch motivierte Gewalt an Migrantinnen und Migranten nimmt im ganzen Land zu. In der aktuellen Krise gewinnt die „Goldene Morgenröte“ mit „sozialen Projekten“ nur für Griechen an Zustimmung. Doch die Partei fällt eher durch demonstrative Gewaltanwendung auf.  

„Die Situation in Griechenland ist flüssig „, meint  Athanasios Marvakis. Der griechische Psychologe diskutierte bereits am Donnerstag, den 14. März in Berlin über die Entwicklung rassistisch motivierter Gewalt und den Aufstieg der rechtsextremen Partei „Goldene Morgenröte“ (Chrysi Avgi). Unter „flüssig“ versteht Marvakis,  der an der Universität von Thessaloniki lehrt,  die höchst unsichere politische Lage in Griechenland. „Politisch ist zu jeder Seite alles offen“, ergänzt er, „aber das kann sich jederzeit ändern.“  Marvakis beurteilt dabei die extreme Rechte in Griechenland noch nicht als flächendeckende soziale Bewegung, da ihre Aktionen eher vereinzelt und nicht flächendeckend stattfinden.

„Kindergärten nur für Griechen“

 Diese Aktionen aber richten sich verstärkt gegen Migrantinnen und Migranten. Beispielsweise haben sie die Aktion „Kindergärten nur für Griechen“ gestartet und verbreiten ihre rassistischen Hetzparolen in Form von Partei-T-Shirts auch in Schulen, leider mit Erfolg: „Besonders die jungen Menschen vertrauen der Politik in Griechenland nicht mehr, und wenn sie dann sehen, dass diese rechtsextreme Partei das herkömmliche System infrage stellt, dann ist das für sie natürlich attraktiv“, stellte Marvakis fest. Die extreme Rechte hat erkannt, dass der politische Erfolg auch von der Akzeptanz der breiten Bevölkerung abhängt. Obwohl Angriffe und Repressionen gegen Migrantinnen und Migranten in Griechenland kein neues Phänomen darstellen,  sind sie mit dem Aufstieg der „Goldenen Morgenröte“ eng verbunden.

Soziale Schwäche von Migranten politisch gewollt

Migrantinnen und Migranten rufen bei breiten Bevölkerungsschichten in Griechenland großes Misstrauen hervor. Die Finanz- und Schuldenkrise hat die Situation noch verschärft. „Die soziale Schwäche der Migrantinnen und Migranten ist von der Politik in Griechenland so gemacht und gewollt“, sagt Marvakis und verweist auf den jetzigen Ministerpräsidenten Andonis Samaras von der Partei „Nea Dimokratia“. Auf einer Kundgebung, vor einem applaudierenden Publikum, hetzte Samaras gegen Ausländer und positionierte sich klar gegen einen weiteren Zustrom von Flüchtlingen. Mittlerweile werden Migrantinnen und Migranten, die neu nach Griechenland kommen und von der griechischen Regierung als illegal bezeichnet werden, in Containerlagern entlang der griechisch-türkischen Grenze untergebracht. Die Flüchtlingsorganisation „Pro Asyl“ spricht von einer humanitären Katastrophe.

Kontakte zur NPD

Marvakis vermutet eine gesellschaftliche Stimmungsverschiebung  nach rechts. „Den meisten Griechen ist die Situation der Migrantinnen und Migranten egal, weil sie mit ihren eigenen Problemen beschäftigt sind“, stellt Marvakis fest und ergänzt: „In Zeiten sozialer Unsicherheit haben rechtsextreme Parteien leichtes Spiel mit populistischer Hetze Akzeptanz zu finden.“ Die „Goldene Morgenröte“ zog bei den Parlamentswahlen im Mai 2012 mit fast sieben Prozent der gültigen Stimmen ins griechische Parlament ein. Nach dem Sturz der griechischen Militärdiktatur 1974 hat die liberal-konservative Partei „Nea Dimokratia“ ein breites politisches Spektrum  in sich vereinigt und war auch ein „Sammelbecken der Rechten“. Mitte der 1980er Jahre hat sich die extreme Rechte dann zu einer selbständigen Partei organisiert. Über den seit 2004 bestehenden europaweiten Zusammenschluss rechtsextremer Parteien „Europäische Nationale Front“ bestehen überdies auch intensive Kontakte zur deutschen NPD und zu Neonazis in Bayern. In Nürnberg, dem Ort der „Reichsparteitage“, während der Zeit des Nationalsozialismus, gründete die „Goldene Morgenröte“ angeblich ihre erste „Außenstelle„.  Sie sei die Antwort auf  ‚die dreckigen Hippies und das Regime der demokratischen Diktatur in unserer Heimat‘, zitiert die „Nürnberger Zeitung“ die Partei. Die antifaschistische Dokumentations- und Archivstelle in München (a.i.d.a.) beurteilt die Annäherung der griechischen Rechtsextremen an den deutschen Nationalsozialismus und die Entfernung von der italienischen Faschismusideologie als klares Bekenntnis. Was die Parteiführung jedoch vehement von sich weist. „Chrysi Avgi gibt in allen Richtungen bekannt, dass sie überhaupt keine Beziehungen mit fremden politischen Organisationen oder Parteien pflegt“, wird der Sprecher der Partei, Ilias Kasidiaris, zitiert.

Athanasios Marvakis sieht aber noch ein weiteres Problem, was die Wahrnehmung der rassistisch motivierten Gewalt in Griechenland betrifft. „Die griechischen Medien spielen mit der Ästhetik rechter Politik“, stellt Marvakis fest. „Mit ihren latent aggressiven Bildern haben sie die extreme Rechte mit gefördert, natürlich nicht offen, aber doch unterschwellig“,  fügt er hinzu. „Aber die extreme Rechte ist in Griechenland noch nicht so einflussreich, wie es die Medien darstellen. Die griechische Bevölkerung muss wieder lernen, den demokratischen Parteien zu vertrauen. Aber die Krise lässt das im Moment nicht zu.“ In Deutschland und Griechenland organisieren sich Stiftungen und Bündnisse, um sich gegen rassistisch motivierte Gewalt und gegen die „Goldene Morgenröte“ zu stellen. Mit ihrem Manifest „Nichts Goldenes an dieser Morgenröte“ beispielsweise  wollen sich in Deutschland lebende Griechen dem Hass der rechtsextremen Partei entgegenstellen und Solidarität mit den Migrantinnen und Migranten zeigen.  „Die Situation in Griechenland ist flüssig“, wiederholt Marvakis. „Es ist noch alles möglich, die Rechtsextremen zu bekämpfen. Wir dürfen nur nicht damit aufhören“.

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