Al-Quds ist das arabische Wort für Jerusalem. 1979 hat Ruhollah Chomeini, Anführer der islamischen Revolution im Iran den Al-Quds-Tag erfunden. Im Sinne des Erfinders Chomeini soll mit den Aufmärschen – im Iran ist der Tag ein staatlicher Feiertag – Israel als Staat in Frage gestellt werden. Es wird gefordert, dass Jerusalem ausschließlich in palästinensischer Hand ist und Israel nicht mehr weiter existiert. Diese grundsätzlich feindliche Haltung gegenüber dem jüdischen Staat manifestiert sich jedes Jahr wieder in antisemitischen Ausfällen.
Judenhass auf Berliner Straßen
Auch in Berlin sind etwa 1.000 Menschen auf die Straße gegangen, vordergründig, um gegen israelische Politik zu demonstrieren, tatsächlich geht es aber darum, Israel von der Landkarte zu tilgen. Immerhin gab es in diesem Jahr weniger Teilnehmende. 2018 waren es noch 1.600. Und auch in diesem Jahr hatten die Veranstalter*innen 2.000 Menschen angemeldet. Allerdings waren auch die Gegendemos in diesem Jahr etwas stärker besucht als sonst.
Gleich zwei Bündnisse wollten den Hass auf Juden und Jüdinnen nicht unbeantwortet stehen lassen. Gut 1.000 Menschen gingen dafür auf die Straße. Die traurige Wahrheit ist aber auch: Der Berliner Al-Quds-Marsch ist die größte Demonstration für Antisemit*innen in ganz Deutschland.
Um den eigenen Judenhass in „Israelkritik“ umzudeuten, lädt man beim Al-Quds-Marsch regelmäßig Vertreter der jüdischen Neturei-Karta-Sekte ein, eine Gruppe von ultraorthodoxen Jüd*innen, die glauben, dass ein neuer Staat Israel erst nach der Rückkehr des Messias entstehen darf, der existierende Staat Israel also nicht von Gott gewollt sei. Auch in diesem Jahr fanden sich drei ultraorthodoxe Vertreter, um für Fotos zu posieren und in der ersten Reihe des Marsches mitzulaufen.
Initiiert und wohlwollend begleitet wird der Quds-Tag zwar aus dem Iran, in Deutschland wird er allerdings von der sogenannten „Quds AG“ veranstaltet. Deren Sprecher, der Charlottenburger Ikonen-Händler Jürgen Grassmann, bezog sich mehrmals positiv auf die islamistische und antisemitische Terrororganisation Hisbollah, deren Symbole noch bis vor wenigen Jahren beim Quds-Marsch öffentlich gezeigt wurden. Mittlerweile ist das untersagt. Weiterhin ist in Deutschland und der EU aber nur der militärische Arm der Terrororganisation verboten, auch deswegen ist ein Verbot des Aufmarsches schwierig.
Grassmanns Redebeiträge über die Jahre – auf YouTube abrufbar – zeigen das zutiefst antisemitische Weltbild, das dem Marsch zu Grunde liegt: Israel sei dafür verantwortlich, dass der IS junge Mädchen als Sklavinnen verkauft, oder an der Fluchtbewegung aus Syrien nach Europa und überhaupt an Bürgerkriegen. Zusammenfassender O-Ton Grassmanns: „Israel ist der Schuldige an allem Übel dieser Welt.“
Ähnliches war am Samstag auch in den Redebeiträgen zu hören. Das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus hat unter anderem einen Beitrag dokumentiert, in dem ein Redner „Zionisten“ die Schuld am Holocaust gibt.
Antisemitische Querfronten
Der diesjährige Quds-Marsch zeigt aber auch erneut, wie gut Islamismus und andere extrem rechte Ideologien zusammenpassen. Unter die Demonstrierenden mischte sich Uwe Meenen, stellvertretender Landesvorsitzender der NPD in Berlin. Der wegen Volksverhetzung vorbestrafte Meenen hat eine jahrelange „Karriere“ in rechtsextremen Zusammenhängen hinter sich. Unter anderem engagierte er sich zusammen mit dem mittlerweile verurteilten Holocaustleugner Horst Mahler im „Deutschen Kolleg“. Hier wurde zum Beispiel ein „Verbot jüdischer Gemeinden“ gefordert.
Auch vor Ort war der sogenannte „Jugendwiderstand“, eine maoistische Politsekte, die immer wieder durch gewalttätige Aktionen gegen Juden und Jüdinnen, Israelis oder von ihnen als „zionistisch“ wahrgenommene Einzelpersonen auffällt.
Auch wenn der diesjährige Quds-Tag weniger Zulauf hatte als in den Jahren zuvor, einen Grund zur Entwarnung gibt es nicht. Auf Schulhöfen und auf der Straße grassieren klassischer und israelbezogener Antisemitismus. Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Regierung, und Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden, warnen vor dem Tragen der Kippa in der Öffentlichkeit. Und trotz alledem finden sich gerade mal 1.000 Menschen, die in Berlin gegen offen zur Schau getragenen Antisemitismus auf die Straße gehen. 1.000 Menschen gegen Hass, Diskriminierung und Vorurteile. In einer Stadt mit mehr als 3,5 Millionen Einwohner*innen ist das zu wenig.