„Als Kind wollte ich weiß sein“, sagt Journalistin und TV-Moderatorin Jana Pareigis im Film „Afro.Deutschland“. Sie fühlt sich damals unwohl in ihrer Haut. Aufgewachsen bei Adoptiveltern in Hamburg, beginnt sie erst als Teenagerin, sich stolz mit ihrem Aussehen auseinander zu setzen. Dieselbe Erfahrung macht auch Musiker Samy Deluxe, der erzählt, dass er durch Rap das erste Mal nicht als Außenseiter wahrgenommen wurde. In der Dokumentation „Afro.Deutschland“, die Jana Pareigis zusammen mit Susanne Lenz-Gleißner und Adama Ulrich für die „Deutsche Welle“ gedreht hat, stehen die Erfahrungen schwarzer Menschen in Deutschland im Fokus. Die Autorinnen besuchen schwarze Menschen, die zu verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Umständen in Deutschland Erfahrungen gemacht haben, etwa den Ex-Fußballprofi Gerald Asamoah, den Geflüchteten Issa Barra oder den NS-Zeitzeugen Theodor Wonja Michael.
Der 92-jährige Theodor Wonja Michael etwa wächst in Berlin als Kind einer Deutschen und eines Kameruners auf. Als Jugendlicher muss er sich seinen Unterhalt bei Völkerschauen und in Kolonialfilmen verdienen, da er wegen der Rassegesetze keine Ausbildung beginnen kann. Die Völkerschauen dienen dazu, der Bevölkerung die vermeintliche rassische Überlegenheit der Deutschen darzustellen und Sehnsüchte nach den Kolonien des Deutschen Reichs zu wecken. Michael muss dort in Baströcken ein Leben in Afrika darstellen, das voller rassistischer Stereotype ist und rein gar nichts mit seinem Leben zu tun hat. Wenn Michael über seine Jugend spricht, beschreibt er sie als permanentes Wegducken. Er beginnt zu stottern und hat Schwierigkeiten, soziale Kontakte zu knüpfen. Selbst beim Überqueren der Ampel ist er vorsichtig, um nicht in die Mühlen des Systems zu geraten.
Rassismus ist Alltag
Rassismus ist aber kein historisches Phänomen. Auch heute berichten die Darsteller_innen von Alltagserfahrungen, in denen sie manchmal subtil, aber oft auch offen rassistisch beleidigt werden. Das beginnt an der Supermarktkasse, wenn Pareigis gefragt wird, wo sie denn eigentlich herkäme. Auf die Antwort „Hamburg“ wird erwidert, wo sie denn wirklich herkäme, wegen ihrer Hautfarbe. Jana Pareigis betont dabei die Bedeutung von Macht, die durch Anfeindungen im Alltag offenbart wird und fordert, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Die Frage nach der Herkunft impliziere immer, nicht dazuzugehören, exotisch und anders zu sein.
Aber nicht nur Individuen verhalten sich rassistisch. Der Bundestagsabgeordnete Dr. Karamba Diaby berichtet in der Diskussion nach der Präsentation des Films im Hackesche Höfe Kino am 09. März in Berlin von „Racial Profiling“ am Bahnhof beim Pendeln zur Arbeit. Dabei kontrolliert die Polizei Personen nicht aufgrund eines akuten Verdachts, sondern ausschließlich wegen körperlicher Merkmale – konkret der Hautfarbe. In diesen Situationen wird schwarzen Menschen gezeigt, dass sie in einer weißen deutschen Mehrheitsgesellschaft zu einer Minderheit gehören und nicht dem Bild entsprechen, welches als „normal“ gilt.
Die Normalität kritisieren
Genau diese Homogenität, die als Normalität verkauft wird, sei das Problem, so Professor Wilhelm Heitmeyer von der Universität Bielefeld, der vor der Premiere eine wissenschaftliche Perspektive des Rassismus erläutert. Den Erfahrungen der Protagonist_innen ist gemeinsam, dass sie gesellschaftliche Abwertung aufgrund ihrer Hautfarbe erlebt haben. Dabei spiele Macht eine große Rolle. Schlimmstenfalls wird Gewalt angewandt, um diese Macht zu demonstrieren – etwa bei Angriffen gegen Geflüchtete. Die Wurzel des Problems sei aber die Gesellschaft, die sich an solche Vorfälle gewöhnt oder zumindest nicht reagiert. Denn Rassist_innen würden besonders aktiv, wenn sie das Gefühl haben, eine vermeintliche Mehrheit hinter sich zu haben. Eine große Gefahr, sei daher die Normalisierung von Rassismen im Alltag – zum Beispiel durch eine Sprache, in der Begriffe wie „völkisch“ oder „Umvolkung“ wieder Einzug finden.
Wie mit Rassismus umgehen?
Nach dem Film, der von den Zuschauer_innen begeistert aufgenommen wurde, fragt Moderatorin Elizabeth Shoo bei Jana Pareigis, Dr. Karamba Diaby und Theodor Wonja Michael nach, wie sie reagieren, wenn sie mit Rassismus konfrontiert werden. Pareigis ist es wichtig, sich zur Wehr zu setzen und Rassismus in keiner Form zu akzeptieren. Dabei solle man sich Verbündete suchen und sich organisieren, zum Beispiel im Verein „Initiative schwarze Menschen in Deutschland“. Dr. Karamba Diaby ergänzt, wie wichtig es ist, Rassismus zu thematisieren und sich zu positionieren, um eine Aufmerksamkeit für das Problem zu schaffen. Dies ist durch den Film „Afro.Deutschland“ definitiv gelungen. Auf die Frage, wie Theodor Wonja Michael die Situation in der heutigen Zeit einschätzt, sagt er: „Wir haben zu kämpfen, noch immer.“
Der Film wird ab dem 26. März bei der Deutschen Welle ausgestrahlt. Danach läuft er noch bei Phoenix und auf ZDF info.