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Attentat in Russland Wer instrumentalisiert den Tod von Darja Dugina?

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Darja Dugina besuchte das besetzte Asow-Stahlwerk in der Ukraine. (Quelle: Telegram, Screenshot BTN)

Am 20. August 2022 explodiert ein Sprengsatz am Toyota Land Cruiser der Familie Dugin. Er tötet die im Auto sitzende Darja Dugina, aber viele Beobachter*innen waren sich einig: Der Anschlag habe eigentlich ihrem Vater Alexander Dugin gegolten. Der hatte sich in letzter Minute für ein anderes Fahrzeug entschieden.

Wem galt das Attentat?

Der 60-jährige Alexander Dugin ist ein bekannter russischer Philosoph und Publizist. Die Welt bezeichnete ihn als Russlands Verbindungsmann zu europäischen Rechten wie FPÖ, AFD, Lega Nord und Rassemblement National. Er vertritt neofaschistische, radikal antiwestliche, antiliberale und esoterische Positionen. Über internationale Netzwerke propagiert er das geopolitische Konzept eines „Neo-Eurasismus“. Sein Ziel ist die gewaltsame Errichtung eines großrussischen Reichs, das in Opposition zu den Vereinigten Staaten stehen soll.

Deutsche Medien nennen den Russen oft „Putins Gehirn“ oder seinen „Chefideologen“. Dabei war Dugin nie Teil von Putins innerem Kreis. Sein Einfluss auf den Kreml sei begrenzt, sagen Expert*innen. Nichtsdestoweniger gehört Dugin zu den wichtigsten Vordenkern und Ideengebern der extremen Rechten, insbesondere in Europa.

Inzwischen wird jedoch nicht mehr ausgeschlossen, dass die weniger bekannte Darja Dugina selbst ins Visier der Attentäter*innen geraten sein könnte. Sie war nicht nur die rechte Hand und Pressesprecherin ihres Vaters, sondern trat zuletzt auch selbst als vehemente Unterstützerin des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine auf.

Die USA sanktionierten sie im März 2022 als Chefredakteurin der Website United World International. Das Portal gehört mutmaßlich dem Putin-Verbündeten und Leiter der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin. Monate später setzte auch Großbritannien Dugina auf die Sanktionsliste, weil sie maßgeblich zur Online-Desinformation über die russische Invasion beigetragen habe. Sie selbst stellte sich als „eine gewöhnliche Journalistin“ dar, die kein Vermögen habe.

Posthum wurde sie nun von Putin als „Journalistin, Gelehrte, Philosophin und Kriegskorrespondentin“ gewürdigt, die „den Menschen und dem Vaterland ehrlich gedient und durch Taten gezeigt“ habe, was es bedeute, „eine Patriotin Russlands zu sein“. Zusätzlich verlieh er ihr den russischen Tapferkeitsorden.

Dugina war als Propagandistin umtriebig

Geboren wurde Darja Dugina 1992 in Moskau. Sie studierte an der Moskauer Universität Philosophie und spezialisierte sich auf die griechische Antike. In Anlehnung an Platon schrieb sie unter dem Pseudonym Darja Platonova nicht nur für United World International, sondern auch für den russischen Staatssender RT. Als Kommentatorin trat Dugina in weiteren regierungsnahen Medien auf, darunter Mash, Radio Komsomolskaya Pravda und Tsargrad-TV, das von Alexander Dugin selbst gegründet worden war.

Als sich im April 2022 die Beweise für russische Kriegsverbrechen im Kiewer Vorort Butscha zu häufen begannen, behauptete Dugina in einem Interview, dass das Abschlachten von Zivilist*innen inszeniert gewesen sei und die USA die Stadt ausgewählt hätten, weil der Name im Englischen wie butcher (englisch: Schlächter) klinge. Für eine propagandistische Dokumentation besuchte sie im Juni 2022 die besetzten Städte Donezk und Mariupol in der Ukraine. Im Anschluss sagte sie einem staatlichen russischen Radiosender, dass das Asow-Stahlwerk mit satanistischer, schwarzer Energie gefüllt gewesen sei. Ukrainer*innen bezeichnete sie als „Untermenschen“.

Darja Dugina war Co-Autorin des Sammelbandes Das Z-Buch über den Krieg gegen die Ukraine und Aktivistin für die Partei ihres Vaters, der ultranationalistischen Internationalen Eurasischen Union. Außerdem engagierte sie sich für das rechtsradikale Nachrichtenportal Katehon, das sich der Verbreitung der geopolitischen Ideen Dugins verschrieben hat. In einem dort erschienenen Artikel nannte sie etwa den französischen Präsidenten Macron „eine weitere Marionette der Rothschilds“, der die Interessen des Deep State vertrete und bereit sei, die „Neoliberale Weltordnung“ zu errichten.

Instrumentalisierungen und Ermittlungsstand

Jetzt ist Darja Dugina tot. Während international die Frage diskutiert wird, wer hinter dem Attentat steckt, hat Russland bereits eine Schuldige präsentiert. Zuvor hatte Ilja Ponomarjow, ein früherer Duma-Abgeordneter, ein Bekennerschreiben der bisher unbekannten russischen Partisanengruppe Nationale Republikanische Armee verlesen. Seine Glaubwürdigkeit wird jedoch auch von oppositionellen Beobachter*innen infrage gestellt. 

Laut dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB soll stattdessen eine ukrainische Staatsbürgerin, die angeblich dem Asow-Regiment angehöre, das Attentat im Auftrag des ukrainischen Geheimdienstes begangen und sich nach Estland abgesetzt haben. Das Untersuchungsergebnis präsentierte der FSB überraschend schnell nach eineinhalb Tagen. 

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Sowohl Mychajlo Podoljak, der Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, als auch das Asow-Regiment wiesen eine Beteiligung am Attentat von sich. Podoljak sagte bereits am Tag darauf: „Die Ukraine hat natürlich mit der gestrigen Explosion nichts zu tun, weil wir kein krimineller Staat sind – wie die Russische Föderation – und schon gar kein Terrorstaat.“ Auch Estlands Außenminister Urmas Reinsalu dementierte die Behauptung, wonach die angebliche Attentäterin in das baltische EU- und Nato-Land geflohen sei. Die Behauptung des FSB sei „eine Provokation der Russischen Föderation in einer sehr langen Reihe von Provokationen, und wir haben im Moment nichts mehr dazu zu sagen“, sagte er.

Für Sergej Sumlenny, Osteuropa-Experte und ehemaliger Vorsitzender der Böll-Stiftung in Kiew, ist die derzeit realistischste Möglichkeit, dass der FSB selbst oder andere kremlnahe Akteur*innen das Attentat unter falscher Flagge in Auftrag gegeben hätten. Er hält es sogar für möglich, dass Alexander Dugin seine eigene Tochter aus esoterischen Motiven geopfert haben könnte. In seinen Schriften lassen sich Hinweise für diese Theorie finden. Für ein ukrainisches Attentat seien dagegen weder Dugin noch seine Tochter ein naheliegendes Ziel gewesen. Auch der Historiker Juri Felschtinski sagte im Gespräch mit der Nachrichtenseite Daily Beast, dass der Anschlag auf Darja Dugina „anscheinend von russischen Sicherheitsdiensten organisiert“ worden sei.

Was sich zum aktuellen Zeitpunkt festhalten lässt: Es ist unklar, wer hinter dem Attentat steckt. An der Version, die der Kreml präsentiert hat, gibt es berechtigte Zweifel. Für die russische Propaganda und die extreme Rechte weltweit spielt das keine Rolle. Sie haben die angeblich Verantwortlichen noch schneller ausgemacht als der FSB: die Ukraine und der Westen. 

Rechtsextreme Reaktionen

Der Separatistenführer der selbst ernannten Volksrepublik Donezk, Denis Puschilin, machte wenig überraschend„Terroristen des ukrainischen Regimes“ für den Anschlag verantwortlich. Und auch Margarita Simonjan, eine Propagandistin des Staatssenders RT, beschuldigte die ukrainische Regierung.

Drei Tage nach Darja Duginas Tod fand in Moskau eine Trauerfeier statt, an der auch Alexander Dugin teilnahm. Schon einen Tag zuvor ließ er über seinen Vertrauten, den Oligarchen Konstantin Malofejew, auf Telegram ausrichten: „Unsere Herzen dürstet es nicht einfach nach Rache oder Vergeltung. Das wäre zu klein, nicht russisch. Wir brauchen nur unseren Sieg. Auf dessen Altar hat meine Tochter ihr mädchenhaftes Leben gelegt. Also siegt bitte!“ In seiner Trauerrede rief er dazu auf, nicht zu trauern, sondern zu kämpfen.

Für Pavel Lokshin, den Moskau-Korrespondenten der Welt, ist die Verleihung des Tapferkeitsordens an Darja Dugina ein Beleg dafür, dass auch Putin „diesen Mord instrumentalisieren will“. Die taz vermutet, dass der Mord „für eine weitere Radikalisierung in Teilen der russischen Elite sorgen“ dürfte.

Auch in Deutschland trauern Vertreter*innen der sogenannten Neuen Rechten um Darja Dugina – mal abgesehen von denjenigen Akteur*innen, die dem ukrainischen Asow-Regiment näherstehen. So wird die gefestigte Ideologin auch hierzulande als „Mädchen“ oder „Journalistin“ verharmlost. 

Immer wieder kommt es zu einer Täter-Opfer-Umkehr, bei der das Attentat als eigentlicher Akt der Aggression im Kontext des Angriffskriegs gegen die Ukraine gedeutet wird. Alexander Dugins Buch gegen den „Great Reset“ wird auf Telegram großflächig als PDF geteilt. Und bei all dem steht schon jetzt immer fest: Die Täter seien wahlweise „der Westen“ oder ukrainische Terrorist*innen die wiederum vom Westen finanziert würden.

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