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Alle Jahre wieder Verschwörungserzählungen zum angeblichen „War on Christmas“

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Beste Antwort zum "Herbststern" von Aldi Süd: "Du darst ihn auch gerne Horst nennen, wenn du dich damit besser fühlst."

Der Advent als Zeit der Besinnung in Erwartung der Ankunft Jesu Christi? Bei rechtsradikalen Akteur*innen, die sich doch eigentlich gern als angebliche Verteidiger*innen des „christlichen Abendlandes“ ausgeben, ist die Adventszeit alle Jahre wieder die Zeit muslimfeindlicher Verschwörungserzählungen.

In den letzten Jahren drehte sich die Hysterie in den Internetkommentarspalten um die angebliche Umbenennung eines St. Martinsfestes eines Kindergartens in „Sonne-Mond-und-Sterne-Fest“, um die Bezeichnung des Elmshorner „Lichtermarkts“, oder um alternative Namen für Weihnachtsfiguren aus Schokolade. In allen Fällen kommt von Online-Kommentierenden der Vorwurf, christliche Traditionen werden abgeschafft, es gebe einen „War on Christmas“ (Krieg gegen Weihnachten). Ein solcher Krieg werde angeblich durch eine vermeintlichen „Islamisierung“ des Abendlandes vorangetrieben und die Umbenennung, Abschaffung oder Ersetzung gängiger Traditionen stellten Unterwerfungsgesten gegenüber dieser „Islamisierung“ dar. Allerdings handelt es sich bei der „Islamisierung“ um eine anti-muslimische Verschwörungserzählung, die hauptsächlich genutzt wird, um Angst vor Muslim*innen in Deutschland zu schüren.

War on Christmas – in den USA seit dem 17. Jahrhundert

Die Idee eines „War on Christmas“ lässt sich in den USA weit zurückverfolgen. Im 17. Jahrhundert gab es tatsächlich Versuche, Weihnachtsfeierlichkeiten zu unterbinden – angetrieben wurde dieses Vorhaben allerdings durch die christlichen Puritaner. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verbreitete Automagnat Henry Ford antisemitische Publikationen, in denen er behauptete, die Weihnachtstradition werde durch Jüd*innen eingeschränkt. Doch die moderne Debatte um einen angeblichen „War on Christmas“ wurde maßgeblich durch Fox News Moderator Bill O’Reilly vorangetrieben. Dieser behauptete seit 2004, dass Verfechter des säkularen Progressivismus alles Christliche aus den Weihnachtstraditionen streichen wollen. Laut Panikmachenden wie O’Reilly sei es nicht mehr erlaubt, „Merry Christmas“ (Frohe Weihnachten) zu sagen und es solle durch das neutralere „Happy Holidays“ (Fröhliche Festtage) ersetzt werden. Dies wurde letzten Endes dann auch von US-Präsident Donald Trump während seines Wahlkampfes 2015 aufgegriffen.

Obgleich also sowohl in den USA und Deutschland von Angriffen auf den christlichen Charakter von winterlichen Traditionen die Rede ist, beschuldigen die US-amerikanischen Angstmachenden „Political Correctness“, wohingegen sich die deutsche Skandalisierung mittlerweile hauptsächlich um die vermeintliche „Islamisierung“ dreht. Als Standhalter für die als zu schützen angesehenen Werte und Kulturgüter werden dabei hauptsächlich kommerzielle Produkte genutzt, wie eben Dekorationen, Süßigkeiten oder Weihnachtsmärkte.

Horst, der Herbststern

Dieses Jahr ging der „War on Christmas“ früh los, nämlich schon im Oktober. Da stellte „Aldi Nord“ die als roten Weihnachtssterne beliebten Pflanzen einfach mit weißen Blättern als „Herbststerne“ ins Regal! Schnappatmung bei AfD und Co.: Auf ihrer Facebook-Seite schreibt die AfD: „Die Islamisierung findet nicht statt… Anstatt Weihnachtsstern jetzt Herbststern bei Aldi“. Im Artikel der rechtsalternativen Website Journalistenwatch.com hieß es gar, der Weihnachtsstern sei einer „islamkonformen Säuberung“ zum Opfer gefallen.

Da sind wir auch schon gespannt!

Inzwischen sind die Posts gelöscht: Der „Herbststern“ ist schlicht eine Neuzüchtung mit hellen Blättern, um die Pflanzen bereits im Herbst verkaufen zu können. Rote Weihnachtssterne gibt es trotzdem im Sortiment (vgl. WuV). Top-Antwort zum Thema gab der Social Media-Account von „Aldi Süd“: „Bei dem Winterstern handelt es sich nicht um den klassischen roten Weihnachtsstern (den wir übrigens auch noch als Busch anbieten werden), sondern um eine Abwandlung. Um die Verwechslung damit zu vermeiden, haben wir uns für den Namen „Winterstern“ entschieden. Du darfst ihn aber auch gerne Horst nennen, wenn du dich damit besser fühlst.“ (vgl. Mimikama).

Beste Antwort zum „Herbststern“ von Aldi Süd: „Du darst ihn auch gerne Horst nennen, wenn du dich damit besser fühlst.“

Brandner und das Geschenkelager

So wurde eine vermeintliche unterwerfende Umbenennung von Weihnachtssüßigkeiten auch von Stephan Brandner, AfD-Politiker und damaliger Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundestages, Ende Oktober angeprangert. Als Tweet postete Brandner ein Foto von der Rückseite eines Kinder-Schokoladenadventskalenders in Form einer Weihnachtselfenwerkstatt, auf der auch ein Schild mit der Aufschrift „Geschenke-Lager“ abgebildet ist. Dazu schrieb der AfD-Politiker: „Ganz früher hieß das mal #Adventskalender, oder?“.

Stephan Brandner sorgt sich ums christliche Abendland…

Im Kommentarbereiche wiesen sämtliche Twitter-Nutzende umgehend darauf hin, dass dieses Kinderprodukt durchaus den Titel „Adventskalender“ auf der Vorderseite trägt – Brandners Bild hatte schlicht die Rückseite des Kartons zeigte.

… dabei hätte schon schlichtes Umdrehen geholfen und der ersehnte Begriff „Adventskalender“ wäre wieder da.

Auf diese Richtigstellung antwortete Brandner mit einem Tweet, in dem er behauptete, er habe mit seinem ersten Tweet nur provozieren wollen und es sei alles nur eine „Wette“ gewesen, die er gewonnen habe. Interessanterweise sind die inzwischen rund 900 Kommentare, die der Tweet erhielt, durchgängig Kritik an Brandner und der AfD. Hoffentlich hat er alle gelesen.

Das kennt man aus der Grundschule: Statt einen Fehler einzugestehen, eine Wette konstruieren.

Rassismus statt Nächstenliebe

Rechts-alternative Blogs griffen dieses Jahr außerdem einen Fall zum St. Martinsfest im nordrhein-westfälischem Rheidt auf. Laut des Bonner General-Anzeigers äußerte der dortige Sankt -Martin-Darsteller bei der Ausgabe der Weckmänner gegenüber einer Mutter mit Kopftuch in abwertenden Absicht, dass dies ein christlicher St.-Martinsumzug sei. Die Mutter und ihre Kinder fühlten sich unerwünscht und verließen das Fest, wie ihre Schwägerin in einem Facebook-Post beschrieb: „„Der ‚gute Sankt Martin’ sieht meine kopftuchtragende Schwägerin an, die der deutschen Sprache mächtig ist und auch alles versteht, was der nette Mann von sich gibt, und sagt zu ihr mit einer Aggressivität und hasserfüllter Stimme, dass sie aber schon wisse, dass dies ein christliches Fest sei.“ Und weiter; „Meine drei kleinen Nichten waren sehr erschrocken und wollten nicht mehr dort bleiben.“

In den darauffolgenden Tagen sei es dann zu Kritik an der abwertenden Äußerung des Sankt-Martin-Darstellers seitens der Schulleiterin, des Jugendhilfeausschusses und des Kinderschutzbunds gekommen. Der Rheidter Marktring, der den St. Martins-Umzug organisiert, entschuldigte sich bei der Betroffenen und gab an, den Darsteller in Zukunft für diese Rolle anzuheuern, in der er Nächstenliebe verkörpern sollte, aber Ausgrenzung verbreitete.

Diese Geschichte drehen die rechts-alternativen Blätter Junge Freiheit und Compact dann so, als sei der Sankt-Martin-Darsteller seines Amtes enthoben worden, allein weil er die Tatsache lediglich geäußert habe, dass Sankt Martin ein christliches Fest sei. Dadurch schaffen die Artikel ein Framing, in dem die muslimische Mutter als unangemessen empört und die abweisende Äußerung des Darstellers als harmloser Fakt dargestellt werden. Somit bedienen die Artikel ebenfalls die verschwörungsideologische Erzählung einer schleichenden „Islamisierung“, die angeblich die deutsch-christliche Kultur gefährde.

Und wo sind die Bäume?

Auch die Überschrift eines Artikels der Augsburger Allgemeine spielt einer „War on Christmas“-Empörung in die Hände und titelt: „Uniklinik darf Christbaum in Empfangshalle nicht mehr aufstellen“. Und vielen Leser*innen bleibt auch nicht viel mehr als die Überschrift, da sich die Erklärung im Artikel hinter einer Paywall befindet. Auf Facebook erboste diese Überschrift tatsächlich viele User*innen, die sich in ihrer Sorge über einen „War on Christmas“ bestätigt sehen. In den Kommentarspalten tummeln sich u.a. Posts mit rassistischen Inhalten („Unser Land. Unsere Kultur. Unsere Regeln. Wem das nicht passt, dem wünschen wir eine gute Heimreise!“), Inhalten, die die Erzählung der Unterwerfung vor einer vermeintlichen „Islamisierung“ bedienen („Wer vor anderen kriecht muss sich nicht wundern, wenn er wie ein Wurm behandelt wird.“) oder verschwörungsideologische Inhalte, die suggerieren, dass verborgene Mächte den „War on Christmas“ steuern („Weil es eine regierende Kaste gibt, die einen Auftrag hat und diesen versucht sie mit aller Macht durchzusetzen.“). Doch selbst im noch sichtbaren Teil des Artikels steht die einfache Erklärung für das Fehlen des Christbaumes in der Empfangshalle: die Feuerwehr habe dies untersagt. Laut Volksverpetzer haben sich Anfang des Jahres die Vorgaben für die Uniklinik geändert und der Baum sei nicht abgeschafft, sondern lediglich umgesetzt worden.

In Berlin-Pankow sorgt sich ein AfD-naher Stadtverordneter, Thorsten Thiele, um Weihnachtsbäume im Bezirk: Verzichten etwa öffentliche Einrichtungen auf Weihnachtsbäume? Und zwar, wie er vermutet, „aus Rücksicht vor muslimischen Neubürgern“? Die Antwort des Bezirks fällt schlicht aus: Nein. Es ist einfach kein Fall des Weihnachtsbaumverzichts bekannt. Aus keinem Grund (vgl. Morgenpost).

Wenn christliche Traditionen gepflegt werden, ist es aber auch nicht immer Recht…

Ebenfalls Ende Oktober 2019 kam es zu einer rassistischen Online-Hetzwelle gegen die Wahl des Nürnberger Christkindls. Als bekanntgegeben wurde, dass in diesem Jahr das „Christkindl“ von einer 17-jährigen Nürnbergerin mit indischen Wurzeln dargestellt werde, reagierten viele Facebook-User*innen mit rassistischen Bemerkungen. Laut Merkur kamen abfällige Kommentare selbst von den Profilen der AfD Marl in Nordrhein-Westfalen („Auch wenn das ‚Christkind‘ auf den Bildern eigentlich immer nur goldenes Haar besitzt, schicken wir einen herzlichen Glückwunsch von der #AFDMarl nach Nürnberg“), des AfD-Bundestagsabgeordnetem Reinhard Rupsch („Ein ‚Christkindl‘ dem man die fremde Herkunft an der Nasenspitze ansehen kann, ist ein Schlag ins Gesicht aller Freunde von Tradition und gewachsener Kultur“) und des AfD-Kreisverbands München-Land München („Nürnberg hat ein neues Christkind. Eines Tages wird es uns wie den Indianern gehen“). Alle drei Kommentare seien nach heftiger Kritik gelöscht worden.

Benigna Munsi, Darstellerin des Nürnberger Christkindls, reagiert gelassen: „Es tut mir leid für die Menschen, die mit so einer Sicht durch die Welt gehen und sich nicht auf das fokussieren können, was wirklich wichtig ist. Gerade in der Weihnachtszeit“. Gleichzeitig habe ihr geholfen, dass sie online nicht nur viel beschimpft wurde, sondern auch viel unterstützt: „Ich habe jetzt gelernt, was ein Candy-, ein Love-, ein Honeystorm ist“ (vgl. Watson).

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Ja, man wäre geneigt, den Rechtsradikalen weniger Empörung und mehr Geist der Weihnacht zu wünschen, doch dann sieht man, was diese selbst aus den weltlichen Bräuchen des Weihnachtsfestes machen: Der AfD-Stadtverband Frankfurt/Oder verschenkt auf seiner Weihnachtsfeier zum Fest der Liebe an den AfD-Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré und an AfD-Landeschef Andreas Kalbitz: Spirituosen in Form eines Maschinengewehrs. (Ein Foto vom friedlichen Präsent zeigt die MOZ hier.). Steffen Kotré freute sich über die “Kalaschnikow „made in Ukraine“, und sah sie als Hinweis, dass die Bundeswehr je leider kaputtgespart und nicht mehr wehrfähig sei. Noch skurriler die Begründung des Geschenk-Organisators und AfD-Stadtverbands-Vorsitzenden, Wilko Möller: „Die Flasche in Form der AK 47 war für Andreas Kalbitz gedacht. Er kürzt sich ja selbst mit AK ab und ist jetzt 47 Jahre alt geworden. Auch der Wodka hat 47 Prozent Alkohol. Da hat das gut gepasst.“ Wer solche Freunde hat, hat vermutlich nicht so viel andere Freunde.

 

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