In der ganzen AfD brodelt es, immer wieder gibt es schlechte Nachrichten von ehemaligen oder noch aktuellen Mitgliedern. Erst am 28. Juni wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Koblenz gegen den ehemaligen baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Stefan Räpple Anklage wegen der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten erhoben hat. Räpple soll auf einer Demo in Mainz zum gewaltsamen Sturz der Regierung aufgerufen haben. Auch an anderer juristischer Front gibt es keine guten Nachrichten für Räpple. Belltower.News hatte den damaligen Landtagsabgeordneten in einem Artikel als „erklärten Antisemiten und Holocaust-Relativierer“ bezeichnet. Seine Klage gegen diese Bezeichnung wurde bereits im Oktober 2020 durch das Landgericht Baden-Baden zurückgewiesen. Jetzt hat das Oberlandesgericht auch Räpples Berufungsklage zurückgewiesen. Ende 2020 wurde der Politiker aus der AfD ausgeschlossen.
Auch in Rheinland-Pfalz liegen die Nerven blank. Ein AfD-Abgeordneter des Kreistags des Rhein-Pfalz-Kreises hatte offenbar einen Tobsuchtsanfall wegen der Corona-Schutzmaßnahmen. Er hatte sich geweigert, einen Schnelltest zu machen, um an der Kreistagssitzung in Mutterstadt am 28. Juni 2021 teilnehmen zu können, dabei habe er die anwesenden Mitarbeiter:innen beleidigt und zwei Ständer mit Desinfektionsmittel umgestoßen. Bürgermeister Hans-Dieter Schneider (SPD) folgte dem Randalierer auf den Parkplatz, der um sich schlug und den Bürgermeister angriff und verletzte. Der Rest der AfD-Fraktion hat sich offenbar mittlerweile entschuldigt. Die Probleme der AfD enden aber nicht in Kreistagen und Landesparlamenten, sondern reichen bis ganz nach oben.
Berater mit Einfluss
Der Unternehmer Tom Rohrböck soll die AfD seit ihrer Gründung massiv beeinflusst haben, das belegen Recherchen von NDR, WDR und Zeit. Von Anfang an war Rohrböck offenbar dabei, scheint sogar die Gründung von Partei, Orts- und Kreisverbänden unterstützt zu haben. Den Recherchen zufolge betreibt er ein undurchsichtiges Firmennetzwerk, über das verschiedene Rechtsaußen-Politiker:innen versorgt und beraten werden. Unter anderem Frank Franz, Vorsitzender der NPD, gegen den in diesem Zusammenhang wegen Verdachts auf Geldwäsche ermittelt wird. Aber er soll auch Einfluss bis hoch in die Spitze der AfD ausgeübt haben. So war offenbar auch Alice Weidel Gast des Beraters in einem österreichischen Luxushotel. Weidel gibt dem Rechercheteam ein aufschlussreiches Interview, sie sei zwar über zwei Jahre hinweg mit Rohrböck in Kontakt gewesen, habe aber keine seiner Ratschläge angenommen: „Da steckt Geld dahinter. Woher das Geld kommt, ist mir ein völliges Rätsel.“ Weidel selbst geht davon aus, dass der Berater mindestens mit der Hälfte der AfD-Fraktion im Bundestag in Kontakt stand.
Infrage steht auch, ob der plötzliche Aufstieg von Corinna Miazga zur AfD-Parteivorsitzenden in Bayern mit der Lobbyarbeit von Rohrböck in Zusammenhang steht. Textnachrichten legen offenbar nahe, dass er sich zumindest stark in den Wahlprozess eingemischt hat. Geäußert hat sich der Berater bisher nicht. Die AfD hat jetzt offenbar eine Untersuchungskommission mit vier Mitgliedern einberufen, die Licht in den Skandal bringen soll.
Wie es um die Partei steht, zeigt auch ein Satz aus dem Interview mit Alice Weidel: „Vorstellen kann ich mir in dieser Partei mittlerweile sehr viel.“ Weidel steht weiterhin im Zentrum eines Spendenskandals, der schon seit geraumer Zeit unaufgeklärt bleibt. Rohrböck hatte sich in Textnachrichten mit Miazga dazu geäußert: „Die AfD ist keine Partei, mehr eine Versorgungschance für gescheiterte Existenzen.“
Aufhebung der Immunität von Jörg Meuthen
In den Spendenskandal ist auch Parteichef Jörg Meuthen verwickelt. 90.000 Euro soll eine Wahlkampagne gekostet haben, mit der Meuthen im baden-württembergischen Landtagswahlkampf 2016 von der Schweizer Goal AG unterstützt wurde. Wo genau dieses Geld herkommt ist weiterhin unbekannt. Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung legen nahe, dass Henning Conle, ein schwerreicher Immobilienunternehmer aus Duisburg dahinter stecken könnte. Die Partei hatte bei der Bundestagsverwaltung eine offenbar gefälschte Spender:innenliste vorgelegt, die nicht akzeptiert wurde. Die AfD klagte erfolglos gegen eine Strafzahlung und musste am Ende rund 270.000 Euro überweisen.
Jetzt droht Meuthen offenbar auch noch ein strafrechtliches Verfahren. Wie der Spiegel berichtete, hat die Berliner Staatsanwaltschaft die Aufhebung der Immunität Meuthens beim Europaparlament beantragt, wo er als EU-Abgeordneter seiner Partei sitzt. Demnach sieht die Staatsanwaltschaft den Anfangsverdacht auf eine Straftat im Zusammenhang mit der Annahme illegaler Parteispenden. Jetzt wird der Rechtsausschuss des EU-Parlaments entscheiden und eine Empfehlung an die Abgeordneten geben, die dann mit einfacher Mehrheit über die Aufhebung der Immunität abstimmen werden.
Rechtsextreme in der JA — Wer hätte es gedacht
Zwei aktuelle AfD-Aussteiger haben die Partei und ihre Jugendorganisation Junge Alternative (JA) verlassen. Nach jahrelanger Mitgliedschaft, Jobs in der Partei und Posten im Bundesvorstand der vom Verfassungsschutz beobachteten JA, beklagen Alexander Leschick und Nicolai Boudaghi in einem Interview mit dem ARD-Magazin Kontraste „ganz viele rechtsextreme Exzesse.“ Angesichts der Geschichte der JA, gegen die seit Jahren immer wieder Rechtsextremismus und Faschismus-Vorwürfe erhoben werden, eine späte Erkenntnis. Boudaghi ist im September 2020 aus der Partei ausgetreten, Leschik im April 2021. Praktischerweise haben die beiden nun zusammen mit einem Journalisten bereits im Juni 2021 ein Buch über Radikalisierung und den Ausstieg veröffentlicht: „Im Bann der AfD“.
Chatnachrichten und andere Materialien der Aussteiger zeigen jedenfalls erneut den inneren Zustand der AfD und auch, wie klein die Unterschiede zwischen den angeblich „gemäßigten“ Mitgliedern und den „Flügel“-Unterstützer:innen eigentlich sind. Die beiden Autoren, die Mitglied in diesem Gruppen waren, zählen sich zu den „Gemäßigten“. „Das einzigste Ticket, das ich einem Flüchtling geben würde, wäre ein Expresszug nach Auschwitz-Birkenau,“ heißt es in einer der Nachrichten aus den internen Chats. „Niedere Menschenformen sexuell zu demütigen, ist ein Beleg für die Überlegenheit der weißen Rasse“, schreibt jemand anders. Leschick beschreibt im Interview mit Kontraste fast sektenhafte Strukturen, die zur Radikalisierung beitragen würden.
Es sind viele unterschiedliche Baustellen, die die rechtsradikale Partei auf allen Ebenen beschäftigen. Von Kreisverband, Jugendorganisation, bis hin in den Vorstand und die Bundestagsfraktion gibt es weiter Skandale und Streitereien. Ein guter Start in den Wahlkampf ist das alles nicht.