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AfD auf dem Weg in die Vergangenheit Die neue Harzburger Front?

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(Quelle: picture alliance / DUMONT Bildarchiv | Ralf Freyer)

Die AfD Bad Harzburg plant eine Veranstaltung zu der mit Maximilian Krah und Roger Beckamp zwei rechtsextreme Politiker eingeladen sind, die offen für die sogenannte „Remigration“ werben – schlussendlich die Deportation von Millionen Menschen aus Deutschland. Stattfinden soll das „Harzburger Treffen“ dort, wo 1931 Zehntausende Faschisten die „Harzburger Front“ gegen die Demokratie bildeten.

Die AfD-Politiker Maximilian Krah und Roger Beckamp werden am 22. Juni 2024 in Bad Harzburg auftreten, der zweitgrößten Stadt im niedersächsischen Landkreis Goslar. Bekannt ist Bad Harzburg als Kurort und als Ort an dem sich am 11. Oktober 1931 die Harzburger Front formierte, ein Bündnis rechtsextremer Akteure gegen die Weimarer Republik und gegen die Demokratie. Beteiligt waren die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP), sowie die Deutschnationale Volkspartei (DNVP), der kurz nach dem Ende des Ersten Weltkrieges gegründete sogenannte „Wehrverband“ Stahlhelm, der Reichslandbund und die Agitationsorganisation Alldeutscher Verband. Insgesamt nahmen etwa 10.000 Personen teil. Der Zeitpunkt war für die Faschisten geeignet. Im damaligen unter Beteiligung der NSDAP regierten Freistaat Braunschweig galt, anders als in Preußen, das Uniformverbot nicht. Zudem konnte gegen politische Gegner stärker vorgegangen werden.

Am 11. Oktober marschierten 2.000 Uniformierte von Stahlhelm und der Terrororganisation SA durch die Stadt. Der angereiste Adolf Hitler schaute zu und kehrte dem Rest des Marschzugs der sogenannten „Nationalen Opposition“ den Rücken, als seine SA vorbeigezogen war. Die Harzburger Tagung der „Nationalen Front“ fand nur einmal statt. Untereinander waren die faschistischen Gruppen zerstritten. Doch von der Bevölkerung, den Kurgästen und Tourist*innen wurden sie begeistert empfangen. Hitler nutzte die Veranstaltung vor allem um seine Macht zu demonstrieren. Nur eine Woche später formierten sich in Braunschweig bereits über 100.000 SS- und SA-Männer aus ganz Deutschland.

1933 kooperierten NSDAP, DNVP und Stahlhelm bereits wieder und bildeten eine Koalitionsregierung unter Reichskanzler Hitler. Ob es die Harzburger Front war, dieser Herbsttag in Harz, der den Anfang vom Ende einleitete, den deutschen Weg in Diktatur, Weltkrieg, Zivilisationsbruch, Schoa, ist historisch umstritten. Der Politikwissenschaftler Peter Schyga sieht im 11. Oktober 1931 das Bündnis von „Mob und Elite“ nach Hannah Arendt, dass sich in Bad Harzburg formierte und täglich an zerstörerischer Energie und Massenwirksamkeit zulegte: „Die Resolution von Bad Harzburg bildete die Partitur für den Marsch zur Diktatur.“ In der Wandelhalle, in der die rechtsextremen Politiker am Wochenende sprechen sollen, wurde 2009 mit einer Ausstellung des Vereins Spurensuche Harzregion an die Ereignisse von 1931 erinnert.

„Harzburger Treffen“

Der AfD-Kreisverband Goslar kündigt auf seiner Website das „Harzburger Treffen“ mit zwei Vorträgen an. Maximilian Krah, seit 2019 Mitglied im Europaparlament, werde über das „Bündnis europäischer Nationen“ und Roger Beckamp, seit 2021 Mitglied im Bundestag, über „Migration & Wohnungsnot“ sprechen. Was sie zu sagen haben werden lässt sich erahnen, wenn man betrachtet, wie sich beide Politiker in der Vergangenheit äußerten. Zumal das Bundesamt für Verfassungsschutz Aussagen Krahs als völkisch-nationalistisch, islamfeindlich, fremdenfeindlich und verfassungsfeindlich bezeichnet.

Maximilian Krah ist Anhänger des Ethnopluralismus. Eine neurechte Ideologie, die AfD-Politiker*innen, Neonazis und Unternehmer*innen bei einem Geheimtreffen als Grundlage für die menschenverachtenden Deportationsfantasien diente, die eine Recherche des journalistischen Kollektivs Correctiv Anfang des Jahres publik machte. Vor allem der rechte Kampfbegriff der „Remigration“, schlussendlich Deportation, löste Empörung aus. Erst Anfang 2024 gelangte er in eine breitere Öffentlichkeit und in den sogenannten öffentlichen Diskurs. Dabei war dieses Wort davor bei Weitem nicht versteckt. Laut einer weiteren Correctiv-Recherche tauchte es spätestens 2016 im Kreise der rechtsextremen Identitären Bewegung auf. 2023 kam der Kampfbegriff demnach in elf AfD-Reden vor und wurde in etwa 19-mal ausgesprochen. Auch im Bundestag.

Roger Beckamp vermittelt schon am 05. September 2023 in einer Rede im Parlament einen Vorgeschmack auf sein Thema in Bad Harzburg: „Wir brauchen Remigration, um die Wohnungsmärkte zu entspannen. Wer einmal migriert ist, der kann natürlich auch zurück-migrieren.“ Beifall aus der AfD-Fraktion. Weiter sagt Beckamp: „Remigration ist technisch möglich. Remigration ist wirtschaftlich sinnvoll. Denn die immensen Kosten der schädlichen Migration fallen weg und der Mietmarkt entspannt sich.“ Eine Sozialwohnung in Deutschland sei der Grund, dass Menschen ihre Heimatländer verlassen, behauptete Beckamp unter dem deutlich vernehmbaren Applaus seiner Fraktion.

Wie viele Menschen Maximilian Krah lieber nicht in Deutschland hätte, macht der skandalumwitterte EU-Abgeordnete in seinem Buch „Politik von Rechts – Ein Manifest“ deutlich. Dort steht: „Aber selbst, wenn sich eine restriktive und differenzierende Einwanderungspolitik in zehn Jahren politisch durchsetzen ließe, […] bleibt die Frage, was mit den dann im Land befindlichen Menschen mit Migrationshintergrund geschehen soll. Das werden in Deutschland prognostisch über 25 Millionen Menschen sein, davon deutlich 15 Millionen deutsche Staatsangehörige.“ Krah, damals noch Mitglied des AfD-Bundesvorstandes, schreibt weiter: „Es wird auch in zehn Jahren nicht ansatzweise eine politische Mehrheit, gar verfassungs- und völkerrechtliche Möglichkeit, ganz zu schweigen von der praktischen Umsetzbarkeit, geben, diese Menschen gegen ihren Willen auszuweisen.“

Beckamp beendete seine Bundestagsrede mit den Sätzen: „Eine erfolgreiche Wohnungspolitik für unser Land heißt: Millionenfache Remigration.“ Erst vor kurzem, am 14. Juni 2024 nutzte er die Debatte zum Entwurf des Hochbaustatistikgesetzes im Bundestag um den „menschengemachten Bevölkerungswandel“ zu behaupten und bediente damit nicht nur die Verschwörungserzählung eines angeblich drohenden Austausches von Bevölkerungsgruppen – auf die sich unter anderem schon der Christchurch-Attentäter berufen hatte – sondern demonstrierte auch eindrücklich, dass Rechtsextreme jede Gelegenheit nutzen, um ihre Lieblingsideologien immer wieder neu zu formulieren. Er fasste selbst zusammen, was seiner Meinung nach gegen die angebliche „Masseneinwanderung in den Mietmarkt“ und die „Verdrängung von Einheimischen“ zu tun sei: „Grenzen schützen. Migrationswende einleiten. Remigration endlich beginnen.“ Dann klappe es auch mit dem Wohnungsmarkt – gerade auch für „die Einheimischen, die nicht so viel Geld haben, wie manche, die hier {im Bundestag} sitzen und sehr viel Geld verdienen, manche sehr überbezahlt“, sagte Beckamp, der selbst wie alle Abgeordneten eine monatliche Diät von 10.591,71 Euro brutto monatlich bezieht.

Gegen den seit 2019 eine EU-Abgeordneten-Diät (10.377,43 Euro brutto) beziehenden Maximilian Krah, läuft in Dresden ein Verfahren wegen des Verdachtes der Abgeordnetenbestechung. Spionageskandale in Verbindung mit China und Russland führten zur Durchsuchung seines Büros. Ein Interview mit der italienischen Zeitung La Republica, in dem Krah die nationalsozialistische SS verharmloste, sorgte schließlich dafür, dass er, sowie alle anderen EU-Abgeordneten der AfD, bereits im Vorfeld der Europawahl aus der rechtsextremen Fraktion Identität und Demokratie im EU-Parlament ausgeschlossen wurde. Unmittelbar nach der Wahl wurde Krah auch noch von seiner eigenen Partei aus der EU-Delegation geworfen.

Krah nutzt das Internet um zu agitieren. In einem viral gegangenen TikTok-Video gibt er maskulinistische Ratschläge: „Echte Männer sind Patrioten. Dann klappts auch mit der Freundin“. Auf der chinesischen Social-Media-Platform fällt er aber immer wieder auch mit geschichtsrevisionistischen Erzählungen auf. Die Verharmlosung der nationalsozialistische Vergangenheit Deutschlands ist dabei Strategie. Wie er, versuchen auch andere AfD-Politiker*innen die Grenzen des Sagbaren zu verschieben und die deutsche Geschichte umzudeuten. Alexander Gaulands Fliegenschiss und Bjön Höckes SA-Parole sind nur zwei Beispiele von vielen. Es ist eine Strategie der Rechtsextremen durch Wiederholung Abstumpfung zu erreichen und schließlich Deutungshoheit zu erlangen – um so wie Krah dann auszurufen, dass es Zeit sei „zu entdecken, wie großartig es ist, ein Deutscher zu sein.“

Die deutsche Geschichte

Der Harz ist eine deutsche Mittelgebirgslandschaft mit Geschichte – die höchste Erhebung Norddeutschlands. Wind und Wetter aus dem Norden treffen am Brocken auf den ersten ernstzunehmenden Widerstand, was immer wieder zu Stürmen oder extremen Schneefall führt. Auch die Reden Krahs und Beckamps werden auf Widerstand stoßen. Das Goslarer Bündnis gegen Rechtsextremismus teilte auf Anfrage mit, dass in Bad Harzburg eine Demonstration gegen die AfD-Veranstaltung angemeldet wurde. Der Kreisverband der Grünen in Goslar organisiert eine Kundgebung gegen das „Harzburger Treffen“ unter dem Motto „Kampf dem Faschismus – Gegen Hass, Hetze und eine Spaltung der Gesellschaft! – Für Freiheit und Demokratie. Kein Platz für SS-Freunde in Bad Harzburg“.

Im Herbst 1931 gab es in Bad Harzburg kaum Protest. Die Gewerkschaftliche Rundschau des ADBG schrieb zur Harzburger Front, dass die „drohende Wolke, die vor Harzburg unheilverkündend am politischen Horizont stand“, sich wieder verzogen habe. Im Sommer 2024 nach der Europa- und vor der Bundestagswahl wird es darum gehen, sich nicht auf das Wetter zu verlassen.

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