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10 Jahre AfD 10 Jahre organisierte Demokratiefeindlichkeit

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Die AfD-Führungsgarde hinter dem Front-Transparent der "Unser Land Zuerst"-Demonstration am 08. Oktober 2022 in Berlin (Quelle: AAS)

Die AfD ist das wichtigste und erfolgreichste Projekt der extremen Rechten in Deutschland. Sie ist seit 10 Jahren zugleich Produkt und Katalysator des Rechtsextremismus. Einer der größten Erfolge der AfD ist es, wesentlich zur Enttabuisierung der extremen Rechten beigetragen zu haben. Spätestens seit 2015 ist es für immer breitere Bevölkerungsschichten kein No-Go mehr, mit Neonazis und anderen Rechtsextremen gemeinsame Sache zu machen: Sei es auf Demonstrationen, bei Diskussionsveranstaltungen oder sie ins eigene Youtube-Format einzuladen.

Frei nach dem Motto: „Faschismus ist, wenn der andere auch mal was sagen darf“, wie es ein AfD-naher YouTuber neulich bei Twitter ausdrückte. Die Enttabuisierung der extremen Rechten, Faschismus wieder als schick präsentieren zu können, ist nicht alleine ein Erfolg der AfD, aber sie hat wesentlich dazu beigetragen.

Die AfD war von Beginn an eine Partei aus vermeintlich ehrenwerten „bürgerlichen“ Professoren und Wirtschaftsexperten (tatsächlich fast ausschließlich männlich) wie Hans-Olaf Henkel, die kein Problem hatten, mit Rechtsextremen eine Partei aufzubauen und deren Netzwerke für den Aufstieg der Partei zu nutzen. Erst nachdem sie nach und nach teils aus der Partei gemobbt wurden, kamen einige urplötzlich zur Erkenntnis, man „habe geholfen ein Monster zu schaffen“.

Die in der AfD als Erfolgsmodell praktizierte Zusammenarbeit vermeintlich konservativer Demokrat*innen mit der extremen Rechten, bis letztere nach und nach die Partei übernahmen, findet seitdem verstärkt auch in anderen gesellschaftlichen Teilen statt: Vorreiter war und ist die organisierte Abwehr von Migration seit 2015. Diese wurde thematisch erweitert um antisemitisches Verschwörungsdenken und Welterklärungen („great reset“) in der Pandemie bis hin zur transfeindlichen und antifeministischen Agitation in diesen Tagen. Viele dieser ehemaligen „Bürgerlichen“, die mit der extremen Rechten zusammengearbeitet haben, sind nicht ausgestiegen, sondern inzwischen selbst überzeugte Faschist*innen. Es geht ihnen allesamt nicht um eine andere Vorstellung von Politik, es geht um ein anderes System.

Die AfD sieht sich seit ihrer Gründung als einzige Oppositionspartei im Parlament und meint damit System-Opposition. Das verhasste System der parlamentarischen Demokratie gilt es auf allen Ebenen zu sabotieren und lächerlich zu machen, um gesellschaftliche Mehrheiten von der Notwendigkeit eines Systemsturzes zu überzeugen. Diese organisierte Demokratiefeindlichkeit geschieht seit Beginn an in enger Kooperation mit der extremen Rechten auch außerhalb der Parlamente. Diese wird offen hofiert und unterstützt, mit Posten versorgt und finanziell gefördert. Schon 2019 konstatierte der bundesweit bekannte Neonazi und NPD-Vorstandsmitglied Thorsten Heise neidisch, wenn er all das sagen würde, was die AfD und Höcke sagt, wäre er längst schon wieder im Knast.

Parlamentarische Armee des Rechtsterrorismus?

Für Björn Höcke & Co steht fest: „Der Kampf, den wir kämpfen, um die Existenz unserer Nation und Europas wird nicht in den Parlamenten entschieden, der wird auf der Straße entschieden“. Und das vielleicht auch mit Waffen? Zumindest eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete wurde als Mitglied einer Vereinigung, die einen gewaltsamen Putsch vorbereitet haben soll, festgenommen. Das erschreckendste ist nicht, dass eine ehemalige Bundestagsabgeordnete sich wahrscheinlich an einem gewalttätigen Putsch beteiligen wollte – und auch nicht die nicht einmal halbherzige Distanzierung ihrer Partei. Das erschreckendste an der Geschichte ist vermutlich, dass wohl kein*e politische*r Beobachter*in sagen wird: Von der AfD hätte ich das nicht erwartet. Es ist auch kein Zufall, dass es seit Einzug der AfD in den Bundestag zu vermehrten rechtsterroristischen Anschlägen gekommen ist. Rechtsterrorismus benötigt ein gesellschaftliches Klima von Hass und Hetze. Dazu hat die AfD in den letzten Jahren einen wesentlichen Beitrag geleistet.

Parlament als Bühne

Mit ihrem Einzug in Kommunal- und Landesparlamente sowie den Bundestag versucht die AfD, das Parlament als Bühne für Hass und Hetze zu nutzen und medienwirksame Tabubrüche zu inszenieren. Ihre Verachtung für Parlamente brachte die AfD besonders zum Ausdruck, als sie sogenannte „Querdenker“ in den Bundestag einschleuste und diese Parlamentarier*innen im Bundestag bedrängten. Die Empörung darüber war groß. Aber sollte sich das wiederholen: Wird die Empörung dann wieder so groß sein oder tritt ein Gewöhnungseffekt ein, wie er nach vielen Grenzüberschreitungen der Partei zu erleben war?

Geländegewinne im rechten Kulturkampf

Ein Lieblingsslogan der Partei ist: AfD wirkt! Damit beschreiben sie Fortschritte im Kulturkampf gegen die liberale Demokratie. Und diese Erfolge haben sie zweifellos in den letzten Jahren erzielt: So diskutierte die sachsen-anhaltische Landtagsfraktion der CDU, wie es gelingen kann, „das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen“ und denkt laut über eine Koalition mit der AfD nach. In Thüringen lässt sich ein FDP-Mann mit Hilfe der AfD zum Ministerpräsidenten wählen und tritt nach Druck der Bundespartei eher widerwillig von dem Posten zurück. Während auf Landesebene noch ausgelotet wird, was machbar ist, ist man auf kommunaler Ebene schon viel weiter: Hier gibt es vielfach eine verdeckte bis offene Zusammenarbeit mit der AfD. Und zwar durch alle im Bundestag vertretenen Parteien.

Auch wenn die AfD noch keine gewählten hauptamtlichen Bürgermeister*innen und Stadtoberen stellt: Manche reden so, als wären sie Mitglied der AfD. Da wird offen rassistisch gegen Geflüchtete gehetzt und angekündigt, in der eigenen Kommune würden weder in Turnhallen noch Einzelwohnungen Geflüchtete untergebracht. Zu Pandemiezeiten gab es eine Art von Verbrüderung mit gewalttätigen Querdenker*innen und Ankündigungen, bestehende Gesetze zum Gesundheitsschutz nicht umzusetzen. Der Rechtsstaat ist in Teilen von Deutschland auf dem Rückzug.

Der Sprachgebrauch der AfD findet nicht nur bei Kommunalpolitiker*innen Widerhall, er schaffte es auch bis in die alte Bundesregierung, etwa als der damalige Innenminister Seehofer in Bezug auf Migration von einer „Herrschaft des Unrechts“ und der „Mutter aller Probleme“ sprach. Und wenn eine Bundestagsabgeordnete der Ampel-Parteien vor Kurzem erst von „kultureller Überfremdung“ twitterte und sich beschwerte, dass solche Gedanken in die rechte, gar radikale Ecke gestellt würden, zeigt sich, dass der Rassismus von AfD & Co verfängt, auch im Bundestag. Der Kulturkampf ist in vollem Gange.

Druck auf demokratische Zivilgesellschaft

Im Bundestag nutzt die AfD auch das wichtige demokratische Instrument der kleinen Anfragen. Ihr Ziel: Vereine, die sich für Demokratie, Menschenrechte und gegen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit engagieren, anzugreifen und ihre Finanzierung in Frage zu stellen, aber auch um die liberale Demokratie als Ganzes zu diskreditieren. Insbesondere kleine Initiativen werden oft in ihrer Arbeit durch einen ewig langen Fragekatalog der AfD manchmal über Tage lahmgelegt, häufig verbunden mit persönlichen Angriffen und einem Shitstorm auf Social Media. Mit ihren Anfragen bedient die AfD vor allem ihre aktuellen Kernthemen: Rassismus verbreiten und Misstrauen gegenüber demokratische Institutionen zu säen. Beobachter*innen sehen eine Übernahme einer Strategie der Alt-Right und des Trumpismus aus den USA: „Drain the swamp – den Sumpf trockenlegen“. Nach diesem Vorbild versuchen AfD-Abgeordnete, sich in ihren Kleinen Anfragen als „Anwälte der Bürger*innen“ darzustellen und vermeintliche Steuerverschwendung aufzuzeigen. Solche Anfragen unterfüttern das rechtspopulistische Narrativ der korrupten und verschwenderischen Machtelite.

In letzter Zeit häufen sich dabei die Anfragen, die versuchen, vermeintliche Steuergeldverschwendung von „Demokratie leben!“ aufzuzeigen – ein durch das Familienministerium finanziertes Bundesprogramm zur Förderung zivilgesellschaftlicher Arbeit für Demokratie. Dass die AfD mit ihrer Taktik erfolgreich sein kann, hat sich Ende 2022 in Thüringen gezeigt. Weil dort eine Minderheitsregierung an der Macht ist, ist diese auf die Unterstützung der oppositionellen CDU angewiesen. Wie die AfD forderte auch die CDU massive Einsparungen in der Demokratieförderung und im Integrationsbereich. Letzteres konnte abgewendet werden. Aber 400.000 Euro, die für politische Bildung an Volkshochschulen vorgesehen waren, werden nun im Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit eingespart.

Zudem nutzt die AfD Anfragen gezielt, um an Informationen zu kommen, die sie dann teilweise unter Auslassung wichtiger Fakten und sehr einseitig interpretiert für ihre Kampagnenpolitik nutzt. Nicht selten landen die Inhalte der Anfragen schließlich in leicht abgeänderter Form in der rechtsextremen Medienblase um das Compact Magazin und PI-News und ziehen dort Kreise in rechtsextremen Milieus.
Der AfD geht es also nicht um für die Demokratie wichtige konstruktive Kritik, sondern vor allem darum, alle vermeintlich schlechten, problematischen Seiten der Migrations- und Flüchtlingspolitik herauszustellen oder Eliten-Bashing zu betreiben, um damit das Vertrauen in die Demokratie zu erschüttern.

Viele wähnen sich in einer „Scheindemokratie“

Die parlamentarische Demokratie durch ständige Nadelstiche, auch mit Hilfe von Kleinen Anfragen stückchenweise zu diskreditieren, ist leider erfolgreich. Laut einer Erhebung des Allensbach-Instituts aus dem April 2022 wähnen sich 31 Prozent der Deutschen in einer „Scheindemokratie“, in der die Bürger*innen nichts zu sagen hätten. Der Ost-West-Unterschied ist hierbei beachtlich: In Westdeutschland teilen demnach 28 Prozent diese Ansicht, in den ostdeutschen Bundesländern werde diese Meinung von 45 Prozent der Befragten vertreten. Zudem gaben 28 Prozent aller Deutschen an, dass das demokratische System in Deutschland „grundlegend geändert“ gehöre. Solche Umfragen müssen alle Demokrat*innen als Auftrag verstehen, die Demokratie besser und Bürger*innennäher zu machen. Leider werden es auch die Feinde der Demokratie als Etappenziel verstehen.

Organisierte demokratische Zivilgesellschaft als Gegenpol

Trotz des Einzuges der extrem rechten Partei in (fast) alle Landesparlamente und in den Bundestag steht die AfD im Vergleich zu europäischen Nachbarländern noch relativ schwach da – und das in Zeiten einer langen Phase der Pandemie mit starken Grundrechtseinschnitten, Kriegen in Europa und der Welt, mit starken Geflüchtetenbewegungen auch nach Deutschland, hohen Energiepreisen und Inflation.

Das liegt auch sehr stark an der wunderbaren demokratischen Zivilgesellschaft, die sich in kleinen Orten wie großen Städten, in den Sozialen Netzwerken, Verwaltungen, Schulen, Verbänden und vielen Orten des öffentlichen Lebens für Vielfalt, Demokratie und eine weltoffene Gesellschaft einsetzen.

Doch an vielen Orten, insbesondere in kleineren Kommunen, ist die demokratische Zivilgesellschaft seit Jahren übermäßig belastet durch die ständigen Angriffe. Der Rückzug von demokratischer Zivilgesellschaft und Kommunalpolitiker*innen ist die Folge. Das ist mehr als ein Alarmzeichen: Denn die Demokratie wird in erster Linie nicht durch einen gewaltsamen Putsch bedroht, sondern den sukzessiven Rückzug der Demokrat*innen und der Erosion demokratischer Kultur.

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