Nach sechs Jahren AfD hat bundesweit jeder verstanden: Die AfD hat etwas gegen Migrant*innen und Geflüchtete, verwechselt Menschenrechte mit von ihr als gefährlich propagierten vorgeblich „offenen Grenzen“ und fängt Stimmen mit Rassismus. Dazu kommt thematisch maximal noch trotzige Propaganda gegen „Die-Da-Oben“ (hier: jeder, der nicht die AfD ist) und „Lügenpresse“.
„Natürlich … AfD“: Setzt die AfD jetzt auf Naturschutz?
In Sachsen möchte die AfD nun im Landtagswahlkampf zumindest optisch in der Plakat-Kampagne ein neues Kapitel aufschlagen und ihre begrenzten Themenbereiche erweitern. Sie setzt interessanterweise zumindest auf den ersten Blick auf einen Umweltschutz-Aspekt, der für die Klimawandel-Leugner-Partei gar nicht mal so naheliegend ist. Trotzdem heißt es auf den Plakaten „Natürlich … AfD“ – und damit ist nicht nur die Bekräftigung des Wahlaufrufs gemeint, sondern scheinbar auch die Liebe zur Natur.
Tierschutz steht in der Rechtsaußen-Sphäre in der Regel in der Tradition nationalsozialistischer völkischer „Blut-und-Boden“-Ideologie, die besagt, dass das „Volk“ mit einer „Natur“ oder „Naturlandschaft“ verwurzelt wäre und sie deshalb schützen solle. Oder es wird scheinbar im Namen des Tierschutzes gegen die religiös begründete Praxis des Schächtens gewettert, aber vor allem, um Abwertendes gegen Muslim*innen und Jüd*innen zu sagen. Ein Zufall, dass vom Plakat der AfD ein Lämmchen blickt?
Im Wahlprogramm (Punkt 8.3) gibt es zum Tierschutz drei Punkte: Weniger Tiertransporte (AfD fordert zuvor eh: „Sachsen soll sich selbst ernähren können“ und meint „Milch, Eier und Schlachtvieh“, nicht „eine Verlagerung des Anbaus ins Ausland“); mehr Geld für Tierheime und – Schächten. „Nur tierschutzgerechte Schlachtungen – Am generellen Verbot von Schächtungen wird festgehalten. In Sachsen sollen keine Ausnahmegenehmigungen erteilt werden, auch nicht aus religiösen Gründen.“ Religionsfreiheit? Nicht mit der AfD.
Vielleicht zieht die AfD mit dem süßen Lämmchen auf ihrem Plakat aber auch auf ihr neues Feindbild ab, den bösen Wolf, denn der macht der AfD offenbar große Angst. Auf Bundesebene forderte die AfD bereits eine Untersuchung, ob die Tiere der Unterart Canis Lupus Lupus angehören oder anderen Unterarten oder Mischlingen, die keinen Schutzstatus haben. Besonders in Brandenburg und Sachsen hat die AfD das Thema Wolf für sich als Wahlkampfthema entdeckt. Dabei klingen die Parolen zum Wolf wie Forderungen zum Thema Asyl. Statt vor einer “unkontrollierten Zuwanderung” warnen sie hier vor einer “unkontrollierten Ausbreitung” und fordern eine Wolfs-Obergrenze in Deutschland.
Begriffe wie „Heimat“ und „Identität“ tauchen im aktuellen AfD-Wahlkampf nicht mehr so häufig auf wie zuvor – vielleicht, um nicht so viel augenscheinliche Nähe zur rechtsextremen „Identitären Bewegung“ herzustellen, die diese Begriffe stark besetzt hat. Stattdessen ist es nun „Landliebe“, die diese Gefühle mittransportieren soll.
Dazu passt im Wahlprogramm der Bereich „Ländlicher Raum“ (8.1): Hier möchte die AfD einen „wirksamen Stopp der Entvölkerung“ erreichen. Ihre Ideen kosten alle Geld, sehr viel Geld. Wo das herkommen soll, wird aus dem Grund verschwiegen, dass die Ideen dazu schlicht nicht vorhanden scheinen: „Gestärkt“ werden sollen Mittelstand und Handwerk, Land- und Forstwirtschaft; Erhaltung aller Schulstandorte und Kindertagesstätten, eine wohnortnahe medizinische Grundversorgung mit Ärztehäusern, Apotheken, medizinischem Notdienst und Landärzten und Hebammen, wohnortnahe Einkaufsmöglichkeiten: Tante Emma-Laden, jedes Dorf soll einen Gasthof, Bäcker und Kirche haben, einen gut vernetzten öffentlichen Personennahverkehr mit einem kostenfreien Schüler-, Auszubildenden- und Seniorenticket und ein flächendeckendes schnelles Internet, Stärkung der Kinder- und Jugendarbeit, des ehrenamtlichen Engagements; flächendeckend Polizeidienststellen und Rettungsleitstellen mit durchgängigen Dienstzeiten und flächendeckender Erhalt der Freiwilligen Feuerwehren.
Eine völlig utopische Wunschliste, die schlicht der Wählertäuschung dient. Die AfD nennt dies aber einen Plan: „Die AfD leitet einen grundlegenden Politikwechsel für den ländlichen Raum mit dem Ziel ein, die schädliche Zentralisierungspolitik auf allen Ebenen zu korrigieren.“ Hier wieder ein Narrativ von Fremdbestimmung durch „die da oben“.
Nationalismus lässt sich hier auch verpacken: Zähneknirschend wird zugegeben, dass EU-Subventionen für den „sächsischen Bauernstand“ nötig seien. Aber: „Die AfD will die Zuständigkeit für die heimische Landwirtschaft wieder in nationale Hände legen. Landwirte anderer Staaten sollen nicht mit deutschem Steuergeld subventioniert werden.“ Ob der Plan aufgeht?
Dann möchte die AfD noch , dass sächsische Produkte in andere Regionen und Ländern vermarktet werden sollen, Produkte aus dem Ausland sind nicht gern gesehen; und Kinder sollen in der Schule lernen, dass Landwirtschaft wichtig ist für die „Pflege unserer Kulturlandschaft“, weil die keine Lust mehr haben, landwirtschaftliche Berufe zu ergreifen. Immer dieser freie Wille!
Übrigens kommt „Heimatliebe“ auch im Wahlprogramm-Bereich „Bildung“ (5.1.7) vor: „Heimatliebe vermitteln: Ziel der schulischen Bildung ist es, ein positives Bild von Sachsen und Deutschland, seiner Geschichte, Gegenwart und Zukunft zu vermitteln. Licht- wie auch Schattenseiten sollen dabei behandelt werden. Der Fokus liegt dabei auf der positiven Identifikation mit unserem Land. Die Lehrpläne wollen wir dementsprechend überarbeiten.“ Ironischerweise steht dieser Satz über „Keine ideologische Beeinflussung an Schulen“ – aber damit ist dann Antirassismus-Arbeit gemeint, die nicht mehr in die Schule gelassen werden soll: „Vereinen, die Schüler ideologisch zu indoktrinieren versuchen, muss der Zugang zur Schule verwehrt werden. Sie dürfen keine Steuermittel erhalten. Der Sachkundeunterricht soll wieder Heimatkunde heißen.“
Die Familienpolitik der AfD: Zurück zu Heimatkunde und Leistungsbereitschaft in Schule und Kita
Auch Familienpolitik schreibt sich die AfD in Sachsen aufs Plakat – gemeint sind damit allerdings nur Familien, die der AfD-Vorstellung einer „deutschen“ Familie entsprechen. In Plakatform sieht das so aus:
Im Wahlprogramm geht es dann vor allem um traditionelle Familienbilder mit MutterVaterKind-Familien, von denen die Mutter doch am besten zuhause bliebe, für die Kinder. Dabei kommen – neben bekannten Argumentationen wie gegen altersgerechte sexuelle Aufklärung skurrile Ideen heraus: „In Sachsen werden immer noch deutlich zu wenige Kinder geboren, um den Bevölkerungsbestand und damit das Erbe unserer Kulturlandschaft und unserer gewachsenen Industrie- und Landwirtschaft zu erhalten.“ Dagegen soll ein „Baby-Begrüßungsgeld“ von 5.000 Euro helfen. Wo das Geld herkommt? Geschenkt. Es geht ja um die „Kulturlandschaft“. In Kindertagesstätten soll derweil Schluss sein mit freiem Spiel und individueller Entfaltung: „Wir sprechen uns klar gegen sogenannte „offene Konzeptionen“ in Kindertagesstätten aus. Auf der Grundlage bewährter Erfahrungen (…) soll wieder die allgemeine Schulfähigkeit der Kinder, Kameradschaft und Achtsamkeit, die Freude am Lernen und eine gesunde Leistungsbereitschaft im Mittelpunkt stehen.“
Die AfD und das Handwerk
Weitere Bereiche, die die AfD „natürlich“ unterstützen möchte: Das „Handwerk“ – interessanterweise hier verkörpert durch eine weibliche KFZ-Mechanikerin, vielleicht als schwacher Versuch, die eigene Rückständigkeit in Männer- und Frauenbildern zu verbergen. Weitere Ausführungen zur Handwerks-Stärkung finden sich höchstens in den Vorschlägen zur Steuerpolitik, die hauptsächlich auf „weniger Steuern“ hinauslaufen – ein sicherlich populärer Plan, der allerdings nicht mit den Geldern korrespondiert, die die AfD an anderer Stelle ausgeben will.
Die AfD und die Freiwillige Feuerwehr
Beim Engagement nutzt die AfD das Bild eines Feuerwehrmannes, der ein „natürlich“ blondes Mädchen rettet.
Nicht der einzige Versuch, freiwillige Feuerwehren für die AfD zu vereinnahmen: In Brandenburg posierte ein AfD-Kandidat in seiner Feuerwehruniform auf dem AfD-Wahlplakat, was in der regionalen Freiwilligen Feuerwehr zur sofortigen Distanzierung führte, die sich nicht parteipolitisch einspannen lassen will (vgl. MAZ).
Hetze gegen Migrant*innen
Ganz möchte die AfD auf Rassismus dann aber doch nicht verzichten – allerdings erscheint die Stimmungsmache gegen Migrant*innen und Geflüchtete diesmal als Einsatz für „Deutsche“.
Dieses Motiv ist das offenste: Hier wird das Bild angeblich gewalttätiger Geflüchteter bedient, deren Legitimität der Schutzsuche zugleich mit Anführungszeichen in Frage gestellt wird.
Neid-Debatte
Subtiler erscheint das Motiv hier:
Hier wird eine Neid-Debatte formuliert und vermittelt, die aktuelle Politik würde nur Nicht-Deutschen ein würdevolles Leben ermöglichen, was zugleich Rassismus und Feindlichkeit gegen die regierenden Parteien schürt. Zur Asylpolitik fordert die AfD Sachsen im Wahlprogramm durchgängig Dinge, die mit der Landespolitik nichts zu tun haben und im Bundesland gar nicht umgesetzt werden können. Alles zielt dabei darauf auf, am besten keine Menschen nach Deutschland kommen zu lassen und falls doch, sie schnellstmöglich wieder los zu werden.
Die AfD ist gegen “Hass”
Und dann gibt es noch ein Motiv, mit dem die AfD vielleicht ihre Menschenfreundlichkeit demonstrieren möchte und sich „gegen Hass“ stellt. Das sieht dann so aus:
Das Demonstrationsbild unbekannter Herkunft könnte nun als Aufruf gegen eskalierende Demonstrationen und Vermummung gewertet werden, allerdings wissen AfD-Wähler*innen, dass hier wohl „Linksextreme“ (für die AfD fast jeder, der nicht in der AfD ist) gemeint sein müssen – denn mit vermummten, wenig freundlichen Rechtsextremen geht die AfD ja in Sachsen gemeinsam auf die Straße, wie etwa in Chemnitz 2018. Einen „Feind im Inneren“ zu markieren und ihm die „Heimat“ abzusprechen, wie es hier geschieht, passt ebenfalls in das Weltbild völkischer Ideologie.
Denn das ist die bei sächsischen AfD-Wähler*innen vermutlich auf Gegenliebe stoßende Kernaussage der AfD-Kampagne: Ein völkisches Weltbild, dass klar definiert, wer zum „Volk“ gehört, dass die AfD sich wünscht, und wer nicht bedacht oder gar bekämpft werden soll: Die, die als nicht zugehörig von außen angesehen werden, also nicht-weiße Menschen (sowohl Nicht-Deutsche als auch Deutsche), und die, die als nicht-zugehörig von innen angesehen werden, wie politische Gegner*innen, die als „linksextrem“ dargestellt werden oder als die, die Gefahren „ins Land lassen“.
Dies bedient den – seit dem 19. Jahrhundert beliebten und im Nationalsozialismus perfektionierten Mythos einer „homogenen Volksgemeinschaft“: Das heißt, sie definieren eine Gruppe als „deutsch“ und „Volk“ nicht über Staatsbürgerschaft oder Wohnsitz, sondern über eine vermeintliche gemeinsame kulturelle und ethnisch-biologische Herkunft. Rechtsaußen-Strukturen sehen darin das Gegenbild zur Zuwanderungsgesellschaft, deren Existenz die AfD zumindest negieren, wenn nicht gar rückgängig machen möchte.