Die Wahlergebnisse im Oktober 2023 wurden von den Menschen vermutlich so gebannt verfolgt wie ein Horrorfilm zur Prime-Time. Die Doppelwahlen in Hessen und Bayern zeigten deutlich, dass die rechtsradikale AfD längst nicht mehr eine Partei der „Protestwahl“ ist. Anlass zur Sorge: In populistischer Manier bündelt sie Themen, die für Ängste in der Gesellschaft sorgen. So berichtet die tagesschau von Daten der Infratest dimap, die aktuell vermehrt auftretenden Themen seien Asyl- und Flüchtlingspolitik sowie restriktivere Migrationspolitik. Mit diesen Themen konnte die AfD punkten und landete bei der Wahl in Hessen auf Platz zwei. In Bayern deutete eine ganze Zeit lang alles auf ein ähnliches Resultat hin, bis das Endergebnis sie an dritter Stelle platzierte (vgl. Belltower.News)
Aktuelle Ereignisse, die den demokratiefeindlichen Charakter der AfD illustrieren
(seit unserer letzten Zusammenfassung im September 2023):
Daniel Halemba: Haftbefehl gegen den AfD-Landtagsabgeordneten, Flucht und Folgen
Verdacht auf Volksverhetzung und das Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen: Gegen den 22-jährigen AfD-Landtagsabgeordneten Daniel Halemba wurde am Donnerstag, 26. Oktober 2023 Haftbefehl erlassen. Eigentlich genießt er durch den Abgeordnetenstatus Immunität. Diese wurde vom Bayerischen Landtag in seiner ersten Sitzung jedoch aufgehoben.
Grund für die Ermittlungen und den Haftbefehl: Nach eigenen Angaben ist Daniel Halemba „seit 2021 Mitglied der Würzburger Burschenschaft, bei der es im September eine Razzia gab“, wie Die ZEIT berichtet. Vielmehr noch: „Laut Staatsanwaltschaft hatte sich der Anfangsverdacht der Ermittler nach der Auswertung von Beweismitteln erhärtet.“ Die dazugehörigen Datenträger seien noch in der Auswertung, allerdings ist zu diesem Zeitpunkt schon bekannt, dass NSDAP-Kennzeichen und rassistische Aufkleber und Schriften vermutet wurden.
Zunächst wurde der Haftbefehl aufgrund seiner Verbindungen zur „Burschenschaft Teutonia Prag zu Würzburg“ ausgesprochen, sowie ein Anfangsverdacht auf Beeinflussung möglicher Zeug*innen und Verfälschungen der Beweismittel. Hierfür müssen nach Paragraf 54 der Strafprozeßordnung dringender Tatverdacht beruhend auf Fakten und mehr als nur bloße Vermutungen im Raum stehen. BR24 berichtet, laut Ermittlungsrichter gebe es weder Flucht- noch Verdunkelungsgefahr und somit wurde der Haftbefehl für Daniel Halemba unter Auflagen und „außer Vollzug“ gesetzt, trotz tagelanger Flucht.
Denn: Medienberichten zufolge war Halemba nach Aussprechen des Haftbefehls zunächst unauffindbar. Während sein Rechtsanwalt Dubravko Mandic Beschwerde einlegte, stand er offenbar in Kontakt zu dem Flüchtigen, inklusive einer Beratung darüber, ob Halemba sich nun stellen solle oder nicht, wie die tagesschau berichtete. Mandic wurde Anfang des Jahres 2023 rechtskräftig wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt (SWR). Darüber hinaus ist er selbst ehemaliges AfD-Mitglied sowie ehemaliges Mitglied der völkisch-nationalistischen und rechtsextremen Gruppierung „der Flügel“ innerhalb der Partei. Mandic wies laut tagesschau die Vorwürfe „gegen die Mitglieder der Prager Teutonia“ zurück, an ihnen sei „nichts dran“.
Nun muss sich der jüngste AfD-Landtagsabgeordnete Daniel Halemba wöchentlich bei der Würzburger Polizei melden und Kontakt mit den Mitgliedern der „Burschenschaft Teutonia Prag zu Würzburg“ sei ihm ebenfalls untersagt.
Die tagesschau berichtet: Kritik wurde seitens der AfD laut, aber nicht etwa gegen Halembas Verhalten. Vielmehr nutzte Katrin Ebner-Steiner, Vorsitzende der AfD-Fraktion im bayerischen Landtag, Wörter wie „staatliche Repression“ und „herbeikonstruierte[n] Haftgrund“ und Martin Böhm, AfD Fraktionsvize, halte das laufende Verfahren für „zutiefst undemokratisch“.
Auch Halemba äußerte sich über X (ehermals Twitter). Trotz Beobachtung durch den Verfassungsschutz in Bayern und dem damit einhergehenden Recht der Bundesoberbehörde, die Öffentlichkeit über alle Erkenntnisse in Stand zu setzen, sprach Halemba von einem „völlig willkürlichen Haftbefehl“ der „ein weiterer trauriger Höhepunkt der Jagd der CSU auf die demokratische Opposition“ sei.
Ilse Aigner, Landtagspräsidentin, reagiert auf die „Verschwörungsmythen“ der AfD-Fraktion mit einer Klarstellung . Weder sie selbst noch das Parlament können Einfluss auf die Entscheidungen der Justiz nehmen. Das sei im Fundament unserer Demokratie ganz klar und eindeutig geschrieben – als Gewaltenteilung. Aus diesem Grund sei die AfD-Reaktion „ein gezielter Angriff auf die Institutionen unserer Demokratie“.
Und nun?
Immerhin: Selbst die AfD-Führung steht offenbar nicht geschlossen hinter Halemba. Eine geplante Solidaritätsbekundung für den 22-Jährigen wurde abgesagt. Laut Medienberichten sei dies nicht nur eine Entscheidung der „Jungen Alternative (JA)“ gewesen, sondern auch eine Intervention seitens der bayerischen AfD-Führung.
Hintergründe zum Fall Halemba:
Erneutes Scheitern gegen den Verfassungsschutz
Das bayerische Verwaltungsgericht lehnte in einem Eilverfahren die Bemühungen der AfD ab und entschied somit, dass der Verfassungsschutz in Bayern die gesamte Partei beobachten und die Öffentlichkeit über neue Entwicklungen informieren darf. Die Behörde gehe „zu Recht davon aus, dass tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der AfD bestünden“, wie Die ZEIT berichtet
Verfassungsschutz 2: AfD Sachsen-Anhalt gesichert rechtsextrem
In Sachsen-Anhalt hat jetzt der Verfassungsschutz die AfD als erwiesen rechtsextrem bewertet. Es ist bereits der zweite Landesverband, nach Thüringen, in dem die Partei nun komplett als rechtsextrem überwacht wird (vgl. Spiegel)
Siebenmal Immunitätsverlust bitte: Björn Höcke
Wie erwähnt: In der Regel bedeutet Abgeordnetenstatus Immunität. Jedoch heißt das nicht, dass Mensch als Abgeordneter tun und lassen kann, was er möchte. Dies testet einmal mehr AfD-Hardliner Björn Höcke. Laut tagesschau geht es beim Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzenden wieder einmal um den Verdacht der Volksverhetzung. Die Staatsanwaltschaft Thüringen werfe ihm vor, „sich 2022 durch einen Beitrag beim sozialen Netzwerk Telegram der Volksverhetzung schuldig gemacht zu haben“. Die erneute Aufhebung der Immunität wurde durch den Justizausschuss beschlossen – es ist bereits die siebte. Höcke selbst schreibt auf der Plattform X (ehemals Twitter) „von einer Justizkeule gegen Dissidenten“, so berichtet die Nachrichtenagentur dpa.
Apropos Höcke: Derweil wurden in Hamburg Ermittlungen wegen eines Antifa-Plakates gegen Thüringens AfD-Chef begonnen, auf den Björn Höcke als Nazi bezeichnet wurde. Die Staatsanwaltschaft stellte nun die Ermittlungen ein – denn schon das Landgericht Frankfurt hatte ja festgestellt, dass dies keine “üble Nachrede gegen Personen des politischen Lebens“ sei – sondern ein „an Tatsachen anknüpfendes Werturteil“ (vgl. taz).
Und apropos Ewiggestrigkeit: In Dresden demonstriert übrigens immer noch Pegida. Björn Höcke war am 06. November zu Besuch und äußerte sich verschwörungsideologisch-rassistisch über einen Bürgerkrieg, ja “Endkampf”, den er in Deutschland kommen sehe – angesichts der Migration. Er forderte die Veranstaltungsteilnehmer*innen auf: „Schaut euch ins Gesicht, sprecht miteinander, hört euch zu, nehmt euch wahr, begegnet euch. Glaubt mir: Wenn es hart auf hart kommt, dann werden wir uns erkennen“. Wenn nicht, kann ja vielleicht er Verfassungsschutz helfen? (vgl. DerWesten).
Nordhausens Stichwahl: Applaus und Jubel
Der parteilose Amtsinhaber Kai Buchmann schlägt AfD-Kandidaten Jörg Prophet in der Stichwahl zum Oberbürgermeister in Nordhausen (Thüringen) – und zwar mit zuvor unklarem Abstand. Wie der MDR berichtet, kam Buchmann „nach dem vorläufigen Ergebnis auf 54,9 Prozent der Stimmen, Prophet auf 45,1 Prozent“.
Laut Berichterstattung kam es zu „kleineren Freudenkundgebungen“, denn während der Auszählung der Stimmen sei es ein knappes Rennen gewesen. So lagen Buchmann und Prophet „zeitweise beide bei exakt 50 Prozent“. Daher die große Erleichterung seitens der Parteispitzen und der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora. Georg Maier, SPD-Chef, wies auf „klare Haltung vieler Akteure und eine laute Zivilgesellschaft“ hin.
Robert Farle: AfD ist nicht russlandfreundlich genug
Goodbye: Robert Farle war Funktionär der von der DDR finanzierten DKP, dann machte er Karriere in der AfD. Die allerdings verlässt er jetzt. Seinen Austritt verbindet er mit einer überraschenden Kritik: Die AfD sei zu kritisch gegenüber Russland. Gemeinhin ist der Vorwurf ja eher die große Russlandfreundlich-, ja bisweilsen -hörigkeit zumindest größerer Teile der AfD. Aber: Die AfD-Zustimmung zum Nato-Beitritt von Schweden und Finnland habe Farles Vertrauen gebrochen – das sei »eindeutig gegen die Russische Föderation« gerichtet. Der 73-Jährige ist mit dem Austritt seinem absehbaren Parteiausschluss zuvorgekommen. Unschön: Sein Bundestagsmandat behält er allerdings, wenn auch nun als Partei- und Fraktionsloser (vgl. Spiegel).