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Anti-Extremismus-Erklärung Vier Seiten Beipackzettel, aber keine Klarheit

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Bei Projekten und Rechtswissenschaftlern ist die „Anti-Extremismus-Erklärung“ seit Wochen höchst umstritten, die Projekte ab 2011 unterschreiben sollen, wenn sie durch die Bundesprogramme „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ (Rechtsextremismus-Prävention) oder „Initiative Demokratie Stärken“ (Prävention von Linksextremismus und islamistischem Extremismus) Fördergelder beziehen wollen.

Das Problem

Streitbar ist dabei nicht, dass die Träger der geförderten Maßnahmen sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennen sollen. Das müssen vom Staat geförderte Demokratie-Projekte von je her. Neu ist allerdings die gesonderte explizite Erklärung, die für viele zivilgesellschaftliche Projekte bereits einen zu Papier gebrachten Anfangsverdacht darstellt, sie hätten etwa vor, dies nicht zu tun.

Für Unklarheit und Empörung sorgte bei Demokratieprojekten und Politikern von SPD, Grünen und der Linken allerdings vor allem eine in Klammern eingefügte Passage der Extremismus-Klausel, die ein völlig unklarer Aufruf war, potenzielle Partner auf ihre Verfassungstreue zu überprüfen. Dabei blieb im Dunkeln, nach welchen Kriterien, in welchem Umfang und mit welchen Konsequenzen dies geschehen sollte.

„Als Träger der geförderten Maßnahmen haben wir zudem im Rahmen unserer Möglichkeiten (Literatur, Kontakte zu anderen Trägern, Referenzen, die jährlichen Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder etc.) und auf eigene Verantwortung dafür Sorge zu tragen, dass die als Partner ausgewählten Organisationen, Referenten etc. sich ebenfalls den Zielen des Grundgesetzes verpflichten. Uns ist bewusst, dass keinesfalls der Anschein erweckt werden darf, dass eine Unterstützung extremistischer Strukturen durch die Gewährung materieller oder immaterieller Leistungen Vorschub geleistet wird.“
(bisherige, kritisierte Passage, npd-blog.info).

Diese Passage wurde auch von rechtlicher Seite bemängelt, etwa in einem Gutachten von Rechtswissenschaftler Ulrich Battis, der zudem feststellte, dass nicht definiert werde, wer überhaupt mit Partner gemeint sei, ab welchem Verdachtsgrad anzunehmen sei, dass ein potenzieller Partner nicht im Sinne des Grundgesetzes tätig ist und was mit der Formulierung gemeint sei, man dürfe nicht den ?Anschein erwecken?, extremistisch zu sein.

Die „Anti-Extremismus-Erklärung“ erhält eine vierseitige Beilage

Um diese Unklarheiten beizulegen, wird das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) den kritisierten Passus in Klammern zu streichen und durch eine vierseitigen „Beipackzettel“ zur „Anti-Extremismus-Erklärung“ zu ersetzen, wie die Bundesregierung auf Anfrage der Grünen angab. Ein Entwurf dazu liegt Belltower.news vor. Er bietet zwar sehr viel mehr Text, aber nicht in allen Fragen Aufklärung.

Was aus den „Hinweisen zur Erklärung für Demokratie“ hervorgeht:

– Die Unterzeichnung der Erklärung ist Fördervoraussetzung – die Bundesregierung will keine extremistischen Organisationen finanziell unterstützen.

– Es darf nicht mit Organisationen zusammenarbeitet werden, die in Berichten des Verfassungsschutzes als „verfassungsfeindlich“ eingestuft werden: „Wenn eine Organisation dort [im Verfassungsschutzbericht] explizit als verfassungsfeindlich eingestuft wird, schließt dies eine Förderung und Zusammenarbeit aus.

– Allerdings, wird im Anschluss relativiert, komme es auch auf „die konkreten Personen und handelnden Strukturen vor Ort“ an. „Eine Zusammenarbeit mit der Partei „Die Linke“ ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen.“ heißt es bei Punkt 5. Mit der „Kommunistischen Plattform“ oder der „Sozialistischen Linken“ innerhalb der „Linken“ dürfe aber nicht zusammengearbeitet werden.

– „Partner“ sind Organisationen, die aktiv in die Umsetzung der Projekte einbezogen werden – materiell (über Zuwendungen) oder immateriell (genannt wird als Beispiel die Beteiligung an Workshops oder Podien, die über die Bundesprogramme gefördert werden).

– Allerdings, so wird weiter unklar erläutert, dürfe man extremistische Personen oder Organisationen doch zu Veranstaltungen einladen, wenn das Ziel der Veranstaltung sei, sich mit ihnen kritisch auseinanderzusetzen: „Dann wird hier ja gerade nicht der Anschein erweckt, dass einer Unterstützung extremistischer Strukturen durch die Gewährung immaterieller Leistungen Vorschub geleistet wird.“ Interessant wäre, an welche Konstellationen das BMFSFJ hier gedacht hat: Demokratieprojekte, die mit Nazis diskutieren (eher selten)? CDU-Symposien, die mit „Linksextremen“ diskutieren (bisher selten, bald vielleicht nicht mehr)?

– Unklar bleibt auch der Hauptstreitpunkt: Wie sollen die Träger sicherstellen, dass die Partner den Zielen des Grundgesetzes verpflichtet sind? Die Antwort in den „Hinweisen“: „Aufschluss über eine mögliche extremistische Ausrichtung der Partner können vor allem die Berichte der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder geben: Es gibt Organisationen und Strukturen, die einhellig in den Ländern und auf der Bundesebene als eindeutig verfassungsfeindlich beschrieben sind. Hier ist offen für jedermann erkennbar, dass sich eine Zusammenarbeit ausschließt. Darüber hinaus können z.B. Referenzen, Kontakte zu anderen Trägern, Medienberichte oder entsprechende Literatur für die Prüfung der Partner in Betracht kommen.“
So kommt eine praktisch nicht zu bewältigende Aufgabe auf die Projektträger zu. Als Ausweg bei „Unklarheiten“ wird allerdings eine Rückfrage beim Land oder beim Bund über die Regiestellen der Programme empfohlen, auf die so viel Arbeit zukommen dürfte.

– Klar dagegen wird formuliert: Wer die Erklärung nicht unterzeichnet oder gegen diese Vorgaben verstößt – was das BMFSFJ anhand von Hinweisen prüfen will, Rechtsaußen-Kreise können schon einmal die Bleistifte spitzen – bekommt keine Förderung oder, bekommt sie, so sie schon erfolgt ist, entzogen: „Die Nichtunterzeichnung oder Missachtung der Bestätigung kann zu einem teilweisen oder vollständigen Widerruf der Bewilligung führen.

Was bringt’s?

Die Aufforderung an die Projekte, ihre potenziellen Projekt- und Gesprächspartner auszuleuchten, bleibt also bestehen. Auch wenn bereits etlich Politiker und Sachverständige darauf hingewiesen haben, dass damit – neben der praktischen Undurchführbarkeit – eine Kultur des Misstrauens aufgebaut wird, die Demokratieprojekten, die auch von der Vernetzung von Akteuren leben, nicht zuträglich sein kann.

Die „Anti-Extremismus-Erklärung“ hat aber nicht nur wegen der Bundesprogramme eine große Wichtigkeit für Projektarbeit für Demokratie. Sie wird zudem anderen staatlichen Stellen übernommen. Dadurch entstehen Situationen wie jetzt in Riesa: Dort soll die Stadtverwaltung eine entsprechende Klausel unterschreiben, die das Land Sachsen vom BMFSFJ übernommen hat. Dies brachte nun Riesas Finanzbürgermeister Markus Mütsch (CDU) in Bedrängnis, weil im Stadtrat zwei NPD-Vertreter sitzen. „Für die Verfassungstreue der NPD kann ich mich doch nicht verbürgen“, sagte Mütsch der Agentur dapd.

Mehr im Internet:

| „Zu unbestimmt und ungeeignet“ – Interview mit Professor Ulrich Battis zur Rechtmäßigkeit der Extremismus-Klausel (mut-gegen-rechte-gewalt.de)

| Familienministerium weist Battis-Kritik zurück (npd-blog.info)

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