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Antifeministische Gewalt Angriff auf Gender Studies-Seminar in Kanada

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Der Campus der Waterloo University in Kanada (Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Waterloo_ontario_campus_1.jpg)

Der Täter, ein ehemaliger Student an der Universität, hatte den Seminarraum gegen 15:30 betreten und zwei große Messer gezückt. Anschließend hatte er auf die 38 Jahre alte Dozentin, eine 20 Jahre alte Studentin und einen 19 Jahre alten Studenten eingestochen. Die Betroffenen befinden sich glücklicherweise nicht in Lebensgefahr. Sowohl laut dem stellvertretenden Pressesprecher der Universität als auch dem regionalen Polizeichef ist davon auszugehen, dass es sich um ein antifeministisch und queerfeindlich motiviertes Hassverbrechen handelt. Online wird das Seminar als „philosophische Analyse von Geschlecht und Geschlechterrollen“ beschrieben. „Analysierte Fragen wären: Was ist der Unterschied zwischen biologischem und gesellschaftlich vermittelten Geschlecht, und gibt es ihn überhaupt? Inwieweit spielt Biologie eine Rolle bei unseren Vorstellungen von Geschlecht und Geschlechterrollen? Wie viele Geschlechter gibt es? Welche ethischen Fragen stellen sich aufgrund unseres Geschlechts?“ Des Weiteren wolle die Veranstaltung die Konstruktion von Geschlecht in der Geschichte der Philosophie anhand kontemporärer Diskussionen analysieren.

Der Täter hatte laut Polizeichef Mark Crowell die Dozentin nach dem Namen des Seminars gefragt und anschließend „ohne Provokation“ auf sie eingestochen. Ein Augenzeuge berichtet, dass der Täter sich offensichtlich gefreut hatte, diese Gewalttat auszuführen: „Was mich am meisten anekelte, ist dieses bösartige, schadenfrohe Lächeln auf seinem Gesicht – und wie sich der Gesichtsausdruck der Professorin in blanke Angst verwandelt hatte“.

Einige Studierende sind schließlich eingeschritten und haben versucht, den Angreifer zu stoppen. Sie riefen die Polizei. Der Täter wurde kurze Zeit später gefasst und inhaftiert. Er stammt aus einer ausgesprochen konservativ-religiösen Familie, so ehemalige Mitstudierende. Er sei ein ruhiger junger Mann gewesen, der sich auf sein Studium der Physik fokussiert hätte. Er hätte „Probleme damit gehabt, Frauen anzusprechen“, außerdem habe er  häufig seine Abneigung gegen queere Sichtbarkeit auf dem Campus geäußert, heißt es später. Laut einem Artikel des Vice Magazine hätte sich der Hass des Täters vor allem gegen trans und nichtbinäre Menschen gerichtet. Dass seine Einstellungen von Freunden und Bekannten als die eines „normalen konservativen Mannes“ bezeichnet wurden, zeigt auf, wie normalisiert Misogynie und Queerfeindlichkeit unter jungen Männern oft ist.

Misogyner Terror in Kanada

Es handelt sich nicht um den ersten explizit antifeministisch und misogyn motivierten Anschlag in Kanada. Im Dezember 1989 ermordete ein ehemaliger Student des Polytechnischen Instituts von Montréal 14 Studentinnen. Diese Tat wird später als erster Incel-Terrorakt begriffen. Er war in ein Seminar eingedrungen und hatte die weiblichen von den männlichen Seminarteilnehmenden getrennt und anschließend erschossen. In einem öffentlichen Brief gab er an, der Feminismus hätte „sein Leben ruiniert“.

Im April 2018 raste ein 25 Jahre alter Incel mit einem Lastwagen in eine Menschenmenge in Toronto und ermordete elf Personen. Davor hatte er auf Facebook gepostet: „Die Incel-Rebellion hat bereits begonnen. Wir werden die Chads und Stacys [Incel-Begriffe für attraktive Männer und Frauen] stürzen!“ Außerdem artikulierte er seine Bewunderung für den Incel-Attentäter, der 2014 in Santa Barbara sechs Menschen erschossen und 14 weitere verletzt hatte.

Patriarchales Anspruchsdenken und gekränkte Männlichkeit

Weltweit gibt es einen Anstieg an antifeministischen und queerfeindlichen Tendenzen, der sich auch immer wieder in misogynen Gewalttaten äußern. Dieser liegt darin verwurzelt, dass Frauen und queere Menschen zunehmend um ihre Emanzipation kämpfen, heterosexuelle und cisgeschlechtliche Männer sich jedoch nicht von patriarchalen Geschlechtervorstellungen lösen wollen. Diese Geschlechterbilder sind inhärent mit der systematischen Abwertung des nicht-männlichen verbunden – und eine Emanzipation dieser marginalisierten Gruppen erschwert die Diskriminierung, die Ich-Schwache Männer zu brauchen glauben, um sich selbst aufzuwerten. Dass der Angriff im Pride Monat Juni, an dem queere Sichtbarkeit und Freiheit zelebriert wird, stattgefunden hat, ist wohl kein Zufall.

Ein weiterer Aspekt für spezifisch misogyne Gewalt ist patriarchales Anspruchsdenken: Männer wie die benannten Täter glauben, sie hätten ein Anrecht auf Sex und somit die Sexualität anderer – und sind wütend, dass ihnen diese Verfügungsgewalt nicht garantiert ist. Nicht nur bei Incels artikuliert sich der Hass auf weibliche sexuelle Selbstbestimmung immer wieder in misogyner Gewalt bis hin zum Femizid oder Terrorakt. Diese Männer glauben, dass nicht ihr Anspruchsdenken oder ihr Sexismus Schuld tragen an ihrer Sexlosigkeit – sondern der Feminismus, den Frauen den Floh ins Ohr setzt, sich nicht mehr von Männern ausbeuten und erniedrigen lassen zu wollen. Misogyne Gewalt soll hier als Rache und Strafe funktionieren. Unterfüttert werden diese Ressentiments durch antifeministische Influencer wie Andrew Tate oder den Evolutionspsychologen Jordan Peterson. Dieser twitterte nur einen Tag nach dem jüngsten Anschlag in Kanada: „STERBT, woke Universitäten. Und keine Sekunde zu früh.“

Quelle: Screenshot Twitter

Die Incel-Community äußert sich, wenig verwunderlich, begeistert über den Angriff. „Dies zeigt, wen man angreifen soll; das setzt ein stärkeres Zeichen als zufällige Ziele in einem Einkaufszentrum zu erschießen“, schreibt ein User auf einem Incel-Forum.

Diese Tat ist ein weiterer Beweis für die zwingende Notwendigkeit von feministischer Pädagogik und Politik. Es kann nicht sein, dass Frauenhass und Queerfeindlichkeit nach wie vor gleichgültig bis verständnisvoll begegnet wird. Der feministische Kampf um Emanzipation ist nur eine Seite der Medaille: die andere ist der profeministische Kampf gegen patriarchales Anspruchsdenken und um eine Sozialisation von Jungen und Männern, die nicht auf der Abwertung von Weiblichkeit und Queerness basiert. Und dieser Kampf wurde viel zu lange vernachlässigt.

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