Wer als Partei (aber auch als Unternehmen oder Organisation) qualifizierte und gut ausgebildete Frauen anziehen möchte, der muss Frauen Möglichkeiten eröffnen, ihre Kenntnisse einzusetzen, Einfluss zu nehmen, Karriere zu machen. Obwohl die CDU seit 15 Jahren die Bundeskanzlerin stellt, liegt der Frauenanteil in der konservativen Partei bei rund 26 Prozent – bei der SPD (32%), den Grünen (40%) oder den Linken (36%) sieht dies wenigstens etwas positiver aus (vgl. Statista). Ein Grund dürfte das modernere, vielfältigere Frauenbild in diesen Parteien sein. Die Grünen und die Linke haben ihren Willen, die Bevölkerung geschlechtlich besser zu repräsentieren, mit Frauenquoten untermauert. Die werden zwar immer wieder heiß diskutiert und auch nicht immer ausgeschöpft (z.B. streben die Grünen 50 % der Mandate an, praktisch sind aber nur 37% der Mandate mit Frauen besetzt). Trotzdem stellen die Parteien, in denen es eine Frauenquote gibt, den Großteil der weiblichen Parlamentarier*innen in Deutschland (vgl. ZDF). Auch wissenschaftliche Studien zeigen einen Ermutigungseffekt durch die Quote, die damit ein adäquates Mittel gegen strukturelle Benachteiligungen wird, die Arbeitnehmerinnen und Politikerinnen aufgrund ihres Geschlechtes erleben.
Teile der konservativen CDU, darunter die Frauenunion, möchte nun auch eine Frauenquote einführen – für Mandate ab Kreisvorstandsebene. Angefangen wird mit 30 Prozent der Mandate ab 2021, die mit Frauen besetzt werden sollen. Am Ende des beabsichtigten Stufenmodels 2025 soll die Gleichberechtigung auf Ämterebene erreicht sein: Dann sollen Männer- und Frauenanteil bei je 50 Prozent liegen. Wird die Quote nicht erfüllt, weil nicht genügend Frauen kandidieren, darf selbstredend von ihr abgewichen werden. Außerdem soll die Schwulen- und Lesbenorganisation LSU in der Partei aufgewertet werden. Beschlossen ist das noch keinesfalls, aber die Satzungskommission der Partei hat nun einen entsprechenden Vorschlag eingereicht. Wenn der Bundesvorstand zustimmt, liegt die Entscheidung beim CDU-Parteitag Ende des Jahres in Stuttgart.
Ob also diese Modernisierung der CDU kommt, steht noch völlig in den Sternen – in der CSU etwa scheiterte ein ähnlicher Antrag 2019. Aber eines hat die Debatte kurz vor der Sommerpause erreicht: In der rechtsalternativen Twitterblase glühen die Tastaturen. Wer ein antimodernes Geschlechter- und Familienbild vertritt, dazu vielleicht auch von Menschenrechten wie Gleichwertigkeit eigentlich wenig hält, der muss von einer Frauenquote getriggert werden. Und so echauffieren sich antimoderne Frauen ebenso wie Männer, die Angst um ihre Vorherrschaftsstellung in der Gesellschaft haben. Wir haben das einmal angesehen – vielleicht für CDU-Mitglieder zu betrachten unter der Frage: Möchte ich in diesen Club gehören?
Chef-Antifeministin Birgit Kelle sieht das auch so – sie bringt aber Geschlechtsteile mit ein, um die Diskreditierung zu steigern:
Also: Ist eine Frauenquote Sexismus? Die Antwort ist: Nein. Wenn eine Partei Maßnahmen ergreift, um die im Grundgesetz festgeschriebene Gleichberechtigung und gleichberechtigte politische Teilhabe von Frauen und Männern besser umzusetzen, ist das kein Sexismus – also Abwertung aufgrund des zugeschriebenen Geschlechts – sondern eine Maßnahme, um eine bestehende diskriminierende Situation zu verbessern. Gern geschehen.
Welches Männerbild steht eigentlich hinter den Tweets dieser Frauen, die sich so für Männer einsetzen, als müsse man sie jetzt schützen?
Eine schöne rhetorische Umkehr: Engagement für Gleichwertigkeit wird ins Feld geführt, um Maßnahmen für die reale Umsetzung von Gleichberechtigung zu kritisieren. Denn Menschen kämpfen darum vielleicht seit Jahrhunderten, sie haben es aber noch nicht geschafft – unter anderem, weil diejenigen, die von Diskriminierung profitieren, sie praktisch nicht so gern beenden, wenn sie einen Vorteil davon haben.
Die AfD-Abgeordnete bringt hier das Argumente des Leistungsprinzips: „Wirklich starke und gute Frauen brauchen keine Quote.“ Das klingt zwar gut und entspricht vielleicht dem Erfahrungshorizont einer Frau in einer Partei, die so wenig Frauen hat, dass sie jede vorhandene Frau plakativ in die erste Reihe (oder auch einige in den Bundestag) setzt, ist aber gleichzeitig Frauenfeindlichkeit durch eine Frau. Aber das kommt in rechtsalternativen Kreisen auch gut an: Kronzeugen – oder hier ja Kronzeuginnen – die man als pars pro toto nehmen und herzeigen kann: Seht, auch die Frau ist gegen Gleichberechtigung.
Davon gibt es in der AfD noch ein paar.
Würde die AfD Joana Cotar folgen, müsste sie die Frauen in der CDU-Führungsriege eigentlich gut finden. Stattdessen gilt Angela Merkel der rechtsalternativen Szene als Feindbild schlechthin, Annegret Kramp-Karrenbauer, Ursula von der Leyden und Julia Klöckner sind auch nicht beliebt. Exemplarisch hier Stephan Brandners platter Sexismus.
Okay, und noch der vom rechtsalternativen Jungblogger, der noch andere Parteien miteinbezieht.
So wenige Zeilen, so viel Abwertung! Das schafft AfD-Europaparlamentarier Maximilan Krah. Er bringt zum Ausdruck, dass er Frauen in der Regel für so inkompetent hält, dass eine Frauenquote quasi lebensgefährlich ist. Glück für ihn, dass Ärzt*innen einen Eid geschworen haben, alle Menschen gleich zu behandeln – auch die, die solchen Unfug auf Twitter publizieren.
Ein Konzept, dass das Weltbild von rechtspopulistischen Politiker*innen komplett überfordert, ist das dritte Geschlecht, bei dem sich Menschen nicht dem binären Geschlechtssystem zugehörig fühlen und sich als divers einordnen. Jens Maier zeigt dies hier eindrucksvoll. Interessant ist, dass auch auf der rechtsalternativen Seite Abwertungen und Diskriminierungen von Gruppen immer zusammengedacht werden. Wenn also eine bis dato marginalisierte Gruppe mehr Rechte bekommen soll, steigt offenkundig die Angst, andere, die man diskriminiert, könnten auch versuchen, Repräsentation zu fordern – auf Kosten von Männern wie Jens Maier.
Abwertung von Frauen mit Abwertung von Schwulen verbinden: Da lacht Rechtstwitter. Auch wenn der Witz nur zeigt, wie arm die Welt dieses „Autoren“ ist.
Die Kombination mit Rassismus geht natürlich auch:
Der „forschungspolitische Sprecher“ der AfD im Bundestag hat gebastelt und ein buntes Sharepic gemacht, dass offenkundig historische Frauen zeigt, die sich nicht mehr wehren können, wenn ihnen hier qua Spruchband unterstellt wird, auch sie würden eine Frauenquote ablehnen, weil sie sich auch ohne durchgesetzt hätten. Interessant dabei: Können Sie alle diese Frauen benennen, weil ihre bahnbrechenden Werke heute genügend gewürdigt werden? Oder hat eventuell eine eher männerzentrierte Weltsicht in Gesellschaft und Ausbildung dafür gesorgt, dass Sie das nicht können? Es sind Marie Curie, Königin Elisabeth I., Artemisia Gentileschi, Emmy Noether, Walentina Wladimirowna Tereschkowa, Coco Chanel und Margaret Thatcher.
Inspiration fand er vielleicht im März im rechtsalternativen „Compact“-Magazin: Es machte – auch schon mit Frauenquote-Claim – mit der Geschichte von Königin Mathilde auf. Kennen Sie nicht? Könnten Sie nicht einmal ein Jahrhundert zu benennen? Wie kann das sein, wo wie sich doch ohne postmodernen Feminismus durchgesetzt hat?
Falls Sie sich fragen, was die „Compact“ an Mathilde (896-968) so fasziniert: Sie passt in ihr Frauenbild. Eine Adlige, die den König Heinrich I. heiratet, zahlreiche Kinder bekommt und mit diesen „aktive Heiratspolitik“ betreibt, so dass sie als „Schwiegermutter Europas“ bezeichnet wurde. Ja, das passt zum Frauenbild der rechtsalternativen Szene.
Auf zur nächsten Argumentation:
Ein interessantes Bild wird hier evoziert: Für diesen AfD-MdB ist es offenbar keine Quotierung für mehr Geschlechtergerechtigkeit, sondern eine Förderung für unqualifizierte Arbeitnehmer*innen. Oder wie sonst könnte die Quote qualifizierte Frauen diskriminieren? Ist der Poster der wahre Feminist, weil er davon ausgeht, dass über 50 % Frauen eine bessere Idee wären?
Erfrischend offen dagegen dieser Kollege: Es geht um Auslese, und wenn da die Qualität zählt, dann müssen die Frauen halt raus. Wo sie doch eh schon so überproportional vertreten sind – aber halt, wenn das ohne Quote so ist, müsste das dann nicht nach Dr. Krafts These an ihrer Qualität liegen?
Vielleicht zieht aber dann auch dieses Argument?
Wenn ein „Löwe von Afrika“ mit der „Natur des Menschen“ argumentiert, wird ein ganzes Geschlecht über einen Kamm geschoren und abgewertet. Ob bisher nur gut qualifizierte Männer im Bundestag sitzen, wäre auch noch diskutierbar.
Im Endeffekt läuft es natürlich hierauf hinaus:
Das klingt wie eine große Angst davor, was passiert, wenn bisherige Diskriminierung beseitigt wird und es zu einem qualitativen Wettstreit zwischen Männern und Frauen kommen kann, in dem Chancengleichheit dafür sorgt, das eben wirklich nur auf die Leistung der Bewerber*innen gesehen wird, nicht auf ihr Geschlecht mit all den Vorurteilen, Bildern und Fremdheitsgefühlen, die sich immer noch in vielen Entscheider*innen-Köpfen zu tummeln scheinen. Oder wir sagen es mit der AfD Frühlingsfelde:
Nein, so offen sagt das nicht mal die AfD: Das ist ein Satire-Account. Aber möglich wäre es gewesen…