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Atlanta Acht Tote nach rassistischem und frauenfeindlichem Anschlag

Vor dem Club "Gold Spa" haben Trauernde nach dem rassitischen und frauenfeinlichen Attentat Blumen und Schilder abgelegt. (Quelle: W.F. Thomas)

Gegen 17 Uhr schießt der Täter im Wellnessclub „Young’s Asian Massage“ in einem Vorort von Atlanta um sich und tötet vier Frauen, ein Mann wird verletzt. Etwa eine Stunde später findet die Polizei drei weitere Leichen im Club „Gold Spa“. Auf der anderen Straßenseite im „Aromatherapy Spa“ wird noch eine Frau erschossen.

Noch am selben Abend nimmt die Polizei den mutmaßlichen Täter 250 Kilometer weiter südlich fest. Der 21-jährige Mann wollte offenbar in Richtung Florida fliehen und auf dem Weg weitere Menschen ermorden. Den Ermittler*innen sagte er offenbar, dass sein Motiv Sexsucht war. Demnach wollte er Frauen töten, um nicht von ihnen in Versuchung geführt zu werden. Ein rassistisches Motiv habe er keines.

Das erscheint jedoch unglaubwürdig, sind seine Opfer doch fast ausschließlich asiatisch gelesene Frauen. Seit dem Beginn der Pandemie im vergangenen Jahr sind die Zahlen zu antiasiatischem Rassismus in den USA massiv gestiegen. Zwischen März 2020 und Februar 2021 gab es über 3.000 verbale und körperliche Angriffe. Das ist ein Anstieg von fast 2000 Prozent. Dazu beigetragen hat auch Ex-Präsident Donald Trump, der das Coronavirus immer wieder als „China-Virus“ oder „Kung Flu“ bezeichnete.

Laut CNN war der mutmaßliche Täter wegen Sexsucht in therapeutischer Behandlung, sei aber auch sehr religiös gewesen. In der Selbstbeschreibung seines mittlerweile gelöschten Instagramkanals stand: „Pizza, guns, drums, music, family, and God. This pretty much sums up my life. It’s a pretty good life.“ Der Täter und seine gesamte Familie gehören zur „Crabapple First Baptist Church“, einer evangelikalen Kirche in Georgia. Offenbar handelt es sich dabei um eine Gruppierung mit fundamentalistischen Ansichten gegenüber Frauen und Feminismus. In mehreren Videos der Kirche war der Täter zu sehen, mittlerweile wurden die Videos allerdings gelöscht. Newsweek berichtet, dass er noch im September 2020 eine Predigt des Priesters Jerry Dockery angehört hat, der davon sprach, dass „radikaler Feminismus” wie ein „Tsunami” unsere „Kultur” wegspüle und dass die Menschheit Werbung für die Ziele Satans mache.

Viel von dem was bisher bekannt ist, spricht für einen antifeministischen und rassistischen Hintergrund der Tat. Der mutmaßliche Täter macht Frauen für sein eigenes Elend verantwortlich, seine Opfer sind hauptsächlich asiatisch gelesene Frauen, die er mit Sexarbeit assoziiert. Dazu kommt offenbar ein fundamentalistisches Umfeld frauenfeindlicher und reaktionärer Prägung. Die Motive des Täters können einen Einfluss auf das Strafmaß haben, „Sexsucht“ fällt nicht unter „Hate Crime“, die Morde wären also nicht wegen rassistischer oder frauenfeindlicher Motive geschehen. Die Strafe könnte deswegen geringer ausfallen.

Das „Aromatherapy Spa“ gegenüber vom „GoldSpa“: Dort wurde eine Frau erschossen. (Quelle: W. F. Thomas)

Einige Beobachter*innen sehen einen Zusammenhang zur Incel-Szene, also Männern die „unfreiwillig zölibatär“ leben und Frauen und den Feminismus dafür verantwortlich machen. Incels haben mehrere tödliche Attentate verübt, in der Szene werden die Täter als Helden verehrt. In den Incel-Foren und Messageboards existiert ein explizit rassistisch-frauenfeindliches Narrativ: Asiatischstämmige Frauen würden sich für Aufenthaltsgenehmigungen oder aus finanziellen Gründen weißen Männer an den Hals werfen. Dadurch würden sie nichtweiße Kinder bekommen, die aufgrund vermeintlich asiatischer Gene nicht groß genug würden, um auf Frauen attraktiv zu wirken und deshalb zu einem Leben im Incel-Dasein verdammt würden.

In den Incel-Foren ist man sich mehr oder weniger einig. Die User auf „incel.co“, einem der wichtigsten Foren der Community, betrachten den Anschlag als „False Flag“-Aktion, um Incels zu schaden. Jemand anders hätte demnach also den Anschlag geplant und durchgeführt. Andere behaupten, dass asiatische Frauen ohnehin nicht zu bedauern seien.

Im rechtsextremen Teil des Imageboards 4chan, treffen sich Verschwörungsideologien, Rassismus, Antisemitismus und Frauenhass. Hier wird behauptet der Täter sei auf Grund seines Aussehens Jude. Auch hier glauben viele User, dass es sich um eine False Flag-Aktion gehandelt habe. Der Anschlag diene dem Ziel, die Waffengesetze zu verschärfen. Ohnehin würde antiasiatischer Rassismus hauptsächlich von Schwarzen ausgehen, nicht von Weißen, auch davon solle die Tat ablenken.

Tatort: Das „GoldSpa“ in Atlanta, Georgia. (Quelle: W. F. Thomas)

Bedauern über die Tat oder Trauer um die Opfer gibt es hier nicht. Der Täter erhält Sympathie oder auch Hohn wegen seines Aussehens. Die User zeigen sich in in zynischer und menschenverachtender Hochform. Sie kritisieren höchstens, dass — angebliche — Sex-Arbeiterinnen ermordet wurden, deren weitere Ausbeutung Profite generiert hätte.

Ausgerechnet in Deutschland haben Verschwörungsgläubige aus dem Q-Umfeld eine weitere Erklärung für den tödlichen Anschlag gefunden. Die Selbstbeschreibung des Täters auf Instagram ist hier das entscheidende Indiz: „Pizza, guns, drums, music, family, and God.“ Sobald jemand in der Öffentlichkeit von Pizza spricht, ist das laut den Q-Jüngern ein Hinweis auf Kindesmissbrauch und den angeblichen „tiefen Staat“. Die Idee geht auf „Pizzagate“ zurück. Während des US-Wahlkampfs 2016 wurde zunächst auf den Internetseiten Reddit und 4chan behauptet, dass Hillary Clinton im Zentrum eines Pädophilie-Rings stehe, der aus dem Keller der Washingtoner Pizzeria „Comet Ping Pong“ operiere. Obwohl diese Theorien nicht unbedingt glaubwürdig erscheinen und von renommierten Zeitungen auseinander genommen wurden, wurde „Pizzagate“ zum Thema. Am 4. Dezember 2016 stürmte schließlich der 28-jährige Edgar Welch in das Restaurant und schoss um sich. Er wollte die versteckten Kinder aus dem Keller befreien. Gefunden wurden weder entführte Kinder noch ein Keller. Welch befindet sich in Haft. Dass nun auch der Mörder von Atlanta von Pizza spricht, ist für die „Q“-Gemeinde kein Zufall.

Ein Denkmal am „GoldSpa“ für die Todesopfer. (Quelle: W. F. Thomas)

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Hass auf Frauen Wie die Incel-Community sich immer weiter radikalisiert

Schon mehrmals haben Incels – Männer, die glauben durch Feminismus würde ihnen Sex vorenthalten – tödliche Anschläge verübt. Doch mit der Radikalisierung ist es noch lange nicht vorbei. In immer extremeren Foren werden Pädophilie und Attentäter verherrlicht.

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