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Ausstellung Rechtsextreme Frauen – Neues Phänomen oder historische Kontinuität?

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Polizeiliches Foto von Nazi-Skins, 1988 (BStU). (Quelle: Amadeu Antonio Stiftung)

 

Seit dem politischen Umbruch 1989/90 ermordeten Neonazis mindestens 179 Menschen in Deutschland. Frauen waren Unterstützerinnen, Mitwisserinnen und Täterinnen rechtsextremer Gewalt. Dennoch gelten sie weiterhin häufig als „friedliebend“ und „unpolitisch“, was den Neonazigruppen ein harmloses Image verleiht. Dies hatte im Falle der rechtsterroristischen Gruppierung „Nationalsozialistischer Untergrund“ fatale Folgen: Polizei und Verfassungsschutz scheiterten, da sie neben rassistischen Bildern auch von Geschlechter-Stereotypen geleitet waren. Die Ausstellung beleuchtet am Beispiel der DDR, ob es sich bei dieser verzerrten Wahrnehmung um ein neues Phänomen handelt oder ob es historische Kontinuitäten gibt.

Projektleiterin Dr. Heike Radvan: „Heute sehen wir, dass der Polizei und Verfassungsschutz Neonazi-Frauen oft übersieht und unterschätzt. So wurden mehrmals Chancen verpasst, die Morde des NSU zu verhindern: Es wurde stereotyp davon ausgegangen, dass es sich bei verdächtigten Täterinnen um friedliebende, unpolitische Frauen handele, nicht jedoch um Neonazi-Frauen. Uns hat interessiert, wie Polizei und Geheimdienste in der jüngeren Geschichte rechtsextreme Frauen wahrgenommen haben. Über die BRD gibt es hierzu erste Forschung, für die DDR jedoch nicht. Mit der Ausstellung liegen erste Ergebnisse zu einem bislang unerforschten Thema vor. Dabei geht es uns nicht um einen Vergleich zwischen beiden deutschen Staaten, vielmehr um eine erste Annäherung. Es bedarf weiterer Forschung.“

Vier Fallgeschichten nähern sich der Fragestellung exemplarisch: So verteilt Hilde K. Ende der 1980er Jahre DDR-kritische Schriften in ihrem Wohnort und schmiert Hakenkreuze im Stadtpark. Das MfS bezeichnet sie als „geistig primitiv“ und empfiehlt, sie für zehn Monate Freiheitsentzug zu verurteilen. Die Schülerin Nicole M. beschallt ihr Dorf mit Reden von Adolf Hitler, beleidigt Jugendliche rassistisch und erntet dafür von Pädagog_innen Erstaunen: Eigentlich sei Nicole M. ein tüchtiges, „frauenhaftes“ Mädchen, ja sogar stellvertretende FDJ-Sekretärin.

„In der DDR nahmen Polizei und MfS Ende der 1980er Jahre das Handeln rechtsextremer Frauen durchaus wahr und beobachteten es. Jedoch verharmlosten sie die Einstellungen und Aktionen der Frauen wiederholt und entpolitisierten sie entlang von geschlechterspezifischen Stereotypen: So reduzierten sie z.B. die rechtsextremen Frauen auf ihr Äußeres und auf ihre Sexualität, stuften sie als psychisch krank ein oder sahen sie lediglich in Abhängigkeit mit privaten Beziehungen zu männlichen Neonazis“, fasst Ausstellungskuratorin Henrike Voigtländer die Ergebnisse ihrer Recherche zusammen.

Unterstützt wurde die Ausstellung mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur sowie der Dreilinden gGmbH. Dr. Sabine Kuder, Leiterin des Arbeitsbereichs Ausstellungen, Filme und Multimedia der Stiftung Aufarbeitung: „Die Amadeu Antonio Stiftung engagiert sich seit Jahren gemäß ihrer Stiftungsziele mit zahlreichen Projekten gegen Rechtsradikalismus und Antisemitismus. Auch die Wanderausstellung zu rechtsradikalen Frauen in der DDR der 1980er Jahre wird dazu beitragen können, Kenntnisse über Herkunft, Ursache und Folgen von Rechtsextremismus insbesondere auch im schulischen und außerschulischen Kontext zu verbreiten. Aus diesem Grund haben wir als Bundesstiftung Aufarbeitung das Vorhaben gerne gefördert.“

 

Vom  2. Dezember 2016 bis zum 31. Januar 2017 wird die Ausstellung im Jugend[widerstands]museum Berlin, Galiläakirche, Rigaer Straße 9, 10247 Berlin, gezeigt. Weitere Informationen finden Sie unter www.widerstandsmuseum.de. Für das Jahr 2017 sind weitere Termine geplant.

 

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