Die tägliche Presseschau von Netz-gegen-Nazis.de
Drei Tage nach dem Attentat auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl hat die Polizei gestern einen Mann und eine Frau festgenommen, berichtet die Sächsische Zeitung. Die Polizei versuche über die beiden an die Täter heranzukommen. Das Kennzeichen eines Wagens, das in Tatortnähe gesehen worden sein soll, habe auf die Spur der mutmaßlichen Täter geführt. Zudem hätten die Ermittlungen ergeben, dass beide auf der Beerdigung des Alt-Nazis Friedhelm Busse im Sommer auf einem Passauer Friedhof gewesen sein sollen, berichtet die Frankfurter Rundschau.
Offiziell verurteilt die NPD-Spitze den Anschlag auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl. Aber im Internet toben sich braune Gesinnungsgenossen unverhohlen aus, berichtet der Stern. „Will der Sack jetzt noch Mitleid haben oder was?“, schreibt ein User in einem Naziforum. Ein anderer Neonazi beschimpft Mannichl als „Feind unseres Volkes“. Über die Reaktionen der rechtsextremen Szene auf den Anschlag berichtet auch die taz.
Politiker sprechen von „zunehmender Gewaltbereitschaft bei den Neonazis“ und Bayern wird zur neuen Hochburg der extremen Rechten. Die Süddeutsche hat bei Verfassungsschutz nachgefragt. Welche Entwicklung beobachtet der?
Fälle von Gewalttaten mit rechtsextremer Motivation waren auch in diesem Jahr zahlreich ? nicht nur in Ostdeutschland. Das berichtet die Hannoversche Allgemeine. Insgesamt meldeten die Länder nach Angaben des Bundesinnenministeriums im Jahr 2008 bislang 955 rechtsextreme Gewalttaten mit 994 Opfern, darunter einem Toten. Im Jahr zuvor zählten die Behörden mit 980 ähnlich viele Gewalttaten. Die meisten rechtsextremen Taten gab es nach Angaben des Verfassungsschutzberichtes 2007 in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Ist es nicht eine allzu bittere Erkenntnis, dass erst das Messerattentat auf einen Polizeichef die Neonazi-Szene wieder so ins Licht rückt? kommentiert der Tagesspiegel.
Nach dem Anschlag auf den Passauer Polizeichef wird nun über ein Verbot der NPD gestritten. Warum wird diese alte Idee aufs Neue hervorgeholt? fragt der Tagesspiegel. Die bayerische Staatsregierung hat eine neue Offensive im Kampf gegen Rechtsextremismus ausgerufen. Als Teil eines Gesamtpakets will man auch hier einen weiteren Versuch starten, die NPD zu verbieten, berichtet der Bayrische Rundfunk. Die Union, die einst strikte Gegnerin eines neuen NPD-Verbotsantrags war, diskutiert nun wieder darüber. CSU-Chef Seehofer ist dafür, Ramsauer dagegen. SPD dagegen will Taten sehen, berichtet die taz. Der Zentralrat der Juden in Deutschland nennt Debatte um NPD-Verbot verlogen, berichtet die Welt. Nach dem Anschlag auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl sollte man nicht über ein NPD-Verbot diskutieren, sondern die Rechten entschlossen bekämpfen, kommentiert die Zeit.
Erst vier Wochen ist es her, verschwand dann aber in der politschen Versenkung: Ungeahnte Aktualität bekommt der Vorschlag des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann (CDU). Jetzt forderte der bayerische Innenminister Herrmann (CSU), die staatliche Parteienfinanzierung für die NPD zu überprüfen, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Es sei nicht hinnehmbar, dass der Staat einerseits der NPD Mittel zur Verfügung stelle, anderseits aber Präventionsarbeit gegen Rechtsextremismus finanzieren müsse, sagte Herrmann im Landtag.
Über Gewalt von Rechtsextremisten gegen Polizisten berichten auch andere Bundesländer: So habe auch in Sachsen die rechte Gewalt gegen Polizisten zugenommen. Landespolizeipräsident Bernd Merbitz sagte gegenüber dem MDR, das Land verzeichne vermehrt rechtsextreme Angriffe auf Polizeibeamte. Und auch in Berlin und Brandenburg seien mörderische Angriffe auf Polizisten keine Neuigkeit, berichtet der Tagesspiegel. Im Zuge des Attentats auf den Passauer Polizeichef wird nun die Forderung nach härteren Strafen für Übergriffe auf Polizisten laut, berichtet der Focus.
Die Situation von Polizisten war auch Gegenstand einer Debatte im Bayrischen Landtag, berichtet die Badische Zeitung. Mannichl habe die direkte Konfrontation nie gescheut. Als er gegen eine Verunglimpfung im Internet persönlich vorging, habe er auf eigene Rechnung Anzeige erstattet. Polizeibeamten werden solche Kosten erst im Nachhinein erstattet. „Der Staat lässt seine Beamten schon zu sehr allein“, kritisierte die Polizeigewerkschaft. „Der Dienstherr müsste von sich aus bei solchen Dingen einspringen.“ Verunglimpfungen müssten strafrechtlich schärfer verfolgt werden. Mannichl wurde mit vier Dienstaufsichtsbeschwerden und etlichen Strafanzeigen eingedeckt, berichten die Schaumburger Nachrichten. „Aus brauner Gewalt wird Terror“ kommentiert die Zeit.
Übertrieben: Brandenburgs Verfassungsschutz warnt vor Nummernschildern, mit denen auch Rechtsextreme bevorzugt herumfahren. Nur wenige Kombinationen sind aber verboten, berichtet der Tagesspiegel.
Der brutale Überfall von Neonazis auf ein Jugendcamp hatte im Sommer Entsetzen ausgelöst. Ein Mädchen wurde dabei schwer verletzt. Heute steht der mutmaßliche Haupttäter, ein bekennender Neonazi, vor Gericht, berichtet der Hessische Rundfunk.
Das Budapester Stadtgericht hat die rechtsextreme Ungarische Garde aufgelöst. Die Vereinigung jage der Roma-Bevölkerung und anderen Minderheiten Angst ein und verstoße mit ihren Aktivitäten gegen das Vereinsrecht, berichtet der Standard.
In Liechtenstein wird immer noch gegen rechtsextreme Schläger aus der Schweiz ermittelt. Dabei geht es um die vor drei Monaten in Mauren von mehreren Neonazis angezettelte Massenschlägerei, bei der ein Polizist lebensgefährlich verletzt wurde. Möglicherweise kommt es auch in der Schweiz zu Prozessen, berichtet das Volksblatt.
Der Stadtkurier in Freiburg hat sich mit sofortiger Wirkung von einem seiner Mitarbeiter getrennt, weil dieser Kontakte zur Neonazi-Szene hatte, berichten die Badische Zeitung und der SWR. Inzwischen hat sich die Staatsanwaltschaft Freiburg eingeschaltet.
Der Schauspieler Johannes Heesters hat seinen Rechtsstreit mit dem Berliner Historiker Volker Kühn verloren. Kühn darf weiterhin behaupten, dass der Entertainer nach bisherigen Erkenntnissen 1941 bei seinem Besuch im Konzentrationslager Dachau auch vor der SS aufgetreten sei, berichtet die Allgemeine Zeitung.
Gegenaktivitäten
Machen Neonazis auf sich aufmerksam, wird refexartig ein NPD-Verbot gefordert. Aber was kann man außerdem tun? Die taz hat nachgefragt, bei Künstlern, Forschern und Polizei.
Die Initiative „GehDenken“ will für ihre Demonstration gegen den jährlichen Neonazi-Aufmarsch in Dresden am 14. Februar 2009 rund 15 000 Teilnehmer mobilisieren. So solle „ein deutliches und überregionales Zeichen“ gegen den Missbrauch des Gedenkens an die alliierte Bombardierung im Februar 1945 gesetzt werden, sagte Mitorganisator Friedemann Bringt vom Kulturbüro Sachsen gegenüber der Freien Presse.
Aida steht für „Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle“. Hier wird seit 1990 alles dokumentiert und gesammelt, was Rechtsextreme in München so tun und an Druckprodukten erzeugen. Die Süddeutsche Zeitung stellt den Verein vor.