„Klimagedöns, kann ich nicht mehr hören“, „Ist das ein schlechter Scherz?“, „nicht den Fehler machen, auf den Klimazug der Gretajünger aufzuspringen“ – die Reaktionen auf den Social Media-Kanälen der Jungen Alternative (JA) Berlin waren so einschlägig wie vorhersehbar. Was war geschehen?
Zwei Tage nach der Europawahl hatte der Berliner Landesverband der AfD-Jugendorganisation eine „Wahlanalyse“ nicht nur im Netz verbreitet, sondern auch an alle Parteivorstände verschickt. In dem Papier wurde etwa in Reaktion auf die gleichbleibend niedrigen Wählerzahlen bei jungen und urbanen Schichten gefordert, die Partei zu verjüngen und „in der Außendarstellung personell freundlicher“ zu gestalten. Für Aufsehen sorgte jedoch ein Passus zum Thema Klimapolitik: „Das Thema Klimawandel und Umweltschutz muss von uns stärker besetzt werden“ heißt es in der Analyse. Und weiter: „Wir fordern die Mandats- und Funktionsträger unserer Partei dazu auf, von der schwer nachvollziehbaren Aussage Abstand zu nehmen, der Mensch würde das Klima nicht beeinflussen.“
Die AfD und der Klimawandel
Hat der Wahlerfolg der Grünen die jungen AfD-Funktionäre so beeindruckt, dass sie eine strategische Kurskorrektur vornehmen wollen – gerade in Berlin, wo die Grünen mit Abstand stärkste Partei wurden? Oder sind sie gar selbst Teil der jungen, urbanen Wählerschicht, für die Klimapolitik zu einem der zentralen Themen im Europawahlkampf wurden – sind tatsächlich selbst „Gretajünger“?
Bisher war die AfD die politische Heimat für Leugner*innen des menschengemachten Klimawandels. Im Europa-Wahlprogramm der Partei hieß es, es gebe Gründe für Zweifel daran, „dass der Mensch den jüngsten Klimawandel, insbesondere die gegenwärtige Erwärmung, maßgeblich beeinflusst hat oder gar steuern könnte“. Immerhin 34 Prozent der AfD-Wähler*innen verneinten in einer Umfrage kategorisch, dass der Mensch den Klimawandel beeinflusse. Gerade der Berliner AfD-Vorsitzende Georg Pazderski schießt immer wieder gegen die „grüne Verbotspartei“ und konstruiert sie als Hauptgegner der AfD.
Spaltung des Berliner JA-Vorstandes
Der klimapolitische Vorstoß der Jungen Alternative Berlin entpuppte sich dann auch prompt als Alleingang ihres Vorsitzenden David Eckert. Bereits einen Tag nach der Veröffentlichung der „Nachbetrachtung der Wahl zum EU-Parlament“ reagierten vier seiner Vorstandskollegen mit einem eigenen Schreiben, in dem sie ihren Rücktritt erklärten. Als Grund nannten sie „unüberbrückbares Misstrauen“. Eckert habe nun zum wiederholten Male gehandelt, ohne sich mit dem übrigen Vorstand abzustimmen.
Bei den zurückgetretenen Vorstandsmitgliedern handelt es sich um die Beisitzer Lennart Schneider, Vadim Derksen, Ferdinand Vogel und den Schatzmeister Yannic Wendt. Alle hatten ihre Posten erst seit Anfang des Jahres inne. Bemerkenswert ist nun vor allem, dass der Zerfall der Führungsriege der JA Berlin schwerlich als Flügelkampf zu werten ist. Wendt etwa hatte eng mit David Eckert zusammengearbeitet, zum Beispiel bei der gemeinsamen Gründung der AfD-Hochschulgruppe „Campus Alternative“ an der Freien Universität Berlin. Wie der Vorstandsvorsitzende Eckert sind auch Vogel und Schneider der Parteirechten zuzuordnen – Lennart Schneider ließ sich laut Tagesspiegel sogar mit dem Chef der IB Berlin, Robert Timm, ablichten. Vadim Derksen kommt aus dem Burschenschaftler-Milieu und sitzt auch im Bundesvorstand der Jungen Alternative.
Auch David Eckert selbst kann kaum als „gemäßigt“ bezeichnet werden: er arbeitet für den Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré und war schon Redenschreiber für Brandenburgs AfD-Vorsitzenden Andreas Kalbitz. Beide stehen dem rechten „Flügel“ der Partei nahe. Eckert wiederum machte in der Vergangenheit immer wieder durch Ausfälle gegen Migrant*innen und Homosexuelle von sich reden. Der Ausschluss eines IB-Mitglieds im Jahr 2017 und der Verzicht weiterer IB-naher Vorstandsmitglieder auf eine erneute Kandidatur zu den Vorstandswahlen Anfang 2019 nach innerparteilichen Diskussionen dürfte so auch eher dem Interesse des Berliner Verfassungsschutzes an der örtlichen Jungen Alternative geschuldet sein, als einem irgendwie „gemäßigten“ Kurs Eckerts.
Bio- statt Klimapolitik?
Die fortdauernde Nähe zur rechtsextremen „Identitären Bewegung“ und seine Ausfälle in der Vergangenheit rücken schließlich auch Eckerts Forderungen nach einem freundlicheren Auftreten der AfD und Anerkennung des menschengemachten Klimawandels ins rechte Licht: sie sind strategische Manöver eines JA-Vorsitzenden, der die Nähe zu Rechtsextremen nicht scheut, gleichzeitig aber „allen Berlinern unter 35 eine politische Heimat“ bieten will. So stellt sich Eckert gerade keine Übernahme grüner Positionen zum Thema Klimawandel vor, sondern verbindet klimapolitische mit bevölkerungspolitischen Überlegungen: er fordert, „die Entwicklungshilfe für Schwellenländer an die Einführung einer Ein-Kind-Politik zu koppeln, um einem der größten Klimaprobleme, der Überbevölkerung, entgegenzutreten“. Seine Forderungen schließen so an rechtsextreme Narrative an, die eben mit Warnungen vor dem Bevölkerungsreichtum von Ländern des globalen Südens Bedrohungsszenarien und Verschwörungstheorien wie die vom „großen Austausch“ entwerfen.
Die klimapolitische Wende der AfD, wie sie David Eckert vorschwebt, hat also einen sehr faden, rassistischen Beigeschmack. Lächerlich werden Eckerts Forderungen allerdings, wenn man sie mit seinem Kommentar unter einem Bericht über die Hitzewelle 2018 konfrontiert: „Urlaub endlich auch in Deutschland möglich. I love Klimawandel – gebt mir mehr!“ (Quelle)