Es liegt ein Fluch auf den rechtsextremen Parteien in der Bundesrepublik. Keine hat es seit der Wiedervereinigung geschafft, länger als zwei Legislaturperioden im Landtag eines Flächenstaates zu bleiben. Die „Republikaner“ in Baden-Württemberg, die DVU in Brandenburg und nun auch die NPD in Sachsen – nach zehn Jahren waren die Wähler der nationalistischen Provokateure überdrüssig. Für die NPD ist der Rauswurf bei der Wahl im August besonders bitter. Und es folgten die Niederlagen in Brandenburg und Thüringen. Ex-Parteichef Udo Voigt sprach von „sehr, sehr traurigen Wahlergebnissen“. Sie verhageln der Partei ein Jubiläum, das sie als Beleg ihrer Standhaftigkeit, ja Unzerstörbarkeit begreift.
Älteste rechtsextreme Vereinigung Europas
Am 28. November ist es 50 Jahre her, dass in Hannover in der Gaststätte „Döhrener Maschpark“ mehrere hundert Nationalkonservative und Alt-Nazis die Nationaldemokratische Partei Deutschlands gründeten. Sie ist damit unter den rechtsextremistischen Vereinigungen in Europa, vielleicht sogar weltweit, die älteste. Die bereits 1955 gegründete Freiheitliche Partei Österreichs, erst braun, dann eher liberal, heute rechtspopulistisch, ist nur phasenweise mit der NPD vergleichbar. Naheliegend ist hingegen der Blick auf den französischen Front National (FN), der immerhin auch schon 42 Jahre alt ist. Doch gerade im Vergleich zum FN sieht die NPD uralt aus.
Dem Front National in Frankreich ist die Modernisierung dagegen gelungen
Während die französischen Rechten unter Marine LePen die eigene „Entdiabolisierung“ propagieren, Antisemitismus gegen die moderne Islamophobie austauschen und enormen Zulauf haben, ist die NPD in dem halben Jahrhundert ihrer Existenz eine Randerscheinung geblieben. Auch als die Partei in den 1960er Jahren in sieben Landtage einzog, wurde sie nie anschlussfähig. Weder CDU, CSU noch FDP oder SPD waren gewillt, die NPD in oppositionelle Bündnisse einzubinden, geschweige denn in eine Regierungskoalition. Die Partei hat, so scheint es, seit ihrer Geburt einen Defekt.
Von Beginn an galt die NPD als kleiner Wiedergänger der NSDAP. Diesen Ruf sind die Nationaldemokraten nicht losgeworden. Vielen wollten es auch gar nicht, da der braune Dunst zu ihrer Weltanschauung passt. Andere, die eine taktische Mäßigung versuchten, wie die einstigen Parteivorsitzenden Adolf von Thadden und Holger Apfel, sind gescheitert. Die NPD ist und bleibt ein Paria – und hat doch 50 Jahre überlebt. Wieso eigentlich? Ein Blick zurück.
Antimoderne Agitation
Als die NPD 1964 aus den Resten gescheiterter rechter Parteien entstand, schien sie ein zum Sterben geborener Winzling zu sein. Doch dann profitierte sie von einem Phänomen, das ihr später nochmals nützlich war. Die Republik geriet in den 60er Jahren in eine Krise. Das Wirtschaftswunder war vorbei, die Arbeitslosigkeit stieg. Die ökonomischen Turbulenzen gingen einher mit einem politischen und kulturellen Umbruch. Die CDU musste erstmals mit der SPD koalieren, linke Studenten protestierten massiv gegen den Vietnam-Krieg der USA und warben für freie Drogen und freie Liebe. Rechte Wähler waren empört und suchten ein neues Gefäß für ihre alte Orientierung. Ein günstiges Klima für die rabiat antikommunistische, antimoderne Agitation der NPD. Zumal sich ihr starker Mann, Adolf von Thadden, ein pommerscher Adeliger, um eine seriöse Aura bemühte. Doch es half nichts.
Die NPD verpasste 1969 mit 4,3 Prozent den Einzug in den Bundestag. Der Radau in den sieben Landtagen hatte viele Wähler verschreckt. Die Folgen waren verheerend. Die NPD zerfleischte sich und flog bis 1972 aus allen sieben Parlamenten heraus. Die Partei, Ende der 1960er Jahre etwa 30000 Mitglieder stark, schrumpfte zur Sekte.
Die meiste Zeit lag die NPD in Agonie
Die Agonie dauerte länger als zwei Jahrzehnte. Und im rechten Spektrum bekam die NPD Konkurrenz durch DVU und „Republikaner“. Der Zusammenbruch der DDR und die Wiedervereinigung gingen an der westdeutsch geprägten NPD zunächst vorbei. Sie radikalisierte sich, 1991 übernahm der Holocaust-Leugner Günter Deckert den Vorsitz. Erst sein 1996 gewählter Nachfolger Udo Voigt begriff, dass die rechte Jugendszene im Osten und der dort grassierende Hass auf Migranten eine Chance sein könnten. Die NPD verstärkte ihren Einsatz in den neuen Ländern – und machte sich wieder eine Krise zunutze.
In Ostdeutschland punktuell erfolgreich
Vor zehn Jahren schwollen gerade in Ostdeutschland die Proteste gegen die Arbeitsmarktpolitik der rot-grünen Bundesregierung an. Zehntausende gingen gegen Hartz IV auf die Straße. Der Unmut kam auch der heftig agitierenden NPD zugute, zumal 2003 ein Verbotsverfahren an den V-Leuten in den Vorständen der Partei gescheitert war. So zog sie 2004 mit 9,2 Prozent in den sächsischen Landtag ein, zwei Jahre später in den von Mecklenburg-Vorpommern. Doch in beiden Parlamenten brachten die Fraktionen wenig mehr zustande als Provokationen wie die Parole vom „Bombenholocaust“. Der Wandel zur rechtspopulistischen Partei blieb aus. Dass 2011 die sieche DVU geschluckt wurde, lohnte sich kaum.
Kein Ende der Durststrecke in Sicht
Punktuell Krisengewinnler, aber durchgängig extremistisch und politikunfähig – die NPD ist in den 50 Jahren, gemessen an ihren hehren Ansprüchen, nicht allzu weit gekommen. Das neue Verbotsverfahren beschert ihr etwas Aufmerksamkeit, doch außer der von Udo Voigt im Herbst prophezeiten „langen Durststrecke“ ist keine Perspektive in Sicht. In Mecklenburg-Vorpommern, dem nun noch einzigen Bundesland mit einer NPD-Fraktion, kam die Partei in den letzten Umfragen auf maximal drei Prozent.
Dieser Text erschien zunächst in der Online-Ausgabe des Tagesspiegels vom 28.11.2014. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.