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Antisemitismus Zweigeteilte Gemeinsamkeit im Bundestag

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Im Bundestag gegen 17.27 Uhr; Foto: hk

Über zwei Anträge wurde am 4.11. gegen 17 Uhr 30 abgestimmt. Beide tragen den gleichen Titel: „Den Kampf gegen Antisemitismus verstärken, jüdisches Leben in Deutschland weiter fördern“. Und beide enthalten den gleichen Wortlaut, nur eine unterschiedliche Kennziffer (16/10775 und 16/10776). Der Grund: Die Unionsfraktion hatte sich nach der gemeinsamen Erarbeitung des Antrags durch Vertreter aller Fraktionen plötzlich geweigert, den Antrag auch gemeinsam mit der Linken einzubringen – „wohl aus wahltaktischen Gründen“, hielt die Linken-Abgeordnete Petra Pau der Union vor.

Stattdessen griff die Linke auf einen Verfahrenstrick zurück. Sie brachte am Dienstag einen exakt wortgleichen Antrag ein, laut Bundestagsstatuten werden solche Anträge gemeinsam abgestimmt – so, als wäre es einer. 11 Abgeordnete der Linken teilten dem Bundestagspräsidenten allerdings mit, sich aufgrund dieser Umstände gar nicht erst an der Abstimmung zu beteiligen, darunter die als radikale Linke geltenende Ulla Jelpke.

In dem Vier-Fraktionen-Antrag von Union, SPD, Grünen- und FDP-Fraktion und dem gesonderten Antrag der Linken verpflichten sich die Abgeordneten, gegen jede Ausprägung von Antisemitismus einzutreten. Zugleich wird die Bundesregierung aufgefordert, ein Expertengremium aus Wissenschaftlern und Praktikern zu beauftragen, in regelmäßigen Abständen einen Bericht zum Antisemitismus in Deutschland zu erstellen. Ein ursprünglich vorgesehener Antisemitismusbeauftragter, wie ihn die OSZE längst hat, wird allerdings nicht mehr vorgeschlagen, dies ist eine Abschwächung des ursprünglichen Plans. Denn ein Beauftragter besäße mehr Wortgewalt bei der Thematisierung von Antisemitismus, als ein stets konsensorientierter Vorsitzender eines Expertengremiums haben kann.

Außerdem wird in der Entschließung dafür geworben, dass Lehrpläne in Schulen um Themen zum jüdischen Leben, zur jüdischen Geschichte und zum heutigen Israel erweitert werden.
Zudem sollen Modellprojekte, die sich im Kampf gegen den Antisemitismus bewährt haben, finanziell auf Dauer abgesichert werden. Auch sei zu prüfen, ob die vorhandenen Bundesprogramme den Schutz von Opfern antisemitischer Straftaten ausreichend berücksichtigen. Diese Punkte sind sicherlich unumstritten, sind aber relativ unverbindlich formuliert.

Empörung bei der Linken

Im Vorfeld hatte sich der damalige Linksfraktionschef Gregor Gysi  empört über das Verhalten der Union  geäußert. Sie habe sich mit ihrer Ausgrenzung der Linken „aus dem antifaschistischen Konsens der deutschen Gesellschaft verabschiedet.“

Nun hat die Linke den Entschluss durch ihre Antragsdoppelung dennoch mit verabschiedet. Vor allem Redner der FDP und der OSZE-Beauftragte für die Antisemitismusbekämpfung, Gert Weisskirchen, hatten in der der Abstimmung vorangegangenen Bundestagsdebatte darum geworben. Kern der Begründung beider Anträge ist die Formulierung:

„Über sechs Jahrzehnte nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland und 70 Jahre nach den Schrecken der Reichspogromnacht am 9. November 1938 hat jüdisches Leben in Deutschland wieder neue Wurzeln geschlagen.“ Dennoch sei der Antisemitismus noch immer ein ernstzunehmendes Problem in Deutschland. „Grund zur Sorge gibt, dass Antisemitismus in allen Schichten der Bevölkerung zu finden ist.“ Verwiesen wird auf verbreitete antisemitische Vorurteile, Hetze im Internet und eine hohen Zahl antisemitisch motivierter Straftaten.

Knackpunkt Solidarität mit Israel?

Ausdrücklich hebt der Antrag auch die Solidarität mit Israel als „unaufgebbaren Teil der deutschen Staatsräson“ hervor. Wer an Demonstrationen teilnehme, „bei denen Israelfahnen verbrannt und antisemitische Parolen gerufen werden, ist kein Partner im Kampf gegen den Antisemitismus“. Auch die Solidarisierung mit terroristischen und antisemitischen Gruppen wie der Hamas und der Hisbollah sprenge „den Rahmen zulässiger Kritik an der israelischen Politik“ heißt es in der Entschließung.

Ein solches Verhalten wurde im Vorfeld von der Union explizit der Linken vorgeworfen. Auch das mag der Grund sein, weshalb 11 der 53 Linksabgeordneten erklärten, nicht an der Abstimmung teilzunehmen. Sogar in der Linken-Fraktionspressestelle sorgte dieser offensichtlich spontane Schritt für Überraschung. Die 11 erklärten, beide Anträge hätten eine „undemokratische, anmaßende Tendenz“. Vor allem störe sie die Formulierung, die Solidarität mit Israel sei „ein unaufgebbarer Teil der deutschen Staatsräson“. Nahezu wortgleich, daran erinnert am 5.11. der Berliner Tagesspiegel, hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel im März in Jerusalem vor der Knesset geäußert.

Allerdings zeigten auch die anderen Fraktionen kein nachhaltiges Interesse, Geschlossenheit bei der Abstimmung zu beweisen, insbesondere bei der Union. So waren längst nicht alle Reihen im Plenum gefüllt (siehe obiges Foto aus der Abstimmungsminute).

Die einzige Neinstimme kam übrigens nicht aus dem Spektrum der Linken. Sie kam vom inzwischen fraktionslosen Abgeordneten Henry Nitzsche – ehemals CDU.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

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