Am frühen Montagmorgen stand ein 21-jähriger Israeli mit vier Freunden am Eingang des Clubs Matrix in Berlin-Friedrichshain und unterhielt sich auf hebräisch. Ein Mann, der das Gespräch offenbar mithörte, ging auf den 21-Jährigen los und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Der Täter flüchtete. In der Nacht zum Sonntag wartete ein 36-jähriger Mann an einer Straßenbahnhaltestelle in Berlin Mitte. Er wurde von einem Unbekannten gefragt, ob er Jude sei und antisemitisch beleidigt. Auch dieser Täter flüchtete. Am Samstag fand in Berlin das deutsch-israelische Filmfestival „Seret International“ statt. Zehn bis zwölf Mitglieder der antisemitischen BDS-Bewegung stürmten während einer Fragerunde nach einem der gezeigten Filme die Bühne. Es kam zu Handgreiflichkeiten. Die Aktivist*innen wurden von der Polizei aus dem Kino geführt.
Immer wieder kommt es in der Hauptstadt zu judenfeindlichen Übergriffen. Erst Mitte August wurde ein Vorstandsmitglied des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) von zwei Männern verfolgt und zu Boden gestoßen.
Ende Juli wurde der Rabbiner Yehuda Teichtal von zwei Männern auf arabisch beschimpft und bespuckt. Teichtal kam gerade vom Gottesdienst in der Synagoge und war in Begleitung eines seiner Kinder unterwegs.
Sigmount Königsberg, der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde, sagte dem Tagesspiegel am Dienstag: „Mittlerweile muss man den Eindruck bekommen, dass sich in Berlin verabredet wird, um Jagd auf Juden zu machen.“ Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung fordert mit Blick auf die aktuellen Zahlen härtere Strafen für die Täter*innen. Das sei auch ein „politisches Zeichen“.
Tatsächlich gibt es immer mehr Gewalt gegen Jüdinnen und Juden. 2018 gab es bundesweit 1.646 antisemitische Straftaten. Zehn Prozent mehr als 2017 (1.504). 62 Gewaltdelikte gab es 2018, im Vorjahr noch 37. Jeder fünfte dieser Übergriffe fand in Berlin statt. Damit ist die Bundeshauptstadt auf dem traurigen ersten Platz. 2018 wurden 324 antisemitische Straftaten in Berlin registriert. 24 davon waren Gewalttaten. Florian Eisheuer, Projektleiter der Aktionswochen gegen Antisemitismus der Amadeu Antonio Stiftung kommentiert: „Wenn Menschen auf offener Straße angegriffen werden, weil sie Kippa tragen oder Hebräisch sprechen, dann reichen keine politischen Empörtheitsphrasen und Lippenbekenntnisse, sondern es muss gehandelt werden.“
Eine Forderung, die noch nicht überall angekommen zu sein scheint. Berlins regierender Bürgermeister, Michael Müller, äußerte sich per Twitter zum jüngsten Vorfall auf eher holprige Art und Weise: „Es ist empörend, dass offensichtlich das Sprechen der Sprache des Staates Israel genügt hat, dass ein Angreifer zuschlägt. Der Staatsschutz wird dem Geschehen energisch nachgehen, der Täter muss zügig dingfest gemacht werden.“
Vor dem Wochenende mit drei antisemitischen Vorfällen hatte ein Besuch von Müllers Teheraner Amtskollegen Pirouz Hanachi, in Begleitung des iranische Botschafters Mahmoud Farzandeh für Kritik gesorgt. Das American Jewish Committee Berlin (AJC) nannte den Besuch im Roten Rathaus ein „fatales Signal an all jene, die sich täglich gegen Antisemitismus engagieren“. Der Teheraner Bürgermeister sei der Vertreter eines Regimes, dass Israel mit Vernichtung drohe und die Terrororganisation Hisbollah unterstütze. Hanachi soll den iranischen Revolutionsgarden angehört haben, die von den USA als Terrororganisation eingestuft wird und im Mai am Al-Quds-Marsch teilgenommen haben – einer vom iranischen Regime initiierten Demonstration, bei der zur Vernichtung Israels aufgerufen wird.
Müller versicherte nach dem Treffen, das Existenzrecht Israels betont zu haben. Der in Berlin lebende iranische Oppositionelle Kazem Moussavi, Sprecher der „Green Party of Iran“ hatte Müller nach dem Treffen am Rathaus abgepasst und ihn damit konfrontiert einen Antisemiten getroffen zu haben.
Immerhin bemüht sich der Berliner Senat etwas gegen den Judenhass auf den Berliner Straßen zu tun. Seit 2018 gibt es drei neue Antisemitismusbeauftragte bei Staatsanwaltschaft, Polizei und beim Justizsenator. Mitarbeitende der Polizei und der Justiz sollen besser geschult werden und die Zusammenarbeit der Stadt mit Betroffenen und der jüdischen Gemeinde soll verbessert werden.
Die Gewalt, die immer wieder Juden und Jüdinnen trifft, ist dabei allerdings nur die Spitze des Eisberges. Antisemitismus ist tief verwurzelt. Vor allem Bildungsarbeit in Schulen kann dabei helfen, das Problem einzudämmen.