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Affenpocken So reagieren Rechtsextreme und Verschwörungsideologen 

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Affenpocken: Die rechte Szene reagiert mit Homofeindlichkeit, Rassismus und Verschwörungsmythen (Quelle: Pixabay, Screenshots)

Kaum flacht Corona ab, breitet sich ein neues Virus aus: die Affenpocken. Normalerweise treten sie nur sehr selten außerhalb West- und Zentralafrikas auf, wo der Erreger seinen Ursprung hat. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden aber schon über 100 Fälle außerhalb Afrikas registriert, wie etwa in den USA, in Kanada, Portugal, Spanien, Großbritannien, Italien und Deutschland. Typische Symptome bei einer Infizierung sind Fieber, Muskelschmerzen, geschwollene Lymphknoten, Schüttelfrost, Erschöpfung und ein Windpocken-ähnlicher Ausschlag an Händen und Gesicht.

Die UN-Organisation Unaids hat einige Berichte und Kommentare über Affenpocken-Fälle als homofeindlich und rassistisch kritisiert. Eine Stigmatisierung der Virusinfektion könne den „Kampf gegen die Epidemie schnell untergraben“, warnte die Organisation deshalb am Sonntag.

Die ersten Infektionen mit dem Virus sind zwar bei homosexuellen Männern aufgetreten, doch die Krankheit kann durch engen Kontakt mit einer infizierten Person übertragen werden und somit jeden treffen. Das Virus wird wohl zuvorderst durch Tröpfchen- und Schmierinfektionen sowie durch engen Körperkontakt übertragen. Die Deutsche Aidshilfe warnt bereits vor falschen Schlussfolgerungen und Stigmatisierung. Nach der Erfahrung mit HIV fürchte man die Stigmatisierung von Männern, die Sex mit Männern haben, und von Schwarzen Menschen.

Homofeindlichkeit: Zurück in die 80er – „Die Schwulenkrankheit“

Und tatsächlich scheint die Rechtsaußen-Blase auf das Narrativ einer „Schwulenkrankheit“ zu bauen. Martin Sellner etwa, Kopf der deutschsprachigen „Identitären Bewegung“, vermutet, dass „scheinbar vor allem Schwule und deren Fetisch-Parties für die Verbreitung verantwortlich“ seien. Er hofft nun, dass der Pride-Month in Wien, er spricht in einem Video, von einem „Monat des Regenbogen-Terrors“, abgesagt wird. Er fordert dann noch einen Einreisestopp aus Afrika. „Wir wollen keine Affenpocken aus Afrika“, sagt der Rechtsextreme Sellner und schmunzelt.

In dieselbe Kerbe schlägt der rechtsextreme Blog „Heimat Kurier“. Er titelt: „Affenpocken: Schwulenfestivals als Infektionsherde“ und fordert die Absage der „Vienna Pride“, da „normale Bevölkerung“ ja auch weiterhin FFP2-Masken tragen müsse.

Rassismus: Die AfD punktet mit ihrem Lieblingsthema – Flüchtlingsfeindlichkeit

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Sichert verbindet Affenpocken mit dem Lieblingsthema der AfD, Rassismus und Geflüchteten-Feindlichkeit. Er führt folgende rassistische Punkte auf: Als erstes sei das Virus in West- und Zentralafrika aufgetreten, verbreitet wird es unter anderem über Sexualkontakt, rund ein Viertel der Asylbewerber:innen kommen aus Afrika. Eine Schlussfolgerung bleibt uns der MdB auf seinem Sharepic auf Telegram schuldig. Was er damit andeutet, dürfte aber den meisten klar sein: Afrikanische Geflüchtete haben angeblich das Virus nach Europa gebracht. In der hypersexualisierten und überaus rassistischen Erzählung, des sexuell aktiven und übergriffigen Schwarzen Mannes, habe er es so über Geschlechtsverkehr an die Deutschen weitergegeben. Sichert nennt die Affenpocken eine „PLANdemie“, und befeuert damit Verschwörungsmärchen, dass hinter dem Virusausbruch ein großer geheimer Plan stecke.  

Verschwörungserzählungen

Denn nicht nur Rassismus und LGBTQ*-Feindlichkeit haben momentan wieder Hochkonjunktur. Auch Verschwörungserzählungen rund um die Affenpocken ploppen wie Pilze aus dem Boden. In einschlägigen – also verschwörungsideologischen und extrem rechten Blogs – werden, wie schon zu Hochzeiten der Corona-Pandemie, erlogene Inhalte verbreitet.

Rechtsextreme „Alternativ-Medien“ wie Compact fragen sich, ob mit den Affenpocken eine weitere „Panik-Sau durchs digitale Dorf getrieben“ wird oder ob „wir die Ouvertüre für einen groß angelegten Völkermord“ erleben. „Die Globalisten“ (meist ist hier eine jüdische Finanzelite gemeint) würden nicht davor zurückschrecken, „Hungersnöte, Chaos und Gewalt zu erzeugen, denen dann tausende und abertausende Menschen zum Opfer fallen“, um unter dem Deckmantel des Klimaschutzes eine Agenda voranzutreiben, die man nur als mörderisch bezeichnen könne. Das rechtsextreme Hetz-Portal „PI-News“ raunt vom „Great Reset“. „The Great Reset“ ist die Erzählung von einer globalen Finanzelite, die plane die derzeitige Weltwirtschaftsordnung zurückzusetzen.

Zwangsimpfungen und „TRIBUNALE, TRIBUNALE, TRIBUNALE!!!“

Das rechtsextreme österreichische Webmagazin „info-Direkt“ vermutet, dass es bald Zwangsimpfungen gegen Affenpocken geben könnte. Martin Sellner kommentiert in einem Video, „das könnte ganz schön krass werden“.

Auch Oliver Janich (156.000 Abonnent:innen auf Telegram), reichweitenstarker Verschwörungsideologe, hat Angst vor einer Zwangsimpfung (nicht aber vor Ausrufungszeichen) und verlangt jetzt schon Tribunale. Auf Telegram schreibt er:

„Wahnsinn!!!!!!!!!!!!! Abgesehen davon, dass es für eine Impfung zu spät ist, wenn man sich bereits möglicherweise angesteckt hat: So können sie JEDEN zwangsimpfen, wenn man nur genug testet!!!!!!!!!! TRIBUNALE, TRIBUNALE, TRIBUNALE!!! AUF DIE STRASSE“

QAnon: Affenpocken wurden gezüchtet, um Russland zu besiegen

Und natürlich schweigen die Verschwörungsideolog:innen rund um QAnon nicht. QAnon-Gläubige sehen Donald Trump und Wladimir Putin als Erlöser an und Prominente aus Politik und Kultur seien kinderblut-trinkende Satanist:innen. Beim cui bono, also wem die Affenpocken-Infektion nutzt, ist sich die QAnon-Szene bisher jedoch uneins.

Einer der zig QAnon-Accounts auf Telegram behauptet, Affenpocken seien im Labor gezüchtet worden, nur um Russland dafür verantwortlich zu machen. Angeblich soll ein Informant im „Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten“ (ECDC) diese brisante Information ausgerechnet einer Person von „Antiilluminaten TV“ (72.000 Abonnent:innen auf Telegram) gesteckt haben, die Person befindet sich nun angeblich in Lebensgefahr.

QAnon: Affenpocken wurden gezüchtet, um Russland zu stärken

Diese Verschwörungserzählung aus dem QAnon-Millieu steht konträr zu einer anderen Erzählung aus dem gleichen Spektrum. „Folge dem Plan – Q Neuigkeiten zum täglichen Geschehen“ (13.000 Abonnent:innen auf Telegram) deuten an, die Affenpocken seien eine Art Strafe für jene Länder, die Russland sanktionieren würden. „Was auffällt, ist dass die Affenpocken in den letzten Tagen nur in diesen Ländern aufgetreten ist, die Russland sanktioniert haben.“ (sic)

QAnon: Deepstate Taktik zum „Great Reset“

Ein weiterer reichweitenstarker Telegram-Account (133.000 Abonnent:innen auf Telegram) aus der harten verschwörungsideologischen Szene um QAnon behauptet, dass der verhasste „Deep State“ (die angeblich böse Regierung) „den nächsten Pandemieschwindel durch die Medien“ treiben, mit dem Ziel, den „Great Reset“ voranzutreiben.

„Aktivist Mann“: Satanist:innen orientieren sich an „12 Monkeys“

Der extrem rechte Aktivist „Aktivist Mann“ (36.000 Abonnent:innen auf Telegram) denkt, die Satanist:innen würden sich an den Film „12 Monkeys“ orientieren.

„Freie Sachsen“: Geplant von der WHO?

Die rechtsextremen „Freien Sachsen“ deuten an, dass die Verbreitung der Affenpocken durch die WHO und Bill Gates geplant wurde. Ziel der WHO und Co. sei die Zerstörung der Demokratie. 2021 sei in einem Planspiel eine Affenpocken-Infektion durchgedacht worden. Dabei ist es nicht verwunderlich, dass gerade zu den wahrscheinlichsten Erregern „Planspiele“ durchgeführt werden.

Die Rechte: Die „Panicker“ haben sich das ausgedacht

Die Neonazis der Kleinstpartei „Die Rechte“ vermuten auf ihrem Blog: „Corona zieht nicht mehr richtig“, daher haben „Panicker“(sic) sich eine neue Infektion ausgedacht.

Die wahren Panikmacher scheinen hier jedoch die rechtsextremen und verschwörungsideologischen Aktivist:innen zu sein. Deutsche Expert:innen hingegen versuchen hingegen beruhigend auf die Bevölkerung zu wirken und zeigen sich weitestgehend entspannt. 

Obwohl das rechte und Verschwörungsmilieu gerade der WHO und Expert:innen Panikmache vorwirft, sind sie es, die hier zumeist wieder Böses wittern. Was genau ist allerdings noch nicht ganz eindeutig. Das Verschwörungs-Milieu muss sich zunächst mal auf einige Haupt-Narrative einigen. Klar sind sie bisher in folgenden Punkten: Ominöse Mächte, Panikmache, Angst – so weit, so verschwörungsideologisch, häufig gepaart mit Homofeindlichkeit und Rassismus.

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