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Alexander Dugin in Wien Wer ist der rechtsradikale Guru?

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Alexander Dugin bei einer prorussischen Demonstration zum Donbass (Quelle: dpa)

Von Christoph M. Kluge

Das Wiener Event soll laut Veranstalter einen öffentlichen Vortrag, eine Pressekonferenz und eine Diskussion „im kleineren Rahmen“ umfassen. Organisiert wird es vom FPÖ-nahen Blogger Thomas Bachheimer. Der gelernte Bankkaufmann schürt auf seiner Website bachheimer.com Ängste vor einer neuen Finanzkrise und Hass auf Muslime. Zusätzliche Brisanz erhält die Ankündigung durch ihren Termin. Denn am 26. Januar findet in der Wiener Hofburg der umstrittene „Akademikerball“ der FPÖ statt. Bei dieser Tanzveranstaltung treffen alljährlich Burschenschafter aus schlagenden Verbindungen mit Rechtsextremen aus ganz Europa zusammen. Dagegen demonstrieren linke und antirassistische Gruppen. In diesem Jahr erwartet die Polizei massive Proteste, die sich indirekt auch gegen die neue türkis-blaue Regierung richten könnten. Diese spannungsreiche Situation wäre die perfekte Bühne für einen Provokateur wie Alexander Dugin.

Schwarze Magie in Breschnews Reich

Die späte Sowjetunion hatte einige seltsame Seiten. Dazu gehörten verschiedene Subkulturen, die sich im Geheimen austauschten. Der Fantasy-Autor Juri Mamleew beispielsweise hatte in Moskau einen konspirativen Kreis von rechtsradikalen Esoterikern um sich versammelt. 1975 zwangen die staatlichen Behörden Mamleew, ins Exil zu gehen. Doch dessen Anhänger trafen weiterhin regelmäßig in seiner Wohnung zusammen. Dort diskutierten sie über Themen wie schwarze Magie oder Okkultismus, und tranken dabei heftig. Die Gruppe nannte sich selbst „Schwarzer Orden der SS“. Einer ihrer Angehörigen war Alexander Dugin.

Vermutlich war Dugins Vater Offizier beim Militärgeheimdienst GRU, Groß- und Urgroßvater waren ebenfalls Offiziere. Er selbst hatte die höhere Schule mit mittelmäßigen Noten abgeschlossen und eine Ausbildung am Moskauer Staatlichen Luftfahrtinstitut abgebrochen. Einer Legende zufolge wurde er wegen antikommunistischer Aktivitäten exmatrikuliert. Doch diese Geschichte scheint er selbst erfunden zu haben. Auf jeden Fall übersetzte Dugin rechtsesoterische Bücher wie „Heidnischer Imperialismus“ von Julius Evola ins Russische und machte sich so einen Namen in der Szene.

Ende der 1980er wurden die Zensurbestimmungen im Rahmen der Perestroika-Politik gelockert. Damit schlug auch die Stunde der selbsternannten Welterklärer und ihrer schrägen Ideen. In verschiedensten Zirkeln wurde gestritten, welche Weltanschauung den Kommunismus beerben könnte. Auch Rechtsradikale traten nun offen auf und niemand hinderte sie daran. 1989 unternahm Alexander Dugin eine Reise durch Westeuropa. Dort traf er mit führenden Vertretern der Neuen Rechten zusammen wie Alain de Benoist, Jean-Francois Thiriart und Claudio Mutti.

Jahre des Umbruchs

Am 19. August 1991 rollten Panzer durch Moskaus Straßen. Mit einem Putsch wollte eine Handvoll alter Funktionäre die Reformen der Gorbatschow-Ära beenden und die frühere Ordnung wiederherstellen. Doch der Plan ging gründlich schief. Die Putschisten beschleunigten den Untergang der UdSSR sogar. Das plötzliche Ende wurde allerdings von vielen Vertretern der Elite nicht als Zusammenbruch eines maroden Systems verstanden, sondern als Werk finsterer Mächte. Düstere Verschwörungstheorien hatten Hochkonjunktur.

Dugin schrieb ab 1991 als Redakteur für eine kleine Zeitschrift namens „Den“ (dt. Der Tag), die sich später in „Sawtra“ (Der Morgen) umbenannte und zu einer der einflussreichsten Publikationen der russischen Rechten aufstieg. Wahrscheinlich war es deren Chefredakteur Alexander Prochanow, ein ehemaliger Kriegsreporter, der Dugin in dieser Zeit mit führenden Vertretern der Kommunistischen Partei zusammenbrachte. Ehemalige Dissidenten und degradierte Apparatschiks entdeckten Gemeinsamkeiten: Gleichermaßen lehnten sie den Zerfall des sowjetischen Imperiums ab. Und sie verachteten die Westorientierung Russlands unter Präsident Jelzin.

Im August 1992 empfing Dugin den belgischen Rechtsintellektuellen Jean-François Thiriart in Moskau und stellte ihn seinen neuen Freunden Gennadi Sjuganow und Jegor Ligatschow von der Kommunistischen Partei vor. In seinem eigenen Verlag brachte Dugin derweil neben diversen Büchern eine Zeitschrift namens „Elementy“ heraus. Dort erschienen Artikel von russischen Nationalisten ebenso wie Texte westlicher Rechtsradikaler. Bereits der Name deutet auf das Vorbild hin: Dugin arbeitete in dieser Zeit eng mit dem neurechten Magazin „Éléments“ des Franzosen Alain der Benoist zusammen.

Gemeinsam mit dem Schriftsteller Eduard Limonow gründete Dugin die „Nationalbolschewistische Partei“ (NBP). Diese Gruppierung unternahm den Versuch, den Nationalsozialismus mit dem Kommunismus zu vereinen, orientierte sich aber auch an der deutschen „Konservativen Revolution“ der 1920er Jahre.  Die NBP war pure Provokation, ihre meist sehr jungen Anhänger gehörten der großstädtischen Subkultur an. Für Dugin blieb der Nationalbolschewismus allerdings nur eine vorübergehende Phase, denn er wollte in das politische Establishment aufsteigen.

Der „Neoeurasismus“: ein krudes Theoriegebäude

Deshalb bezog er sich schon bald nur noch selten positiv auf den Faschismus. Stattdessen propagierte er einen eher kryptischen „Neoeurasismus“. Diese antiwestliche Weltanschauung bezieht sich dem Namen nach auf eine Gruppe russischer Exilanten der 1920er Jahre. Der historische Eurasismus der Zwischenkriegszeit lehnte die Sowjetunion ab – und wollte sie durch ein anderes autoritär geführtes Imperium ersetzen. Vordenker wie Pjotr Sawizki oder Nikolai Trubezkoy träumten von einem russisch dominierten Großreich, das sich von Westeuropa abgrenzen und einen Sonderweg einschlagen sollte. Die Idee blieb ein Hirngespinst.

Dugin griff sie aber auf und ergänzte sie um Mystik-Elemente. In seiner „neoeurasischen“ Weltsicht stehen sich zwei unversöhnliche Pole gegenüber: Die „Landmächte“ seien der Tradition und dem Boden verpflichtet, behauptet Dugin. Zu ihnen gehörten die „Eurasier“, deren Wurzeln im mythischen Land Hyperborea lägen. Historisch seien sie von kriegerischen Kulturen wie Rom oder Sparta repräsentiert worden, heute stünde Russland an ihrer Spitze. Als Feinde der Eurasier sieht Dugin die „Atlantiker“, umher ziehende „Seemächte“ mit Ursprung in Atlantis. Phönizien und Karthago seien atlantische Mächte des Altertums gewesen, heute würden sie von den USA angeführt.

Die „Atlantiker“ verbreiten dieser irren Lehre zufolge – kurz gefasst – Unordnung und Chaos in der Welt, während die „Eurasier“ für Stabilität und Eigenständigkeit stehen. Es wird aber noch schräger: Seit Jahrtausenden, behauptet Dugin, kämpfen okkulte Verschwörerorden auf beiden Seiten dieses Konflikts. Ausgerechnet in unserer Zeit steht nun der apokalyptische Endkampf zwischen den Mächten an. Beide Blöcke mobilisieren alle verfügbaren Kräfte. Russland muss sich erheben, eine nationale Wiedergeburt einleiten, die „Atlantiker“ vernichten und einen „Neuen Sozialismus“ auf der ganzen Welt errichten. Soweit die Theorie.

Dugins „Neoeurasismus“ ist vordergründig ein Sammelsurium schriller Ideen. Im Endeffekt handelt es sich jedoch um ein sehr einfaches Schwarz-Weiß-Schema – ein verschwörungsideologisches Weltbild, in dem das Gute und das Böse miteinander ringen. Alexander Dugin hat den Anspruch, eine Meta-Ideologie zu schaffen, in der sich alle möglichen politischen Strömungen wiederfinden können. Sie müssen nur vom Grundsatz her antidemokratisch und autoritär ausgerichtet sein. Sein Denken ist von den westlichen Denkern geprägt, deren Bücher Dugin schon während seiner Zeit in der sowjetischen Subkultur gelesen hat: Esoteriker wie Julius Evola, Jean Parvulesco, René Guénon oder Aleister Crowley, aber auch Karl Haushofer, Carl Schmitt oder Friedrich Nietzsche.

Friends in high places

Der gesellschaftliche Aufstieg gelang ihm. 1997 erschien die erste Auflage von Dugins Buch „Grundlagen der Geopolitik“. Darin behauptet der Autor, Russland sei dazu bestimmt, die Menschheit vom „Globalismus“ zu erlösen. Wissenschaftlich betreut wurde diese Arbeit von Generalleutnant Nikolaj Klotkotow, dem damaligen Inhaber des Lehrstuhls für Strategie an der Militärakademie des Generalstabs. Dort wurde es daraufhin als Lehrbuch in der Offiziersausbildung verwendet.

Im Jahr 2000 kam Putin an die Macht. In Tschetschenien wütete der Krieg. Unterdessen promovierte Alexander Dugin an einer Universität im Nordkaukasus, weit entfernt von seinem Wohnort Moskau. Über die dafür notwendigen Hochschulabschlüsse verfügte der Autodidakt zwar nicht. Doch Mitarbeiter des Moskauer Philosophieprofessoren Alexander Panarin überwachten das Verfahren, auch bei der Habilitation vier Jahre später. Die Regeln wurden offenbar etwas gebogen. Der ehemals liberale Professor Panarin hatte sich in den Wirren der Jelzin-Ära der rechten Szene zugewandt. In seinen letzten Lebensjahren war er ein einflussreicher Förderer Dugins.

2008 erhielt Dugin einen Lehrstuhl an der traditionsreichen Lomonossow-Universität in Moskau. Den musste er 2014 allerdings wieder räumen. In einem Interview zum Konflikt in der Ukraine hatte er gefordert, man solle Unterstützer der Kiewer Regierung: „Töten, töten, töten!“ Er fügte hinzu: „Das ist meine Meinung als Professor.“ In einer Petition forderten daraufhin über 10.000 Menschen seine Entlassung und er verlor den Posten. Dennoch ist Dugin weiterhin als Figur des öffentlichen Lebens präsent. Er tritt im Fernsehen und im Internet auf, veröffentlicht Bücher und spricht auf Konferenzen.

„In Trump We Trust“

Seit Donald Trump der US-Politik seinen Stempel aufdrückt, ist Dugin vom pauschalen Amerikahass abgerückt. Bereits im Wahlkampf 2016 brachte er in einem YouTube-Video mit dem Titel „In Trump We Trust“ seine Unterstützung für den Republikaner zum Ausdruck. Trump stehe für das „wahre Amerika“, behauptet er nun. Das Feindbild sind abstrakte „globale Eliten“, nicht mehr „Seemächte“. Die Grenze zwischen Gut und Böse verläuft für Dugin jetzt innerhalb des Westens. Auch die europäische Politik kommentiert er in diesem Sinne: Die rechtspopulistischen Bewegungen sieht er als Befreiung von „der globalistischen Sekte“.

In den mystischen Ideen Dugins mischen sich Größenwahn und Weltmachtträumereien mit bizarren Gewaltfantasien. Hinzu kommen geopolitische Vorstellungen von konservativen Denkern wie Karl Haushofer oder Carl Schmitt. Diese Zutaten verrührt der „Neoeurasier“ zu einem esoterischen Brei. Seine Schlussfolgerungen sind haarsträubend, mit Prophezeiungen liegt er immer wieder falsch. Aber die Anhänger des Politgurus stört das nicht, denn sie erwarten von ihm keine rationale Erklärung des Weltgeschehens, sondern lediglich eine bedeutungsschwangere Legitimation für ihre eigenen autoritären Ambitionen.

Weiterführende Links:

Andreas Umland: Post-Soviet „Uncivil Society“ and the Rise of Alexander Dugin.

Leonid Luks: Eurasien aus neototalitärer Sicht

Anton Shekhovtsov: Putin’s Brain?

Samuel Salzborn: Messianischer Antiuniversalismus

 

Christoph M. Kluge ist Literaturwissenschaftler, Historiker sowie freier Journalist in Berlin und beobachtet die neurechte Szene. Mehr von Christoph auf seiner Website Leverage.  

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