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Alle 26 Minuten eine rechtsextreme Straftat – alle acht Stunden ein neonazistischer Angriff

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Letzte Woche ist der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2008 erschienen. 155 Millionen Euro hat der Verfassungsschutz aus dem Bundeshaushalt bekommen. Viel Geld, um das zu veröffentlichen, was ohnehin die meisten bereits wissen: Rechte Gewalt gehört auf einem hohen Niveau zur Normalität in Deutschland und die Öffentlichkeit nimmt achselzuckend zur Kenntnis, dass jedes Jahr die Zahl der rechtsextremen Straftaten steigt.

Staatliches Gewaltmonopol ausgehebelt?

Leider trägt der Bericht zu dieser Verharmlosung des Rechtsextremismus durch seine Reduzierung auf Zahlen, Organisationen und Publikationen von verfassungsfeindlichen Organisationen bei. Bei einer systematischen Betrachtung müsste die Bundesregierung zu dem Schluss kommen, dass die rechtsextreme Szene in vielen Gegenden Deutschlands das staatliche Gewaltmonopol erfolgreich aushebelt. Ganze Regionen werden von der rechtsextremen Szene eingeschüchtert und terrorisiert, sie dominieren den öffentlichen Raum und entwickeln ihn zu No-go-Areas für alle Menschen, die nicht ins rechtsextreme Weltbild passen.

Zudem nehmen Rechtsextreme immer häufiger entscheidenden Einfluss auf die Kommunalpolitik, nicht nur in Ost-, sondern zunehmend auch in Westdeutschland. Für Programme zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie wendet die Bundesregierung über das Familienministerium übrigens jährlich nur 24 Millionen Euro auf.

Zahlen lassen im Unklaren, was hinter der Gewalt steckt

Detailliert listet der neue VS-Bericht die zentralen Erkenntnisse auf: Die Straftaten der rechten Szene sind 2008 wieder deutlich gestiegen – um 15,8 Prozent auf insgesamt 19.894 Delikte. Auch für die Straftaten mit linksextremem Hintergrund verzeichnet der Bericht ein Plus von 13 Prozent mit 3.124 registrierten Delikten. Neben dem großen quantitativen Unterschied ist jedoch die Tendenz interessant, dass die rechte Gewalt um 6,3 Prozent zunimmt, (1.045 Gewalttaten), während die linken Gewaltstraftaten um 15,8 Prozent (701 Gewalttaten) abnehmen.

Letztlich ist jedoch auch dies irrelevant, da nicht nur die tatsächliche Gewalt entscheidend ist, sondern die Bereitschaft, jederzeit Gewalt anzuwenden. Und die rechtsextreme Szene setzt diese Bereitschaft zur Gewaltanwendung systematisch ein. Mit diesem Mittel gelingt es ihr, in vielen Orten und kleineren Städten eine rechtsextreme Hegemonie im Alltag und im öffentlichen Raum durchzusetzen. Dieser qualitative Unterschied und sein großer alltäglicher Einfluss auf das Leben sehr vieler Menschen unterscheiden den Rechtsextremismus von den anderen im Verfassungsschutzbericht beschriebenen verfassungsfeindlichen Phänomenen und machen ihn zur zentralen Bedrohung der inneren Sicherheit in Deutschland.

Rechtsextreme: Mehr als nur bereit zur Gewalt

2008 hat die rechtsextreme Szene diese Gewaltbereitschaft auch wieder durch Morde untermauert. Erstmals seit vielen Jahren erwähnt der Verfassungsschutz im Bericht wieder zwei Morde. Die Amadeu Antonio Stiftung hat drei weitere Morde gezählt, die im Verfassungsschutzbericht bisher verschwiegen werden. Neben dem arbeitslosen Bernd K. in Templin und dem Kunststudenten Rick L. in Magdeburg wurde ebenfalls im August der Jugendliche Marcel W. in Bernburg von einem einschlägig vorbestraften Neonazi getötet. Auf offener Straße in Berlin erstochen wurde der Zigarettenverkäufer Chan Dong N., nachdem sich der Täter zuvor mehrfach rassistisch über »diese Fidschis« geäußert hatte. In Dessau wurde der Obdachlose Hans-Joachim S. von zwei Rechtsextremisten zu Tode geprügelt.

Verbote lösen nicht das Ideologie- und Gewalt-Problem

Dass ein NPD-Verbot keine Lösung dieser Gewalttaten ist, weiß zum Glück auch der Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. Letztlich ist der Versuch, die NPD zu verbieten, nur eine Beruhigungsstrategie, um politisches Handeln zu demonstrieren. Das Verbot bleibt ein rein symbolisches Mittel, das gegen die aggressiven Kameradschaften, nationalen Aktionsgruppen oder autonomen Nationalisten nichts ausrichten wird.

Harmlose Zahlen? Nicht in betroffenen Regionen

Rechnet man die Statistiken auf Stunden herunter, so heben alle 26 Minuten Neonazis in Deutschland den Arm zum Hitlergruß, beschimpfen Menschen rassistisch und verteilen rechtsextreme Musik. Alle acht Stunden findet ein rechtsextremer Angriff statt bzw. wird eine Gewaltstraftat verübt. Doch Statistiken allein können nicht alles abbilden. Sie suggerieren auf den ersten Blick eine relativ gleichmäßig über das Land verteilte Zahl an Straf- und Gewalttaten, die, heruntergerechnet auf einen einzelnen Landkreis oder eine Region, noch relativ »harmlos« erscheinen mag. Die Straf- und Gewalttaten konzentrieren sich jedoch vor allem auf einige ländliche Regionen und kleinere Städte, die der Gewalt kaum noch etwas entgegensetzen können. Besonders stark betroffen davon sind Sachsen-Anhalt, Sachsen, Brandenburg und Thüringen.

Nur aktiver Einsatz hilft

Wenn wir uns fragen, was wir dagegen tun können, bleibt ein Blick in die Mitte der Gesellschaft, wo die rechtsextremen und menschenfeindlichen Vorurteile und Einstellungen eingeübt und reproduziert werden, nicht aus. Auch ist deutlich, dass wir als Bürgerinnen und Bürger nicht alleine auf den Staat vertrauen können, sondern selbst aktiv werden müssen, in vielen kleinen Initiativen vor Ort, im Arbeitsleben oder auch im Rahmen der demokratischen Parteien. Dies gilt selbstverständlich nicht nur für den Rechtsextremismus, sondern auch für alle anderen antidemokratischen Einstellungen.

Dieser Artikel ist mit freundlicher Genehmigung des Autors vom Tagebuch der Aktion „Die Gesellschafter“ übernommen.

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