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Die Bilder aus Plauen 2019 will Zwickau am 1. Mai 2022 um jeden Preis vermeiden: Damals marschierten Kader des „III. Weg“ martialisch mit Uniform und Fackeln durch die sächsische Kleinstadt, die als Stützpunkt der neonazistischen Partei gilt. Bilder, die um die Welt gingen. Das gelingt den Neonazis in diesem Jahr erfreulicherweise nicht – dank einer Reihe strenger Auflagen der Versammlungsbehörde. Insgesamt sind 1.100 Einsatzkräfte der Polizei vor Ort, auch aus anderen Bundesländern.
Nach erheblicher Verspätung liest Parteivorsitzender Matthias Fischer die Auflagen auf der Startkundgebung am Zwickauer Neumarkt frustriert vor: Keine Pyrotechnik, kein paramilitärisches Auftreten, kein Marschieren im Gleichschritt, keine einheitliche Kleidung, keine Springer- oder Stahlkappenstiefel, keine Schlauchschals oder Vermummung, sondern nur medizinische Masken, nur zwei Trommeln sind erlaubt und sogar für die Länge und Durchmesser von Fahnenstangen gibt es Vorgaben.
Grund für die Verspätung war neben den vielen Auflagen unter anderem auch eine Gruppe angereister Rechtsextremer, die Gegendemonstrant:innen in einer Regionalbahn in Chemnitz attackierte und mit Steinen bewarf. Ein Video vom Angriff zeigt ein Parteimitglied, das den Hitlergruß zeigt und gegen das Fenster der Bahn schlägt. Daraufhin seien laut Polizei 37 Personen in Gewahrsam genommen worden. Zwei Personen erlitten leichte, eine Person schwere Verletzungen, heißt es in einer Pressemitteilung. Ob es sich hier um Neonazis oder Gegendemonstrant:innen handelt, ist noch unklar.
In Redebeiträgen des „III. Weg“ geht es heute vor allem um zwei Themen: die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine. Erstere ist der Grund, warum die geplanten 1.-Mai-Aufmärsche des „III. Weg“ in Zwickau 2020 und 2021 nicht stattfinden konnten. Parteivorsitzender Fischer kritisiert „Zwangsimpfungen“ und „Zwangsmaßnahmen“, freut sich aber, dass seine Kameraden endlich wieder in Restaurants essen dürfen.
Heute steht aber insbesondere die Position der Partei zum Kriegsgeschehen in der Ukraine im Mittelpunkt. Die Bewunderung des „III. Weg“ für die rechtsextreme „Asow“-Bewegung in der Ukraine ist bereits hinlänglich bekannt. Heute macht die Neonazi-Partei jedoch erneut klar: Ihre Solidarität gilt nicht der Selenskyj-Regierung, sie unterstützt auch nicht die demokratischen und proeuropäischen Bestrebungen im Land, sondern „die Völker“. Parteivorsitzender Fischer erwähnt die Spenden, die „Der III. Weg“ an die Front gebracht haben soll (siehe Belltower.News). Ein Kader trägt einen Pullover des „Asow“-Regiments. Ein anderer Kader trägt ein T-Shirt mit dem Schriftzug „Misanthropic Division“ – eine neonazistische paramilitärische Gruppierung, mit engen Verbindungen zu „Asow“. Im Wind weht eine Flagge mit dem Wappen der Ukraine in den orange-dunkelblauen Farben der „Asow“-Bewegung.
Trotz Auflagen versucht Fischer, die Stimmung hochzuhalten. „Wir werden kraftvoll durch Zwickau marschieren“, verkündet er trotzig zum Schluss der Auftaktkundgebung. Als der Demozug endlich losgeht, laufen rund 250 Neonazis, die allermeisten im Partei-Merchandise, zu schlecht getakteten Trommeln. Auch eine Gruppe Neonazis von der NPD-Jugendorganisation JN nimmt an der Demonstration teil. Doch die Teilnehmerzahl ist angesichts der bundesweiten Mobilisierung der Partei durchaus bescheiden. Die Parolen sind die altbekannten: „frei, sozial und national“, „kriminelle Ausländer – raus!“, „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“. Doch der Enthusiasmus lässt auf weiten Strecken der Demonstration auf sich warten, die Sprechchöre klingen halbherzig, gar resigniert.
Ein Heimspiel ist es für die Neonazis in Zwickau heute nicht. Diverse Organisationen vom DGB über Fridays for Future bis zu unterschiedliche Antifa-Gruppen haben ebenfalls mobilisiert. Insgesamt sind heute elf Veranstaltungen in der Stadt angemeldet, auf dem Hauptmarkt findet ein Gewerkschaftskonzert auf einer großen Bühne statt. Der Neumarkt, Auftaktort für den „III. Weg“, wurde zudem in der Nacht mit bunten antifaschistischen Kreide-Botschaften bemalt.
Es gibt auch Blockadeversuche, die teilweise kleine Erfolge erzielen können: Die Demoroute des „III. Weg“ muss kurz vor der Altstadt geändert und abgekürzt werden. Ein kleiner Umweg, der aber dazu führt, dass die Rechtsextreme heute ohne Publikum durch leere Straßen laufen. Die Spandauer „III. Weg“-Aktivistin Lilith Evler versucht verzweifelt, ihre Parteiflyer an die einzigen Anwesenden zu verteilen: die Presse.
Als klar wird, dass die provokativen medialen Bilder heute ausbleiben werden, wird die Stimmung gegen Pressevertreter:innen zunehmend aggressiv. Den Neonazis gefällt es nämlich gar nicht, dass sie fleißig und andauernd abfotografiert werden. Parteimitglieder drohen Journalist:innen und verlangen wiederholt, ihren Presseausweis zu sehen. Über den Lautsprecher wird die Presse als „Drecksschweine“ beschimpft. Selbst der rechtsalternative Medienaktivist „Weichreite TV“ wird von Ordnern des „III. Weg“ bedrängt und bedroht.
Auf der Schlusskundgebung wieder am Neumarkt werden die Namen gefallener rechtsextremer Soldaten in der Ukraine vorgelesen. Danach Luftballons gegen den Krieg, als seien die Neonazis vom „III. Weg“ plötzlich von Nena inspiriert worden. Blaue und gelbe Luftballons lassen sie in den Himmel steigen. Doch auch das ist einer der vielen Auflagen geschuldet: Auf den Luftballons darf keine Werbung stehen. Dagegen wolle die Partei im Nachhinein juristisch vorgehen, heißt es.
Insgesamt zieht die Polizei eine positive Bilanz und spricht von einem „friedlichen Verlauf“. Es wurden Anzeigen wegen Landfriedensbruch, der Verwendung Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Körperverletzung aufgenommen, heißt es. Als die Neonazis wieder abreisen, wird auf den vielen Gegenkundgebungen an diesem Tag in Zwickau gefeiert.