Anlass der Gedenk-Demonstration war ein spontaner Aufruf der CDU-Stadtverordneten Susanne Michler zu einer Schweigeminute, um „ein Zeichen der Erinnerung an Vertreibung und Mord an Zossener Bürgern und gegen die Verleugnung des Holocaust“ zu setzen.
Dem vorausgegangen war eine handfeste Auseinandersetzung mit dem mehrfach verurteilten Holocaustleugner Rainer L., der unweit des Marktplatzes ein Internetcafé betreibt. Erst als im November vor seinem Laden Stolpersteine verlegt wurden, die an dort früher lebende jüdische Opfer der NS-Zeit erinnern, bemerkten die Bürger Zossens, mit was für einem Menschen sie es in ihren Reihen zu tun hatten. Bei der Verlegung stürmte L. aus seinem Geschäft, beschimpfte wüst die beteiligten Akteure und prügelte schließlich auf sie ein.
In Berlin, von wo aus sich Rainer L. vor drei Jahren zurückzog, ist er Kennern der rechtsextremen Szene wohl bekannt. So viel er mehrfach beim Verteilen von holocaustleugnenden Flugblättern auf, was ihm und seine antisemitischen Kameraden prompt mehrere Strafverfahren einbrachte. Im Sommer 2003 zelebrierte er mit Gleichgesinnten und unter Führung von Horst Mahler, der demnächst eine längere Haftstrafe wegen Holocaustleugnung zu verbüßen hat, den „Aufstand für die Wahrheit auf der Wartburg“. Auf mitgebrachten Plakaten waren Losungen wie „Den Holocaust gab es nicht“ oder „Die Wahrheit siegt“ zu lesen.
Trotz oder gerade wegen seines Einsatzes gegen die Stolpersteine muss sich Rainer L. gewiss sein, das er das Erinnern an Martha und Lesser Weinberg, die früher in dem Haus ein Textilgeschäft unterhielten und die von den Nazis in Theresienstadt ermordet wurden, nicht ungeschehen machen kann. Das zwischenzeitliche Verdecken der Steine mit einem Bierkasten oder einem mickrigen Weihnachtsbaum, ruft allenfalls dass städtische Ordnungsamt auf den Plan, das jeglichen Verstoß gegen Auflagen ahnden wird.
Resolution gegen Rechtsextremismus verabschiedet
Die Störung des Gedenkens auf dem Marktplatz von rund 20 sogenannten Autonomen Nationalisten, die dort Rainer L.’s Hetzpamphlet verteilten, das mutmaßlich verbotene Hitlerjugendlied „Ein junges Volk steht auf“ sangen sowie nationalsozialistische Parolen wie „Ruhm und Ehre der Deutschen Nation“ und „Nationaler Sozialismus – Jetzt!“ krakeelten, quittierte am späten Abend die Zossener Stadtverordnetenversammlung mit der einstimmigen Verabschiedung einer Resolution gegen Rechtsextremismus. Dort bekennt man sich zum „historischen Tatsachenwissen um den Holocaust“ sowie „gegen jegliche Verharmlosung rechtsextremer Ideologie“.
Was Letzteres betrifft, hat die Brandenburger Polizei offensichtlich noch einige Defizite aufzuarbeiten. Vom Absingen der HJ-Hymne, mit dem sich die „Freien Kräfte Teltow-Fläming“ derweil auf ihrer Homepage brüsken, hat sie trotz Videodokumentationsausrüstung nichts mitbekommen. Ein Wiederholungsfall – denn bereits am 28. Juli 2007 konnten Nazis das HJ-Lied auf einer Demonstration in Cottbus ungestraft singen.
M. Reisinger
Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).