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Alltagsrassismus Göttingen: Fortgesetzte Hetze gegen Nigerianer

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Afro-Shop mir brandspuren von außen; Fotos: hk/Jr

Auch nach dem Brand Ende September 2008 hat die rassistische Hetze gegen Joseph M. in Göttingen kein Ende gefunden. In der Nacht nach einer Solidaritäts-Demonstration wurde an die Wand von Joseph Ms Wohnhaus „Mietbetrüger“ gesprüht. Ein paar Tage später drangen zwei Skinheads in den Flur des Hauses seiner Wohnung ein. Nachbarn riefen die Polizei, als sie eintraf waren die Skinheads schon geflohen. Joseph Ms ehemaliger Vermieter, der die rassistische Kampagne initiiert hat, tritt auch nach dem Brand weiterhin mit Personen auf, die vom Erscheinungsbild nach eindeutig der Neonaziszene zuzuordnen sind. Diese Vorfälle machen deutlich, dass es nicht um einen Mietstreit geht, sondern sich die rassistische Kampagne persönlich gegen Joseph M. und die gesamte afrikanische Community Göttingens richtet.

Angst vor Anschlägen auch auf das Wohnhaus

Nach dem Verlust seines Geschäftes muss sich Joseph M. wohl auch eine neue Privatwohnung suchen. Bewohner des Wohnhauses haben Angst vor Anschlägen von Neonazis auf ihr Haus. Daher bat die Vermieterin Joseph M., sich möglichst schnell sich eine neue Wohnung zu suchen. Um Joseph M. zu unterstützen und der rassistischen Kampagne entgegenzutreten hat sich in Göttingen ein größeres Bündnis zusammengeschlossen. Vier Tage nach dem Brand wurde eine Demonstration gegen Rassismus organisiert, an der 250 Personen teilnahmen. Weitere Aktionen gegen den sich in Göttingen offenbarenden Rassismus und als Unterstützung für Joseph M. und die in der Universitätsstadt lebenden afrikanische Community sind in Planung. Für den Aufbau eines neuen Afro-Shops, Anwaltskosten, Umzugskosten usw. brauchte der Unterstützerkreis jedoch noch viel Geld. Deshalb wurde vom Göttinger Pfarramt ein Spendenkonto eingerichtet:

Graffiti am haus der Privatwohnung von Joseph M. "Mietbetrüger"

Graffiti am Haus der Privatwohnung von Joseph M. „Mietbetrüger“

Wie alles begann

Für Joseph M., den Inhaber des Afro-Shops in Göttingen, brach die  Welt zusammen, als er am 27. September 2008, einem Samstag, seinen Laden aufschließen wollte – er fand ihn ausgebrannt vor. Weder Polizei noch Vermieter hatten es für nötig gehalten Joseph M. zu benachrichtigt, dass in der Nacht zum Samstag seinen Laden brannte.
Joseph M. hatte schon seit längerer Zeit Angst, den seiner Vermieter unternahm alles um ihn mit rassistischer Hetze und vor seinem Laden patrouillierenden Neonazis als Vermieter loszuwerden.

So richtig begonnen hat das Problem für Joseph M. als sein Vermieter, der auch Herausgeber eines Göttinger Stadtmagazins ist, ihm die Miete von heute auf morgen ohne Angabe von Gründen um 40 Prozent erhöht. Joseph M. ist nicht bereit eine solch drastische Mieterhöhung widerstandslos hinzunehmen und bietet stattdessen an, bis zur notfalls gerichtlichen Klärung weiterhin den alten Mietpreis zu zahlen. Darauf lässt sich der Vermieter nicht ein und verweigert von nun an die Annahme jeglicher Zahlungen. Nachdem er drei Monate keine Miete mehr annimmt, kündigt der Vermieter Joseph M. fristlos, wegen angeblicher Mietschulden. Ferner hetzt er seinem Mieter fast sämtliche Göttinger Behörden auf den Hals mit haltlosen Verdächtigungen: Dem Zoll erzählt er, Joseph M. beschäftige Schwarzarbeiter, dem Veterinäramt, Joseph M. verkaufe abgelaufene Lebensmittel, dem Ordnungsamt, Joseph betreibe Schwarzgastronomie – alle Vorwürfe stellen sich nach Überprüfung durch die jeweiligen Behörden als haltlos heraus.

NPD als Anwalt des Vermieters

Nachdem dies nicht den gewünschten Erfolg brachte, wendet sich der Vermieter an die örtliche NPD. In einem Brief an die rechtsextreme Partei, lässt er seinem rassistischen Weltbild freien Lauf, die Kunden des Afro-Shops bezeichnet er in bester NPD-Manier als „Wilde“. Auf der NPD-Homepage erscheint der von der NPD kommentierte Leserbrief unter der Überschrift: „Göttinger Vermieter hat Negerproblem“. Doch beim Briefe schreiben an die Rechtsextremisten lässt er es nicht bewenden. Fortan trifft er sich laut Zeugenaussagen in seinem Büro, direkt neben dem Afro-Shops mit Neonazis, darunter auch mit überregional bekannte Rechtsextremisten. Diese scheuen sich auch nicht in Joseph M.s Geschäft zu kommen oder draußen vorbei zu patrouillieren und die Fensterscheiben zu bespucken. Ein Kunde sieht sogar, wie der Vermieter fünf Neonazis mit dem Auto wieder zum Bahnhof bringt. Er zeigt dies bei der Polizei an, diese kann daraus jedoch kein Bedrohungspotenzial erkennen. Auch dass der Vermieter den aus Uslar stammenden Rechtsanwalt Klaus Kunze engagiert hat, spricht Bände. Kunze vertritt seit Jahren führende Neonazis, u.a. den  NPD-Funktionär Thorsten Heise.

Nach einer Stunde am Tatort

Nicht nur auf Joseph M., auch auf seine Kunden hat es der Vermieter abgesehen, beschimpft sie als Neger und installiert unerlaubt eine Kamera, die den Eingang vorm Afro-Shop überwacht. Zwei Tage vor dem Brand, hängt er die Kamera ab. Die rassistische Hetze, die Bedrohung durch Neonazis, die unmittelbar vor dem Brand abgehängte Kamera – das sind zu viele Indizien für Joseph M. und seine Kundschaft, um an einen technischen Defekt zu glauben, sie gehen fest von einem rassistischen Brandanschlag aus. Untersuchungen der Polizei haben jedoch ergeben, dass „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ ein Defekt an einer Gefriertruhe den nächtlichen Brand ausgelöst hat. Joseph M. misstraut der Polizei, nie habe sie seine Ängste Ernst genommen und als er am Samstag verzweifelt bei der Polizei anrief, um die ausgebrannten Geschäftsräume zu melden, brauchte die Polizei über eine Stunde um zum Tatort zu kommen.

Auch wenn das Feuer seine gesamte Existenz zerstört hatte, wollten Joseph M. und seine Kundschaft jedoch nicht aufgeben. Der Afro-Shop war ihr Treffpunkt in Göttingen, den wollen sie gerne an anderer Stelle in Göttingen wieder aufbauen – doch dazu brauchten sie finanzielle Hilfe.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

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