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Aktiv gegen Nazis im Sport „Das Gute aus dem Sport herauskristallisieren“

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Vormittags hatte die Tagung ?Foul von Rechtsaußen? einen repräsentativen Auftakt (netz-gegen-nazis.de berichtete), am Nachmittag ging es dann um die konkreten Möglichkeiten des Einsatzes gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und Homophobie im Sport.

Erfahrungen statt Patentrezepte

?Es gibt kein Patentrezept?, betonte der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger. Aber: ?Die Zivilgesellschaft ist in diesem Bereich schon lange aktiv, sie hat Erfahrungen und auch Fehler gemacht, aus denen wir alle lernen und so gemeinsam neue Wege beschreiten können?. Gleichzeitig mahnte Krüger: ?Eine langfristige Auseinandersetzung braucht viel Geduld und Kondition?.

Auch der Sportwissenschaftler und Fanforscher Gunter A. Pilz forderte Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit bei der Auseinandersetzung mit menschen- und demokratiefeindlichen Ideologien ein. Der Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und Homophobie im Sport dürfe ?kein Event und kein einmaliger Akt sein?, mahnte Pilz – wohl auch mit Blick auf die prominent besetzte Diskussion am Vormittag. Gleichzeitig brachte er die Wichtigkeit des Engagements mit einer simplen Formel auf den Punkt: ?Vereine, die sich deutlich gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und Homophobie positionieren, haben weniger Probleme mit diesen Phänomenen, als solche, die dies nicht tun?.

Handlungsempfehlungen

In seinem Kurzreferat gab Pilz erste konkrete Handlungsempfehlungen für die Sportverbände und -Vereine: Neben einer deutlichen Positionierung gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und Homophobie forderte er Aufklärung, beispielsweise durch Fortbildungen von Mitarbeitern, und die Stärkung von antirassistischen Fan-Initiativen. Durch deren Unterstützung könne das Gleichgewicht in der Fanszene positiv verändert und mehr Bewusstsein für die Problematik geschaffen werden.

In Workshops wurden diese und weitere konkrete Handlung- und Beratungsmöglichkeiten vorgestellt und diskutiert, Erfahrungen ausgetauscht, Probleme diskutiert und Wünsche für die zukünftige Arbeit formuliert.

Eine Vielzahl guter Beispiele aus der Praxis

In den Workshops zeigte sich, wie vielfältig die Projekte gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und Homophobie im Sport bereits sind. Und: Dass sie nicht immer viel Geld kosten müssen. Besonders hervorgehoben wurden ein ?Wertekodex?, den alle Mitarbeiter, Spieler und Eltern von Spielern des SV Werder Bremen unterschreiben müssen. In diesem Kodex heißt es: ?Ich werde das Recht von Mitspieler/innen, Gegner/innen, Schiedsrichter/innen, Zuschauer/innen oder der mir als Trainer/innen und Eltern anvertrauten Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf Unversehrtheit achten und keine Form von Rassismus, Gewalt oder Diskriminierung in jeglicher Form, sei sie physischer, psychischer oder sexueller Art, zulassen bzw. selbst ausüben.? Dieser Kodex kann problemlos von anderen Vereinen und Verbänden übernommen werden, die damit ebenfalls ein deutliches Zeichen gegen jede Form der Diskriminierung setzen wollten.

Verwiesen wurde in diesem Zusammenhang auch auf die Stadienordnungen einiger Vereine, die explizit rechtsextreme, rassistische und antisemitische Symbole und Sprüche in den Sportarenen verbieten. Ein weiteres Beispiel für eine klare Positionierung ohne viel finanziellen Aufwand: der SV Babelsberg 03 druckt auf die Rückseite seiner Eintrittskarten statt Werbung von Sponsoren eine deutliches Statement gegen jede Art von Diskriminierung und ein Bekenntnis zu Werten wie Toleranz und Weltoffenheit. Auch dies steht jedem Verein zur Nachahmung frei.

Projektarbeit

Im Laufe des Nachmittags wurden aber auch aufwendigere Projekte wie das mittlerweile ausgelaufene Projekt ?Am Ball bleiben – Fußball gegen Rassismus und Diskriminierung? der Deutschen Sportjugend, die Initiative ?Kein Platz für Rassismus? und das Projekt ?Straßenfußball für Toleranz? der Sportjugend Berlin-Brandenburg vorgestellt. Letzteres versteht sich als niedrigschwelliges Angebot, bei dem durch Straßenfußball Jugendlichen demokratisches und soziales Verhalten vermittelt werden soll.

Gütesiegel für engagierte Vereine?

Auch das Projekt des DFB, bei dem Vereine das Gütesiegel ?Verein für Anerkennung und Toleranz – gegen Rassismus und Diskriminierung? erwerben konnten, wurde von den Teilnehmern diskutiert. Viele Teilnehmer teilten dabei nicht die negative Bewertung dieser Idee, die Bundesinnenminister Thomas de Maizière vormittags auf dem Podium polternd geäußert hatte: ?Wenn schließlich alle so ein Gütesiegel haben, was ist es dann noch wert??. Überhaupt zeigten sich einige Teilnehmer enttäuscht von den Politiker-Auftritten am Vormittag, die eher als ?Show? ohne Nachhaltigkeit gewertet wurden.

Fanprojekte: „Weiter als der Stand der Tagung“

Leider spielten die Vertreter der Fanprojekte und Faninitiativen bei dieser Veranstaltung scheinbar nur eine untergeordnete Rolle. Über ihre Arbeit wurde nur wenig geredet und berichtet. Dabei sind es oftmals die Fans und die Fanprojekte, die sich dem Problem Rechtsextremismus in den Stadien annehmen und mit vielen Aktionen und Kampagnen deutlich gegen jede Form der Menschenfeindlichkeit in den Sportarenen positionieren. Und so kommentierte der Vertreter eines Fanprojekts, man sei mit der Arbeit ?schon viel weiter?, als der Stand der Diskussion auf der Tagung ?Foul von Rechtsaußen?.

Baustellen: Mangelndes Problembewusstsein , fehlende Nachhaltigkeit

Bei den Berichten aus den Vereinen und Verbänden klangen immer auch Probleme an, die sich aus dem Engagement ergeben. So wurde immer wieder beklagt, dass leider nach wie vor viele Vereine das Problem menschenfeindlicher Umtriebe in den Stadien und auf den Sportstätten gar nicht wahrnehmen oder herunterspielen würden. Es seien immer die anderen Vereine, die Probleme mit Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und Homophobie hätten, niemals der eigene, beklagten die Engagierten. Oftmals fehlten bei den Verbänden und Vereinen die passenden Ansprechpartner für Menschen, die sich engagieren wollten. Oder die Vereine seien aus personellen und finanziellen Gründen schlichtweg überfordert, wenn Engagierte mit Ideen auf sie zukommen. Wenn sich ein Verein oder Verband aber dazu entschließe, ein Projekt gegen Rechtsextremismus zu starten, sei dieses oftmals nur auf kurze Zeit angelegt oder würde aus finanziellen Gründen nach wenigen Jahren eingestellt. Auf diese Weise sei die vielfach eingeforderte Nachhaltigkeit nicht zu leisten.

Ehrenamtlich oder hauptamtlich für Demokrate?

In diese Richtung ging auch die Debatte, ob das Engagement von ehrenamtlichen oder von hauptamtlichen Mitarbeitern getragen werden sollte. Ehrenamtlich Aktive könnten die Arbeit oftmals nicht mehr alleine leisten, berichtete beispielsweise ein Teilnehmer aus Mecklenburg-Vorpommern aus seinen eigenen Erfahrungen. Sie seien überfordert und würden ihr Amt deshalb aufgeben. Viele Teilnehmer sprachen sich deshalb für die Schaffung von hauptamtlichen Stellen in diesem Bereich aus. Für die Finanzierung wurde die Idee diskutiert, an die soziale Verantwortung von Unternehmen zu appellieren und eine Art Projektsponsoring für Engagement gegen Diskriminierung im Sport zu entwickeln. Andere forderten eine größere Anerkennung von ehrenamtlichem Engagement. Ein Teilnehmer aus Hessen betonte aber auch, dass das Engagement gegen Rechtsradikale auch eine Gefahr bedeuten kann, da Neonazis auf Gegenwehr auch mit Gewalt reagieren würden. Ein anderer erinnerte, dass es bereits reichlich Know-How im Umgang mit Rechtsextremismus ? auch mit rechtsextremer Gewalt ? gäbe, das man für den Sport fruchtbar machen müsste.

Lösungsvorschläge: Mehr Netzwerke, mehr Nachhaltigkeit

Als eine Art Lehre aus diesen Erfahrungen wünschten sich die Teilnehmer der Tagung ?Foul von rechtsaußen?:

Ein (noch) größeres Problembewusstsein,
eine deutliche Positionierung möglichst aller Vereine und Verbände gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und Homophobie,
die Sicherung einer stärkeren Nachhaltigkeit ihrer Arbeit
und eine bessere Vernetzung der Akteure untereinander.

Projekte gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und Homophobie dürften nicht aktionistisch sein, sondern müssten kontinuierlich durchgeführt werden können, betonten die Engagierten. Die Projekte sollten dabei möglichst niedrigschwellig ansetzen, damit möglichst viele erreicht werden können. Für eine bessere Vernetzung und einen besseren Austausch untereinander wurde die Schaffung eines Internetportals vorgeschlagen, für das der Vertreter des Bundesinnenministeriums, Gerhard Böhm, in einer Abschlussdiskussion auch eine mögliche finanzielle Unterstützung andeutete. Er sagte außerdem zu, mit den anderen Akteuren der Tagung möglichst bald gemeinsame Arbeitsstrukturen und eine Arbeitsgemeinschaft aufzubauen, um der Aktion die geforderte Nachhaltigkeit zu geben. Denn es gilt, was Adam Bednarsky, Geschäftsführer von ?Roter Stern Leipzig?, auf der Tagung sagte: ?Der Sport ist nicht per se gut, man muss das Gute aus ihm herauskristallisieren?.

Mehr im Internet:

| ?Wertekodex? des SV Werder Bremen

| Projekt ?Am Ball bleiben- Fußball gegen Rassismus und Diskriminierung?

| Aktion ?Kein Platz für Rassismus?

| Gütesiegel ?Verein für Anerkennung und Toleranz- gegen Rassismus und Diskriminierung?

| Projekt ?Straßenfußball für Toleranz?

| Kampagne „Sport! Jugend! agiert! – Für soziale Verantwortung im Sport“ (gemeint ist: Gegen Diskriminierung)

Mehr auf netz-gegen-nazis.de:

| Rechtsextremismus im Verein: „Ein Angriff auf die Werte des Sports“

| Aktive Vereine und Fans
| Sportvereine im Visier von Neonazis
| Rechtsextremismus im Sport
| Rechtsextremismus im Fußball
| Sexismus im Fußball
| Homophobie im Fußball
| Antisemitismus im Fußball
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