Bevor der Angeklagte ans Rednerpult treten kann, verlassen Zuhörer*innen aus Protest reihenweise den Gerichtssaal im Landgericht Magdeburg. Die Aktion kommt nicht ganz unerwartet. Denn heute hat der rechtsextreme Halle-Attentäter das letzte Wort im Prozess, bevor das Urteil fällt. Und es ist ein kurzes Schlusswort.
Schon im Vorfeld des Prozesstages gab es Diskussionen unter den Journalist*innen vor Ort: Wie berichtet man über die letzten Worten eines Täters, der nur noch darauf abzielt, möglichst viel Hass zu schüren und Nachahmer zu animieren, ohne seine Hetze zu reproduzieren? Es ist tatsächlich eine Herausforderung. Einige Medien werden ihm trotzdem in die Hände spielen und seine rechtsextreme Ideologie eine breite Öffentlichkeit verschaffen. Dieser Text wird allerdings darauf verzichten, den Angeklagten zu zitieren. Hier bekommt der Täter keine Bühne.
Der Protest der Besucher*innen kann den Angeklagten kaum stören. Denn heute steht er im Rampenlicht, heute hat er das Wort. Er wirkt vorbereitet, genießt die Aufmerksamkeit, hat auf genau diesen Moment gewartet. Von vier Seiten Paper liest er einen menschenverachtenden Verschwörungsmythos nach dem nächsten vor. Jeder Satz ist zutiefst antisemitisch und rassistisch. Kaum drei Minuten schafft er, ehe er die Shoah leugnet. Das stößt auf heftigen Widerstand in den Reihen der Nebenklage: Die Rechtsanwält*innen Pietrzyk und Hoffmann unterbrechen ihn lautstark, weisen darauf hin, dass Holocaustleugnung strafbar ist und fordern Richterin Mertens dazu auf, die Aussage zu protokollieren – was sie auch macht. Sie entzieht dann dem Angeklagten das Wort und unterbricht die Sitzung für 20 Minuten.
Der Angeklagte sucht mit seiner Aussage im Gerichtssaal bewusst die Provokation – und findet verständlicherweise Provozierte. Doch mit seiner dreiminütigen Hasstirade macht er jeden Appell seines Verteidigers, Rechtsanwalt Weber, der immer wieder betonte, sein Mandant sei „sozial isoliert“ und dessen letzten Worte „das Gericht möge ein gerechtes Urteil treffen“ waren, zunichte. Was bleibt ist lediglich das Bild eines Mannes, dessen eliminatorischen Antisemitismus so tief verwurzelt ist, dass keine Strafe außer einer lebenslange Haftstrafe mit Sicherheitsverwahrung angemessen scheint, auch wenn es angesichts des furchtbaren Leids, das der Angeklagte den Betroffenen und ihren Angehörigen angetan hat, keine wirklich gerechte Strafe gibt.
Nach der Pause haben die zwei Verteidiger Weber und Rutkowski die Gelegenheit, zur holocaustleugnenden Aussage des Angeklagten Stellung zu nehmen. Sie wollen nichts sagen. Dann hat der Angeklagte erneut die Chance, das letzte Wort im Prozess zu sprechen. Das steht ihm juristisch zu. Er habe alles gesagt. Und damit ist nach 25 Prozesstagen die Verhandlung abgeschlossen. Am 21. Dezember wird das Urteil fallen. Doch damit ist lediglich die juristische Aufarbeitung des Anschlags erledigt. Die gesellschaftliche und politische Aufarbeitung ist noch am Anfang.