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AfD-Wahlkampf Beatrix von Storch wirbt um die vietnamesische Diaspora

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Die AfD wirbt auch um migrantische Wähler*innen, und kann dabei nicht mal den Namen ihrer eigenen Kandidatin richtig schreiben. (Quelle: privat)

Das Dong-Xuan-Center in Berlin ist ein lebendiger Ort. Insbesondere am Wochenende gibt es viel Andrang. Händler*innen reisen bundesweit an, um ihre Waren aus dem Großhandel zu beziehen. Kinder spielen auf den Gängen und Familien gehen in eines der Imbisse oder lassen sich die Haare schneiden. Es ist ein zentraler Ort für uns Vietnames*innen. Am 15. Februar 2025 organisierten die AfD-Politikerinnen Beatrix von Storch und die hessische Landtagsabgeordnete, Anna Nguyen, eine Wahlveranstaltung vor dem Center. Anna Nguyen ist vietnamesischer Herkunft. Ihre Eltern waren sogenannte Bootsflüchtlinge, die in den Siebzigern in die BRD kamen. Es klingt erstmal überraschend, dass ein Kind von Geflüchteten nun AfD-Politikerin ist, deren politische Agenda unter anderem auf Hass gegen Geflüchtete und Migrant*innen fußt. Für die Partei ist jedoch das Exponieren von einzelnen migrantischen Repräsentant*innen der Partei schon längst eine Strategie. Es ist kein Zufall, dass gerade Nguyen an diesem Tag vor Ort ist.

Damit wären sie durchgekommen, hätten nicht Aktivist*innen darauf aufmerksam gemacht und einen Gegenprotest organisiert, was zu einer vorzeitigen Beendigung der Veranstaltung führte. Sie selbst schreibt als Reaktion auf Instagram zwar, dass sie Politik „(…) NICHT für die vietnamesische Diaspora“ mache, naheliegend ist aber, dass sie genau deshalb in dieser Position ist.

Nguyen gehört zu einer Gruppe migrantisierter Menschen, die rechte Politik machen, obwohl sie von dieser negativ betroffen sind. Natürlich könnte das mit kognitiver Dissonanz begründet werden. Die Gründe führen uns aber zum modernisierten Rechtsextremismus auf globaler Ebene. Die AfD steht neben ihrer rassistischen Politik auch für einen neoliberalen Konservatismus, was sie gerade für konservative Gruppen anschlussfähig macht. Dass Konservatismus dem Autoritarismus immanent ist, sollten wir spätestens nach der NS-Zeit wissen. Damals war es den Nationalsozialisten mitunter möglich an die Macht zu kommen, weil sie im Kern die Belange der Konservativen bediente. Der Erhalt der Macht- und Eigentumsverhältnisse, als Gegenposition zum Sozialismus und der Wunsch nach einer klar hierarchisch strukturierten Gesellschaft machen den Konservatismus früher wie heute aus.

Die viel propagierte Aussage „Rassismus ist in der Mitte angekommen“, ist eigentlich nicht richtig. Eher müsste es heißen: Rassismus war schon immer Teil der Gesellschaftsmitte, denken wir an den Kolonialismus oder auch an aktuelle politische Entscheidungen bürgerlicher Parteien, die sich gegen rassifizierte Menschen richten. So wie Rassismus in allen gesellschaftlichen Gruppen verbreitet ist, gibt es auch Konservative unter migrantisierten Gruppen.

Und ein weiterer Faktor ist wichtig, um zu verstehen, warum Menschen wie Anna Nguyen AfD-Politik machen. Wer in Deutschland nicht Teil der weißen Mehrheitsgesellschaft, behindert und queer ist oder zur unteren ökonomischen Schicht gehört, bekommt vermittelt, dass es nicht für jeden einen Platz am runden Tisch gäbe. Die Ressourcen seien knapp und um diese müsse daher konkurriert werden.

Gleichzeitig werden diejenigen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte, die sich „sehr gut integriert“ hätten, hochgehalten. Als seien sie der Beweis dafür, dass es jede*r schaffen könne. Diese Art Vorbildfunktion dient aber vor allem dazu, Migrant*innen gegeneinander auszuspielen und hilft letztlich nur der weißen Vorherrschaft und konservativen Mitte.

Gleiches gilt auch für Menschen, die es aus der Armut schaffen und sozial aufsteigen. Die Gelingensbedingungen werden dabei ins Private verschoben. Die Angst bei denjenigen, denen es gelungen ist, das auferlegte „Ideal“ zu erfüllen, wieder sozial abzusteigen oder in Mittäterschaft gezogen zu werden, ist naheliegend und verständlich. Dabei muss es gar nicht daran liegen, dass diese generell ein Problem mit armen oder migrantisierten Menschen haben. Der Grund kann schlichtweg sein, dass sie Sorge haben, wieder marginalisiert zu werden und als Sündenböcke dastehen müssen, was eine reale Befürchtung ist. Daher versucht die AfD sich dieser Angst zunutze zu machen, um neue Wähler*innen für sich zu gewinnen.

Die Furcht vor einem sozialen Abstieg und der damit einhergehenden Ausgrenzung wird vom Neoliberalismus getrieben und daher ist es nur folgerichtig, dass rechte Akteure, wie die AfD, diesen Aspekt aufgreift und damit auch Erfolg haben. Es ist also entscheidend einen kritischen Blick auf den Zusammenhang von Konservatismus, Neoliberalismus und Rechtsextremismus zu legen, um dabei ganz zielgerichtet das Diversitäts-Washing der AfD und auch globalen Akteuren des modernisierten Rechtsextremismus zu dekonstruieren.

Der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge schreibt in dem Paper „Neoliberalismus und Rechtsextremismus in Europa“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung, dass Globalisierung zunehmend zu einer Schlüsselkategorie avanciert, da sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verändert haben. Dadurch verschieben sich die Trennlinien rechter Agitatoren. So werden diese nicht mehr entlang von Ausländer-Inländer Unterscheidungen gesetzt, sondern anhand kapitalistischer Weltmarktlogiken. Auch die Abwertung von behinderten, neurodivergenten, queeren, nicht-binären Personen, Geflüchteten oder auch Obdachlosen ist laut Butterwege eine Realisation herrschender Normen, bei denen Menschen nach ihrer ökonomischen Verwertbarkeit und Systemangepasstheit bewertet werden. Dass Alice Weidel von Elon Musk zu einem Talk auf der Plattform X eingeladen wird, ist folgerichtig. Der reichste Mann der Welt und eine rechtsradikale Politikerin. Oder, dass Donald Trump Ministerpräsidentin Giorgia Meloni als Türöffnerin in Europa sieht. Was wir derzeit live erleben können, ist der globale modernisierte Rechtsextremismus.

Wenn also eine Anna Nguyen sagt, sie mache „Politik für alle Deutschen, egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund“, dann meint sie all jene, die assimiliert sind und einen wirtschaftlichen Mehrwert haben. Für sie ist die Fluchtgeschichte ihrer Eltern kein Widerspruch zu der Partei, die sie vertritt. Sie sieht sich am richtigen Platz, denn sie gehört zu denjenigen, die die herrschende Norm aufrechterhalten wollen.

Im Dong-Xuan-Center hatten sie jedenfalls keinen Erfolg. Schon vor der Veranstaltung gab das Centermanagement bekannt, dass sie die AfD-Veranstaltung nicht genehmigen und auch nicht tolerieren würden. Widerständigkeit beginnt im Kleinen und dort können wir ansetzen.

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