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Attentäter von Norwegen Nationalistischer Islamfeind tötet 77 Menschen

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B. schoss 90 Minuten lang auf die Jugendlichen von 16 bis 21 Jahren. Dabei kamen 77 Menschen ums Leben. Laut Augenzeugenberichten bejubelte er jeden seiner Schüsse. Die Zahl der bei dem Doppelanschlag getöteten Menschen könnte noch steigen, da noch Schwerverletzte in Krankenhäusern behandelt werden und unklar ist, ob alle Toten geborgen worden waren. Einige Jugendliche hatten versucht, über das Meer von der Insel zu fliehen. Unklar ist noch, ob es einen zweiten Täter gegeben hat.

Der Täter: Islamfeind, Nationalist

Anders Behring B. wurde auf der Insel von der Polizei festgenommen. Er gestand der Polizei, als sei es sein Plan gewesen, zum Helden der rechtsextremen Norweger zu werden. Nach Angaben der Polizei haben die Taten einen rassistischen und islamfeindlichen Hintergrund. Ziel seines Anschlags waren dementsprechend Personen, die er als ?politische Feinde? definierte. Eine auf den Namen des Verdächtigen registrierte Facebook-Seite wurde bereits am späten Freitagabend aus dem Netz genommen. Ein unter seinem Namen geführter Twitter-Account weist nur eine einzige Nachricht auf, in der er am 17. Juli den englischen Philosophen John Stuart Mill zitiert: Eine Person mit Glauben hat so viel Kraft wie 100.000, die nur Interessen haben.

Offenbar hat der Täter auf verschiedene Art und Weise Kontakt zur rechtsextremen Szene Norwegens gehabt. Nach Medienberichten diskutiere er etwa seit 2009 im Internet-Forum „Nordisk?, in dem 22.000 registrierte Nutzer Themen wie „weiße arische Macht“ und politische Strategien zur Bekämpfung der Demokratie besprechen. Dabei äußerte er sich als Rechtsnationaler und ?Multi-Kulti-Hasser?. Nach den Angaben von Expo soll er „wesentlich radikaler“ als bisher angenommen in der rechtsradikalen Szene aktiv gewesen sein. Auch soll er als Mitglied bei der rechtspopulistischen Fortschrittspartei (norweg.: Fremskrittsparti, Frp) aktiv gewesen. Anders Behring Breivik. hatte sich im Jahr 1999 bei der Partei angemeldet und bezahlte bis 2004 regelmäßig Beiträge. 2006 wurde er nach Angaben der Aftenposten aus der Mitgliederdatei gestrichen. Zudem habe er sich bei der Jugendorganisation Fremskrittspartiets Ungdom (FpU)) engagiert ? und zwar in den Jahren 1997 bis 2007. Dort war er auch als Funktionär aktiv.

Auf seinem Facebook-Profil hatte B. angegeben haben, er sei konservativ, christlich, Jäger, Video-Spieler, Freimaurer. Anders Behring B. hatte sein Facebook-Profil am 17. Juli 2011 angelegt, keine vier Tage vor dem brutalen Massaker. Es ist eine Visitenkarte, passgenau und termingerecht veröffentlicht. Der Täter wollte, dass sie gelesen und sein politischer Hintergrund wahrgenommen wird. Inzwischen ist das Facebook-Profil vom Netz genommen.

Bezeichnenderweise für die aktuelle Stimmung in Europa waren vor Bekanntwerden von Details zum Täter sämtliche Medien von mutmaßlich islamistischen Terroristen ausgegangen. Auf übelste Art und Weise belegt nun das Attentat von Norwegen die Gefährlichkeit der rechtsextremen Menschenverachtung.

So reagiert die rechtsextreme Szene in Deutschland

Die rechtsextreme Szene in Deutschland sorgt sich in ihren Diskussionsforen und Profilen in sozialen Netzwerken derweil einzig und allein um sich selbst. Sie befürchten, dass die ?Bessermenschen? nun die Tat nutzen könnten, um gegen Neonazis vorzugehen. Übrigens ist aus Nazi-Sicht – bislang – der Täter keiner von ihnen! Auf der Facebook-Pinnwand von NPD-Bremen-Funktionär Jens Pühse greifen die Neonazis in die Verschwörungstheorienkiste. Es sei möglicherweise eine ?typisch geheimdienstliche False-Flag-Operation, um überfremdungs- und islamkritische Kreise europaweit zu diskreditieren?, schreibt ein User. Und wer könnte das sein, außer der israelische Geheimdienst, der Mossad – wie dann auch etliche Kommentatoren auf dem rechtsextremen Blog ?Altermedia? gemäß ihrer antisemitischen Ideologie hetzen. Da fragt sich die Leserin, wann und ob dies wohl in Begeisterung umschlägt. „Oklahoma-Attentäter“ Timothy McVeil besitzt etwa in der rechtsextremen Szene Kultstatus. Mit seiner Opferzahl werden in der Neonazi-Szene T-Shirts bedruckt: „1:164“. Der Autor des Artikels zum Attentat auf ?Altermedia? demonstriert derweil seine Menschenverachtung und titelt: ??Abt. Schlimmer Finger: Gewalttätiger Anti-Sozialdemokratenprotest in Norwegen? und schreibt etwa in einem Kommentar zu den Opfern des Anschlags: ?Kommt davon wenn man sich in schlechte Gesellschaft begibt. Die Gören können sich dafür ja bei ihren roten Eltern bedanken ? oder bei der zuständigen Freimaurerloge.?

Mehr im Internet:

| FTD
| NPD-Blog
| Primvera24.de
| Spiegel.de
| ZEIT

Ergänzung vom 24.07.2011

Inzwischen ist bekannt geworden, dass der Täter vor der Tat ein 1516-seitiges Manifest an seine rund 7.000 Facebook-Freundinnen und -Freunde geschickt hatte, dass offenbar seine Motivation und Vorbereitungen für das Attentat schildert. Er träumte von einem neuen Europa ohne Multikulturalität und wollte für dessen Realisierung rund 45.000 Tote in Kauf nehmen, berichten u.a. Inspiriert wurde er u.a. von islamfeindlichen Argumenten aus aller Welt – auch aus Deutschland Berliner Morgenpost und Süddeutsche.

Der Störungsmelder unterhält sich mit einem Experten über die rechtsextreme Szene Norwegens und die Frage, ob die Tat wirklich so überraschend kam.

Ergänzungen 25.07.2011

Neuigkeiten zum Attentat von Norwegen
(netz-gegen-nazis.de berichtete)

Der Attentäter

Anders Behring Breiviks Anschlag war langfristig geplant. So lebte er unter anderem als Gemüsebauer, um sich legal große Mengen an Dünger für den Bombenbau besorgen zu können. Seine islamfeindliche und gewalttätige Ideologie verbreitete er im Internet. Der Täter will sich ab heute vor Gericht öffentlich ausbreiten, seine Motivation ausbreiten und dabei eine Uniform tragen. Probleme bei der Einordnung der Tat bietet die politische Ausrichtung des Täters: Er ist der erste Attentäter aus einem islamfeindlich-konservativ-fundamental-christlichen Umfeld (Welt, Spiegel online, BILD, F.A.Z.).

Die Opfer

Die Zahl der Opfer hat sich inzwischen auf 93 erhöht. Mindestens vier Menschen sind noch vermisst und werden gesucht. Unter den Ermordeten ist auch der Stiefbruder der norwegischen Prinzessin Mette-Marit, der sich privat im Ferienlager aufhielt und erschossen wurde, als er seinen zehnjährigen Sohn schützen wollte (Spiegel online).

Deutsche Politiker im Visier? Kontakt zur deutschen Nazi-Szene?

In dem Manifest, das Anders B. Breivik kurz vor der Bluttat im Internet veröffentlichte, ist auch die Rede von Bundeskanzlerin Merkel (CDU). Er nennt sie als Teil der „kulturellen Marxisten“, „selbstmörderischen Humanisten“ und „kapitalistischen Globalisten“, die er als seine Feinde sieht – wie die SPD, Linke und Grüne in seinem Manifest. Aktuell untersucht der Verfassungsschutz, ob der Attentäter Verbindungen zur Hamburger Nazi-Szene hatte (Welt, rtl, Augsburger Allgemeine).

Die Gefährlichkeit des Rechtspopulismus in Europa

Der Anschlag eines mutmaßlichen Rechtsextremen in Norwegen rückt die paramilitärische Szene in Europa in ein neues Licht. Die Entschlossenheit der islamfeindlichen Rechten wächst (Welt).

Rechtsextremismus in Norwegen

Anders Behring Breivik hat sich vor dem Doppelanschlag im Internet in rechtsextremen Foren verbreitet. Der schwedische Fachjournalist Daniel Poohl hält den Attentäter nicht für einen Neonazi – er ist vielmehr Teil einer ungleich ausgeprägteren anti-muslimischen Bewegung in Norwegen. (Süddeutsche, kanal 8, Störungsmelder).

Und in Deutschland?

Könnte so eine Anschlag natürlich auch geschehen – auch wenn der Verfassungsschutzbericht 2010 noch meint: „Auch 2010 waren in Deutschland keine rechtsterroristischen Strukturen feststellbar.“ (mz-web.de).

Kommentar der „Jungen Freiheit“ zum Attentat von Norwegen: Nun würde ein „christlich-konservativer Terrorist“ konstruiert

Normalerweise kommt die neurechte Zeitung „Junge Freiheit“ hier nicht in die Presseschau. Diesmal muss es allerdings zu dokumentarischen Zwecken sein: Denn wie der Autor Fabian Schmidt-Ahmad in seinem Kommentar anlässlich des Attentats in Norwegen über den Reichstagsbrand in der Nacht vom 27. auf den 28. Januar 1933 zu seiner Kernthese kommt, nun würde ein „christlich-konservativer Terrorist“ konstruiert. Schmidt-Ahmad stellt über das Facebook-Profil des Attentäters fest: „Mit anderen Worten: es hätte auch mein Steckbrief sein können.“ Das bringt ihn allerdings nicht zum Nachdenken über die Inhalte seiner Überzeugungen, sondern zum Klagen: „Die kolportierte Lüge vom ?Extremismus aus der Mitte der Gesellschaft?, jetzt ist sie endlich wahr geworden.“ Ähnlich argumentieren auch Neonazis in einschlägigen Foren, die sich selbst nun als – natürlich zu Unrecht – „verfolgt“ ansehen, weil einer von ihnen 93 Menschen ermordet. Dementsprechend klingt Schmidt-Ahmads Schlusssatz „Der Schrecken dieser furchtbaren Tragödie dürfte nur der Auftakt gewesen sein“ wie eine Drohung.

Ergänzung vom 26.07.2011

Attentate von Norwegen: Opferzahl auf 76 korrigiert

Die Polizei hat die Zahl der Opfer nun mit 76
nach unten korrigiert. Hunderttausende demonstrieren am Montag in Oslo dafür, trotz der Attentate Norwegens offene demokratische Kultur zu behalten (Zeit.de).

Attentäter kommt acht Wochen in Untersuchungshaft

Der Attentäter Anders Behring Breivik wurde derweil dem Gericht vorgeführt – entgegen seinem Wunsch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Er gab den kaltblütigen Mord an 76 Menschen zu, betonte aber, dass er sich nicht schuldig bekenne, weil er sein Handeln für richtig halte. Er kommt nun für acht Wochen in Untersuchungshaft, die Hälfte in kompletter Isolation von der Außenwelt. Vor Gericht sagte er aus, er habe mit den beiden Anschlägen „ein kräftiges Signal“ an das Volk geben, der sozialdemokratischen Arbeiterpartei größtmöglichen Schaden zufügen wollen. Sie sei für die massenhafte Einwanderung von Muslimen verantwortlich und habe dafür bezahlen müssen (spiegel.de, (2), Video zur Motivation des Täters).

Skandinavische rechtspopulistische Parteien: Alles Opfer

Dass die rechtspopulistische Szene in Deutschland sich als unschuldige Opfer der Attentate sieht, berichtete netz-gegen-nazis.de gestern. Die taz hat sich bei den skandinavischen rechtspopulistischen Parteien umgehört, der norwegischen „Fortschrittspartei“, den „Schwedendemokraten“ und den „Wahren Finnen“. Und auch die sehen sich als „unschuldige Opfer“.

Ein sehr lesenswertes Interview zum Rechtspopulismus in Europa von seinen Anfängen rund um den 11. September 2001 bis zu den Anschlägen von Norwegen mit Anton Maegerle gibt es auf tagesschau.de.

Kommentare und Exegese

Bedenkenswerter Kommentar in der taz zur Beliebtheit der „Einzeltäter“-Rhetorik: „Es ist einfach, zu behaupten, Breivik sei ein einsamer Spinner. Konservativen Medien möchten sich ihre islamophoben Erklärungsmuster nicht nehmen lassen und etikettieren den Massenmord von Norwegen mit Verve zur unpolitischen Tat eines Wahnsinnigen um.“

Meinungsstarker Blogtext über den Unterschied von Islamkritik und islamfeindlicher Hetze www.exmuslime.at: „Der wahre Rassist ist immer auch ein Faschist. Seine ablehnende Haltung allem Fremden gegenüber ist immer da. Wenn es einen Grund gibt Kritik zu üben ist er der Erste. Wenn es keinen Grund gibt, dann erfindet er diesen Grund. Als Erster; um weiter zu schimpfen. Der Rassist ist meist auch ein Nationalist. Sein Fremdenhass ist ideologisch begründet und mit Argumenten und unzähligen Gegenbeispielen an positivem Verhalten vieler Ausländer nicht zu mildern. Jeder positive Fall ist für ihn ein Einzelfall.“

Und das Migizin betrachtet den Reflex der deutschen Medien, die Attentate sofort islamistischen Tätern zuschreiben zu wollen – obwohl etwa im Jahr 2010 in der EU von 249 verübten Terroranschlägen lediglich drei von islamistischen Terroristen begangen wurden.

31.07.2011

Die Polizei gibt die endgültige Opferzahl mit 77 an.

Den weiteren Ermittlungs- und Berichterstattungs-Stand finden Sie

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Was früher „Ausländer raus“ war, ist heute pauschale Islamkritik

Pauschale Verunglimpfung von Muslime, Schweineköpfe auf dem Gelände von Moscheen und gar ein versuchter Bombenanschlag auf ein muslimisches Gebetshaus: Spätestens mit dem Einzug der AfD im Bundestag hat sich antimuslimischer Rassismus in Deutschland etabliert. Expert_innen warnen vor steigendem Hass gegen Muslime.

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