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Argumente Schwurbelfreie Weihnacht, überall…

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Weihnachtszeit ist auch Zeit zu Gesprächen und Diskussionen - wir wünschen viel Erfolg, damit ein paar Aluhüte im Müll landen können. (Quelle: pixabay / Alexas_Fotos)

In den letzten Jahren haben wir den Leser*innen bereits antirassistische Argumentationen ans Herz gelegt.

2020 war und ist nun nicht nur das Jahr der Coronavirus-Pandemie, sondern auch der mehr oder weniger demokratiefeindlichen Verschwörungsideologien. Und die finden sich nicht nur bei fernen Personen mit geschlossenen Weltbildern, sondern bisweilen auch im Kreis derjenigen Menschen, die wir ins Herz geschlossen haben. Hier allerdings sind die Chancen besonders gut, dass Gespräche auch noch etwas fruchten. Deshalb kann es nicht verkehrt sein, sich mit ein paar Strategien besonders gut vorzubereiten – in der Hoffnung, dass der Opa oder die Tante noch kein gefestigtes verschwörungsideologisches Weltbild haben, sondern noch bereit sind, zuzuhören.

Bei den Querdenken-Demonstrationen sind aber ganz viele verschiedene Leute, und ich habe da gar keine Nazis gesehen!

Hierzu möchten wir an diese kleine Auflistung erinnern, die aus dem August stammt und inzwischen auch noch erweitert werden könnte – aber wir finden sie schon stichhaltig genug.

Quelle: https://www.facebook.com/HoGeSatzbau/posts/3384718161549142

vgl.: https://www.belltower.news/dokumentation-diese-afd-politikerinnen-feierten-auf-der-querdenken-demonstration-103619/

tl;dr: Es sind viele Neonazis und Rechtsextreme dabei. Unter anderem aus rechtsextremen Parteien wie NPD, Die Rechte und Der III. Weg, aus rechtsextremen Netzwerken wie Kameradschaftkreisen und Milizen, rechtsextreme Kampfsportler, rechtsextreme Musiker, Holocaust-Leugner*innen, Reichsbürger*innen und Autor*innen rechtsextremer und rechtsradikaler Medien. Nicht allen sieht man ihre Ideologie an, doch die, denen man die Ideologie nicht ansieht, sind oft noch gefährlicher als die, die offen mit rechtsextremer und antisemitischer Symbolik über die Demonstrationen laufen. Denn sie wollen das antidemokratische Potenzial der „Querdenken“-Demonstrationen strategisch nutzen, um die Demokratie zu zerstören. Dazu kommen noch zahlreiche AfD-Funktionär*innen und -Anhänger*innen.

Wer auf die Demonstrationen geht, macht sich mit diesen Menschen gemein. Wer gegen Maßnahmen protestieren möchte, ohne Neonazis und Demokratiefeind*innen zuzustimmen, muss eigene Kundgebungen organisieren.

Was ist denn das Problem, wenn sich die Demonstrant*innen einen „Ungeimpft“-Stern anheften?

Wenn „Impfgegner*innen“, die aktuell durch nichts in ihrem eigenen und frei selbstgewählten Handeln gehindert werden, sich durch die Nutzung eines „Ungeimpft“-Davidsterns gleichsetzen mit Jüdinnen und Juden, die im Nationalsozialismus nach den „Nürnberger Gesetzen“ mit dem „Judenstern“ für die Ermordung im Holocaust markiert wurden, ist nicht nur zynisch, geschmacklos oder „umstritten“.  Es ist eine Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus, und es ist eine Verharmlosung des Holocausts. Wer das tut, handelt antisemitisch. Die Stadt München etwa hat das Tragen im Mai verboten (vgl. BR), andere Städte folgten (vgl. domradio.de).

Und was ist das Problem, wenn sich die Kritiker*innen der Corona-Maßnahmen mit Widerstandskämpferin Sophie Scholl gleichsetzen?

Wer sich selbst unter den Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung mit der Situation von Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus vergleicht, verharmlost den Holocaust. Er vergleicht Konsequenzen für das selbst gewählte Nicht-Einhalten von Maßnahmen, die ihm das Leben etwas unangenehm machen, mit der systematischen, antisemitisch motivierten Ermordung von Menschen, die als Jüdinnen und Juden definiert wurden, ohne dass sie sich wehren konnten.

Trotzdem ist es im „Coronaleugner*innen“-Milieu gerade sehr en vogue, die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus mit Holocaust und Diktatur zu vergleichen und sich selbst im Widerstand dazu zu wähnen. Das entwertet gesellschaftliche und historische Maßstäbe für Unrecht. Wer das tut, benimmt sich wie ein Mensch, der angesichts der tödlichen Krebserkrankung eines anderen anmerkt, man selbst habe ja auch schon mal eine sehr unangenehme Blasenentzündung gehabt. Das Leid derjenigen, die an Corona erkranken, ist kein Grund für Konkurrenzerzählungen.

Ich will aber keine Maske tragen!

Das ist ja auch möglich, bringt aber auch Konsequenzen mit sich, aktuell etwa nicht mehr einkaufen oder nicht mehr auf großen Straßen flanieren zu können. Und dies ist nicht nur eine Konvention, sondern eine praktische Schutzmaßnahme für andere. Wenn Sie sich entschließen würden, ab sofort ohne Hose herumzulaufen, wären die Reaktionen ähnlich. Dann würde man sie auch nicht mehr in Restaurants oder Supermärkte lassen und auf der Straße wären Sie ein öffentliches Ärgernis. Trotzdem demonstriert niemand für das Recht, ohne Hose herumzulaufen. Gegen das Maskentragen zu demonstrieren, hat also auch noch andere Hintergedanken als den Protest gegen ein Stück Stoff. Behauptet wird oft, es gehe um Meinungsfreiheit und andere Freiheitsrechte. Gemeint sind aber Egoismus und Gesundheitsgefährdung anderer. Manchmal gehen die Demonstrationen auch gegen die Maßnahmen der Regierung – legitim –, manchmal aber auch gegen die parlamentarische Demokratie an sich (demokratiefeindlich).

Auch wenn es Diskussionen gibt, wie wirksam das Tragen von Masken ist: Was verlieren wir, wenn wir sie tragen? Es ist auch eine Frage der Gewichtung: Auf der einen Seite ist das Maskentragen, was mir selbst vielleicht unangenehm ist – auf der anderen Seite schützen wir damit alle Menschen um uns herum, um sie nicht unabsichtlich mit einem potenziell tödlichen Virus zu infizieren. Was wir wissen: Maskentragen ist nicht gefährlich und Maskentragen schützt. Was haben wir also zu verlieren? Es gibt Berufsgruppen, die schon lange ganztags Masken tragen – etwa Chirurg*innen oder Bauarbeiter*innen. Von ihnen wissen wir schon, dass ihre Gesundheit nicht geschädigt wird durch das Maskentragen, sondern dass die Maske schützt vor Bakterien und/oder Verschmutzungen. Wer noch keine Maske gefunden hat, unter der er oder sie gut atmen kann, muss vielleicht noch einmal eine neue Art von Maske ausprobieren.

Auch an anderen Stellen in unserem Leben glauben wir Anweisungen, ohne dass wir ihre Wirksamkeit überprüfen können. Im Flugzeug heißt es ebenfalls, wir sollen bei Start und Landung Handys und Computer ausschalten, damit der Bordcomputer nicht gestört wird und das Flugzeug nicht abstürzt. Auch daran könnten wir uns nicht halten. Aber die wenigsten Fluggäste wollen dieses Risiko eingehen. Sie halten sich an die Vorschrift. Ohne dass es Demonstrationen gibt, dass es die Freiheitsrechte der Fluggäste beeinträchtigt, ihr Handy nicht benutzen zu können. An solchen Beispielen lässt sich diskutieren: Aus welchen Vorgängen wird ein Politikum gemacht? Aus welchen nicht? Welche Gründe können dazu führen, dass das Maskentragen als „Unterdrückung“ geframet wird, Handyverbot bei Start und Landung aber nicht? So lassen sich Mechanismen von Verschwörungserzählungen erkennen.

Manche Regelungen, die auf Wissenschaft und Erfahrung beruhen, muss der Staat trotzdem mit Verboten und Maßnahmen durchsetzen. Als die Gurtpflicht beim Autofahren eingeführt wurden, wollten sich trotzdem viele Autofahrer*innen nicht daran halten und weder sich noch ihre Kinder anschnallen. Schließlich hatten sie auch zuvor Autofahrten ohne Anschnallen überlebt. Erst mit einer strafbewehrten Durchsetzung der Gurtpflicht wuchs schließlich auch die Erkenntnis, dass das Tragen eines Gurtes bei jeder Autofahrt das Leben nicht so stark beeinflusst wie ein tödlicher Unfall, der durch das Gurttragen hätte verhindert werden können.

Immer geht es nur noch um diese Pandemie, darf man denn bald gar nichts mehr?

Es ist vollkommen in Ordnung, das Jahr 2020 anstrengend zu finden und zu beschimpfen, darüber traurig zu sein, dass man Familie und Freund*innen so lange nicht sehen konnte, vielleicht in Quarantäne musste oder einen Schnelltest machen musste. Negative Gefühle angesichts der Pandemie sind nachvollziehbar und legitim. Aber: Dass es mir 2020 nicht gut geht, heißt nicht, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Es heißt nicht, dass eine Verschwörung im Gange ist, es heißt nicht, dass jemand aktiv Schuld ist, an der Situation, wie sie ist. Es ist eine schwierige Situation, die wir nur durch Solidarität und Rücksichtnahme besser machen können, in stetigem Kontakt mit Ärzt*innen und Wissenschaftler*innen, die auch ihr Möglichstes tun, die Situation zu verbessern.

Maßnahmen gegen die Pandemie sind keine Diktatur

Alle Regeln, die im Umgang mit der Pandemie aufgestellt werden, dienen dazu, so viele Menschen wie möglich vor schweren und tödlichen Covid-19-Erkrankungen zu schützen. Trotzdem bleibt für jeden einzelnen Menschen Spielraum für zivilen Ungehorsam, denn natürlich sind die Bedürfnisse von Menschen verschieden. Wenn die Spielplätze gesperrt sind, heben trotzdem Eltern ihre Kinder über die Absperrung, um sie schaukeln zu lassen. Wenn sie dies nicht in großen Mengen gemeinsam tun, sondern abends allein auf dem Spielplatz tun, verstößt das zwar gegen Regeln, ist aber vertretbar, weil es andere nicht gefährdet.

Wichtig ist, im Auge zu behalten, wie wir uns möglichst vernünftig und verantwortungsvoll benehmen. Das ist unsere eigene Verantwortung. Niemand muss sich zu Hause einschließen und nur noch von Konserven leben, aber es ist auch nicht vernünftig, so zu tun, als gäbe es Covid-19 nicht und sich als Konsequenz daraus quer durch die ganze Stadt zu lecken. Schwierig sind natürlich doppelte Botschaften: Ihr sollt Euch nicht in Gruppen treffen, aber hier sind überall Glühweinstände. Das hat nicht funktioniert. Und ist nun auch untersagt.

Aber wenn etwa Arbeitgeber wie die Tönnies-Fleischfabriken ihre Arbeiter*innen wiederholt nicht schützen, muss das Gesundheitsamt eingreifen können, damit die Verantwortung nicht an den einzelnen Arbeiter gegeben wird, der aber gar nicht beeinflussen kann, ob alle in der gleichen Fabrikhalle die Regeln einhalten oder nicht.

Es gibt da dieses Video im Internet, das sagt….

2020 wurde deutlicher denn je zuvor: Wer mit Bewegtbild im Internet Dinge verbreitet, hat gute Chancen, als glaubwürdig wahrgenommen zu werden – umso mehr, wenn das Video von Bekannten und Verwandten verschickt wird oder durch ein Messengerdienst-Kanal- oder Gruppen-Abo direkt aufs Handy kommt. Aber: Auf YouTube eine Kerze in die Kamera halten ist keine Qualifikation, um über medizinische oder gesellschaftspolitische Themen zu urteilen. Deshalb kann man sich solche Videos natürlich ansehen, sollte Ihnen aber nicht glauben.


Kurzer Check zu YouTube- und anderen Video-Kanälen:

  • Impressum checken. Gibt es eins? Passt es zum Absender? Verrät es eine Intention?
  • Ggf. verlinkte Website checken. Was sind hier Themen und Narrative? Was (wer) ist verlinkt? Welche Sprache wird verwendet? Gibt es hier ein Impressum?
  • Kanal / Protagonist googeln, sich aus Einordnungen ein Bild über Qualifikation und Glaubwürdigkeit machen.
  • Themen / Narrative des Videos googeln. Gibt es diese Informationen auch an anderer Stelle, lassen sie sich bestätigen? Sind sie richtig wiedergegeben oder verzerrt?
  • Werden im oder unter dem Video Quellen und Belege angegeben, um geäußerte Informationen selbst prüfbar zu machen?
  • Gibt es von mehreren Quellen bestätigte Expert*innen, die etwas völlig anderes sagen? Dann sind zumindest Zweifel angebracht.
  • Finger weg von Kanälen mit rechtsextremen Bezügen. Hier ist keine sachbezogene, konstruktive Argumentation zu erwarten. Die Videos sind in der Regel manipulativ und nutzen eine gegen die Demokratie gerichteten Argumentation, auch wenn einzelne Aussagen vielleicht schlüssig erscheinen. Ihr Ziel ist Zerstörung der Demokratie, Spaltung der Gesellschaft, Bombardierung des gesellschaftlichen Friedens und der Solidarität. Das bringt niemand weiter.
  • Wer einen rechtsextremen oder verschwörungsideologischen Kanal teil, wird als Unterstützer*in des rechtsextremen oder verschwörungsideologischen Gedankenguts wahrgenommen. Also: Nicht machen, wenn sie nicht als rechtsextrem und/oder verschwörungsideologisch wahrgenommen werden wollen.
  • Bitchute ist, vor allem in Deutschland, eine Ausweichplattform für rechtsextreme und demokratiefeindliche Akteur*innen, die vor allem dann genutzt wird, wenn die Akteur*innen auf YouTube so oft gegen die Nutzungsregeln verstoßen haben, dass sie dort gesperrt werden. Wer sich nicht rechtsradikal verortet: Lieber keine Links zu Bitchute-Kanälen teilen.
  • Dies gemeinsam im Familien- oder Freundeskreis durchzugehen und zu recherchieren ist gelebt Medienkompetenz-Erziehung. Danke.

Das Problem ist doch, dass Deutschland immer noch nicht souverän ist und hat keinen Friedensvertrag hat.

Wenn dieses Diskussionsniveau erreicht ist, haben Sie es vermutlich mit einer Person, die schon tiefer in Verschwörungsideologien gerutscht ist. Wenn sie trotzdem noch diskutieren wollen: Fragen Sie nach den Bedürfnissen, die solche Aussagen befriedigen sollen: Was wird denn dann anders, wenn Deutschland den angeblich fehlenden Friedensvertrag bekommt? Welchen Kriegszustand erlebst Du im Moment? Wer in dieses Thema einsteigen möchte, kann nur versuchen, die Bedürfnislagen dahinter zu verstehen. Dann lassen sich vielleicht Wege finden, diese Bedürfnisse anders zu befriedigen.

Es ist Weihnachten. Grenzen setzen!

Keiner*r hat ein Recht auf die Verbreitung von Ressentiments zu jeder Gelegenheit. Es gibt auch kein Recht darauf, dass Menschen dem zuhören müssen. Das heißt: Niemand muss ein schlechtes Gewissen haben, wenn die eigenen Grenzen erreicht sind. Sie wollen ihr Weihnachtsessen in Ruhe und Frieden begehen, ohne Schwurbeldebatten? Fordern sie genau das, ohne schlechtes Gewissen. Sie können die Debatte zu einem anderen Zeitpunkt fortführen, wenn sie (noch) sinnvoll erscheint. Und wenn die anderen Menschen am Tisch nicht auf Ihren Wunsch eingehen? Dann können Sie auch aufstehen und gehen. Vielleicht hilft das anderen dann doch noch bei der Positionierung. Oder befreit Sie zumindest aus einer freudlosen Situation und macht ihre Festtage wieder froher.

 

Autorin: Simone Rafael
Inhaltliche Beratung: Melanie Hermann

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Die Broschüre „Vernunft in der Krise“  der Amadeu Antonio Stiftung behandelt ebenfalls viele Argumentationen:

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