Während in Berlin und Brandenburg ein geringfügiger Anstieg rechter Gewalt zu verzeichnen war, gingen in Sachsen und Sachsen-Anhalt rechtsmotivierte Gewalttaten leicht zurück. Dies galt auch für Mecklenburg-Vorpommern. Allerdings kam es hier im vergangenen Jahr zu einer wahren Anschlagsserie auf Büros von Landtagsabgeordneten und andere Sachbeschädigungen etwa gegen Wohnhäuser oder Imbisse. Nur bedingt mit den Vorjahren vergleichbar sind die vorliegenden Daten aus Thüringen, da die dort tätige Beratungseinrichtung aufgrund eines Trägerwechsels ihre Erhebung ab September 2010 einstellen musste.
Insgesamt wurden die meisten Fälle in Sachsen (239) gezählt, gefolgt von Berlin (109), Brandenburg (108), Sachsen-Anhalt (106), Mecklenburg-Vorpommern (96) und Thüringen (46). Von den 704, in ihrer Intensität sehr unterschiedlichen Angriffen, waren mindestens 1.416 Personen betroffen. In nahezu 90 Prozent der Fälle handelte es sich um Körperverletzungsdelikte. In 388 Fällen richtete sich die Gewalt gegen meist junge Menschen aus linken und alternativen Milieus. 230 Mal war Rassismus die Tatmotivation.
Ein Mensch kam im vergangenen Jahr in Sachsen aufgrund eines rechts motivierten Angriffs um Leben: Am 24. Oktober wurde Kamal K., ein 19-jähriger Iraker, erstochen. Mindestens einer der Täter gehört der Neonaziszene an. Vor allem in Sachsen-Anhalt nahm die Zahl rassistisch motivierter Gewalttaten deutlich zu. In Berlin war 2010 ein Anstieg rechter Übergriffe in den westlichen Bezirken der Stadt zu beobachten. In Brandenburg wurden rechte Gewalttaten vor allem im Süden des Landes registriert. Eine ausschlaggebende Entwicklung für Mecklenburg-Vorpommern war die Zunahme gezielter Sachbeschädigungen.
Statistisches Material
Tab. 1: Recherchierte rechte Angriffe in den
östlichen Bundesländern und Berlin in den Jahren
Jahren 2007 ? 2010
Land 2007 2008 2009* 2010
Berlin 138 164 102 109
Brandenburg 159 110 101 108
Meck-Vorp. 78 103 79 96
Sachsen 342 354 263 239
Sachsen-Anhalt 184 180 111 106
Thüringen 67 86 83 46
Gesamt 968 997 739 704
Stand: April 2011, * Stand: März 2010
Tab. 2: Recherchierte Fälle in den östlichen Bundesländern und Berlin nach vermuteter Tatmotivation in 2009 und 2010
Tatmotivation 2009 2010
Rassismus 222 230
Antisemitismus 26 14
Homophobie 14 13
Behindertenfeindlichkeit 6 3
Gegen sozial Benachteiligte 3 3
Gegen politische Gegner 150 157
Gegen Nicht-Rechte 286 231
Sonstige 17 16
Unklar 15 37
Gesamt 739 704
Stand: März 2010 bzw. April 2011
Tab. 3: Recherchierte Fälle in den östlichen Bundesländern und Berlin nach vermuteten Straftatbeständen in 2009 und 2010
Straftatbestände 2009 2010
Sachbeschädigungen 67 88
massive Bedrohungen/Nötigungen/versuchte Körperverletzungen 172 151
Körperverletzungen 478 425
schwere Körperverletzungen/versuchte Tötungen 5 5
Tötungen 1 1
Brandstiftungen 10 26
Sonstige 6 8
Gesamt 739 704
Stand: März 2010 bzw. April 2011
Die Beratungsstellen in den östlichen Bundesländern veröffentlichen seit 2003 die von ihnen erhobenen Daten. Der Fokus liegt dabei auf Gewalttaten. Nicht gezählt werden Propagandadelikte. Die Zählweise aller beteiligten Beratungsstellen orientiert sich an den von der Polizei verwandten Kategorien der »politisch motivierten Kriminalität ? rechts«. Differenzen zu polizeilichen Angaben ergeben sich zum einen durch unterschiedliche Einschätzungen der Tathintergründe; zum anderen erfahren die Beratungsstellen auch von Fällen, die nicht angezeigt wurden. Außerdem erfassen die Beratungsstellen Nötigungen und Bedrohungen, wenn erhebliche Folgen für die Opfer zu verzeichnen sind. In den westlichen Bundesländern gibt es bisher kein entsprechendes unabhängiges Monitoring rechter Gewalttaten.
Es ist zu berücksichtigen, dass sich die veröffentlichten Zahlen aufgrund von Nachmeldungen in aller Regel noch erhöhen. So gab es beispielsweise nach dem Erhebungsstichtag allein in Sachen-Anhalt für das Jahr 2009 insgesamt 31 Nachmeldungen.
Weitere Informationen zu den einzelnen Ländern
| ReachOut Berlin
| Opferperspektive Brandenburg
Lobbi Mecklenburg-Vorpommern
| Opferberatung RAA Sachsen
| Mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt Sachsen-Anhalt
| Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Dessau
Thüringer Hilfsdienst für Opfer rechtsextremer Gewalt [Der Verein hat die Arbeit eingestellt]
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