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Attentat auf schwedische Fußballfans in Brüssel Terror angetrieben von Islamfeindlichkeit und Desinformationen

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Blumen liegen vor dem Gebäude in Brüssel, vor dem zwei schwedische Fußballfans von einem islamistischen Terroristen erschossen wurden. (Quelle: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Martin Meissner)

In Brüssel hat ein islamistischer Terrorist zwei schwedische Fußballfans erschossen – eine Folge von öffentlichkeitswirksamen Koranverbrennungen und einer anschließenden Kampagne in islamischen Ländern und Communitys, die Schweden als Speerspitze der Islamfeindlichkeit erscheinen lässt.

Am 16. Oktober 2023 wurde die belgische Hauptstadt Brüssel Schauplatz eines Terroranschlages. Zwei schwedische Fußballfans, die für ein EM-Qualifikationsspiel zwischen Schweden und Belgien in Brüssel waren und durch ihre Bekleidung als Schweden-Fans zu erkennen, wurden vom Attentäter gezielt erschossen. Beide Opfer sind schwedischer Herkunft, einer der beiden Männer lebte aber in der Schweiz.

Der Täter, ein 45-jähriger Tunesier, der als Asylsuchender in Belgien abgelehnt worden war und entsprechend illegal in Belgien lebte, veröffentlichte zur Tat Videos in Sozialen Netzwerken, in denen er auf Arabisch angab, er sei zu seiner Tat von der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ inspiriert worden. Allerdings stand die Tat in keinem Zusammenhang mit aktuellen weltpolitischen Ereignissen, wie etwa dem Terror der Hamas und der Gewalt gegen Jüdinnen*Juden auch in Europa.

Der Täter gab an, gezielt Schweden als Opfer ausgesucht zu haben. Denn Schweden sei das Land der Koranschändungen, und die Tat sei eine Vergeltung dafür. Der Koran sei „eine rote Linie, für den er bereit sei, sich selbst zu opfern“, soll der Mann demnach erklärt haben.

Der belgische Justizminister Vincent van Quickenborne musste nach der Tat bekannt geben, dass der jetzige Attentäter bereits 2016 einer „ausländischen Polizeibehörde“ als mutmaßlich radikalisierungsgefährdet aufgefallen war – allerdings hatte eine behördliche Überprüfung in Belgien nichts Näheres ergeben als ein islamistisches Social-Media-Profil und die Aussage, er wolle in den Dschihad ziehen. Das käme aber öfter vor: „Solche Informationen gibt es zuhauf.“ 2019 beantragte der jetzige Terrorist Asyl in Belgien, im Oktober 2020 wurde dieser Antrag abgelehnt – und der Mann verschwand samt Frau und Tochter vom Radar der Behörden, die nicht mehr wussten, wo er sich aufgehalten habe. Der Attentäter lebte im Brüsseler Stadtteil Schaerbeek. Hier wurde er am Abend des 17. Oktober 2023 am Tag nach der Tat in einem Café erkannt und beim Versuch der Verhaftung von der Polizei erschossen (vgl. taz).

Koranverbrennungen in Schweden

Offenbar hatte sich der Täter schwedische Opfer ausgesucht, weil Schweden nach mehreren Koranverbrennungen in islamischen Ländern und Communitys als eines der islamfeindlichsten Länder Europas präsentiert wird.

Tatsächlich ist in Schweden die islamfeindliche Praxis der Koranschändungen oder Koranverbrennungen überraschend weit verbreitet, seit der Gesetzesparagraf, der Blasphemie unter Strafe stellte, 2017 abgeschafft wurde. Den Anfang machte die extreme Rechte, bekannt ist etwa der dänisch-schwedische Rechtsextreme Rasmus Paludan, der immer wieder öffentlichkeitswirksam Koran-Kopien zerstört oder verbrennt (vgl. Belltower.News). Der Vorsitzende der in Dänemark aktiven, aber bedeutungslosen Partei „Stram Kurs“ sucht Aufmerksamkeit für seinen Islamhass über Social Media: Er verbrennt Koran-Kopien, bisweilen eingewickelt in Schweinespeck, mit dem erklärten Ziel, Muslim*innen zu Gewalttaten zu reizen, um damit zu demonstrieren, dass „der Islam“ eine Gefahr sei und Muslim*innen eine Migration verweigert werden sollte.

Islamfeindlichkeit soll Muslim*innen provozieren

2020 verhängte der schwedische Staat ein Einreiseverbot gegen Paludan, der aber auch die schwedische Staatsbürgerschaft besitzt und dagegen klagte. 2022 tourte Paludan durch Schweden und verbrannte dabei öffentlich mehrere Korane, was zu gewalttätigen Gegendemonstrationen führte (vgl. FAZ). Im Januar 2023 zündete Paludan einen Koran vor der türkischen Botschaft in Stockholm an. Dies führte zu diplomatischen Verwicklungen. Die Türkei blockierte unter anderem deshalb die Aufnahme Schwedens in die NATO, inzwischen stimmte sie aber zu (vgl. KSTA). Außerdem zündete er, auch im Januar 2023, einen Koran vor einer Moschee in Kopenhagen an – weshalb in diesem Fall der dänische Außenminister sich in der Türkei rechtfertigen musste (vgl. RP).

Inzwischen gibt es aber auch weitere Koranverbrennungen durch einen nach Schweden geflüchteten Iraker, Salwan Momika, der im Juni 2023 einen Koran vor der Großen Moschee in Stockholm verbrannte. Als der Mann im Juli 2023 eine erneute Protestaktion vor der irakischen Botschaft in Stockholm anmeldete und genehmigt bekam, wurde die schwedische Botschaft in der irakischen Hauptstadt Bagdad von Anhänger*innen des Schiiten Führers Moktada Satr in Brand gesetzt (vgl. taz).

Desinformationen auf Social Media

Aus den Ereignissen entstand auf Social Media eine Desinformationskampagne, die möglicherweise auch von Akteuren wie Russland und dem Iran befeuert wurde. Sie erweckte den Anschein erweckte, in Schweden würden auch die Regierung und die Bevölkerung die Koranverbrennungen gutheißen – was nicht der Fall ist – und auch selbst täglich und aktiv blasphemisch gegen den Koran agieren. Dabei haben sich große Teile der schwedischen Bevölkerung dafür eingesetzt, dass die Koranverbrennungen per Gesetz verboten werden sollen. Allerdings haben sich die Regierung und der Justizapparat auch dazu entschieden, dieses Gesetz nicht einzuführen und mehr die Wichtigkeit einer Meinungsfreiheit betont, die Koranverbrennungen einschließe. Auch die bestehenden Möglichkeiten der Strafverfolgung wurden nicht ausgenutzt.

Dazu gibt es in vielen muslimisch geprägten Ländern eine Desinformationskampagne über die schwedischen Sozialbehörden, die auch der Attentäter auf Social Media teilte: Sie würden muslimische Kinder „kidnappen“. Hintergrund ist ein einziger Fall, in dem die Kinder einer Familie auf gerichtliche Anordnung aus der Familie genommen wurden, weil ein Elternteil psychisch erkrankt war und der andere Elternteil nicht für den Schutz der Kinder sorgen konnte. Auf Social Media klang es allerdings, als wäre das eine übliche und ständige Praxis, auch ohne Gründe.

Die extreme Rechte hetzt gleich weiter

Demokratieinitiativen und Anti-Rechtsextremismus-Initiativen haben bereits seit Jahren darauf hingewiesen, dass die Koranverbrennungen und die begleitenden Verstärkungskampagnen, gepaart mit der Tatlosigkeit der Behörden, zu Gewalt gegen Schwed*innen führen könnten. Dies sei aber sowohl von Behörden als auch von Rechtsextremen als utopisch zurückgewiesen worden.

Rechtspopulistische und rechtsextreme Politiker*innen nutzen nun bereits die Ereignisse von Brüssel, um wieder islamfeindlichen Hass zu verbreiten, berichte das antifaschistische Magazin Expo. So verbreiteten etwa Abgeordnete der rechtsradikalen Schwedendemokraten (SD) nicht etwa Trauer um die Opfer, sondern Aggressionen gegen Personen und Gruppen, die mit dem Anschlag nichts zu tun hatten. Richard Jomshof, Spitzenpolitiker der Schwedendemokraten und Vorsitzender des Justizausschusses, nutzte etwa die Gelegenheit, um einmal mehr kollektiv Muslime und den Islam für die Taten des Brüsseler Terroristen verantwortlich zu machen.

Niclas Nielson vom Expo-Magazin schreibt: „Die Zurückdrängung von Gewalt und die Verhinderung von Terrorismus erfordern durchdachte Strategien, Analysen und rationale Entscheidungen. Was die extreme Rechte stattdessen tut, ist, den Fokus vom eigentlichen Ereignis und seinen Ursprüngen abzulenken und unschuldigen Menschen die Verantwortung zuzuschieben. Sie hetzen Menschen gegeneinander auf, mit dem Ziel, Konflikte und Spaltungen zu verschärfen, anstatt sie zu bewältigen und zu lösen. Dies ist etwas, das Terroristen zu schätzen wissen und oft als erklärtes Ziel verfolgen.“

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