?Ich bin zum ersten Mal bei einem Fußballspiel live im Stadion,? sagt Mariam, Schülerin am Barnim-Gymnasium in Berlin-Hohenschönhausen. Am Vortag waren die Schriftsteller Guy Lichtenstajn aus Israel und Moritz Rinke aus Deutschland noch an ihrer Schule zu Gast gewesen und hatten aus ihren Büchern vorgelesen. Jetzt stehen sich die Männer in den Trikots der jeweiligen Nationalmannschaften unten auf dem Rasen gegenüber.
Ein Zeichen gegen Antisemitismus
Die Idee, Schriftsteller und andere Kulturschaffende aus Deutschland gegen Schriftsteller-Teams aus außereuropäischen Ländern kicken zu lassen, entstand vor knapp neun Monaten im Kuratorium der DFB-Kulturstiftung. Man wolle dazu beitragen, „ein bisschen Frieden in die Region Israel-Palästina zu bringen,“ sagt DFB-Vizepräsident Karl Rothmund. Für ihn ist das Spiel auch ein wichtiges Signal gegen antisemitische Vorfälle wie die jüngste Schändung des jüdischen Friedhofs in Berlin-Weißensee. „Unsere Veranstaltungen demonstrieren, dass Deutschland in seiner überwältigen Mehrheit nicht antisemitisch ist“, betont Rothmund.
Außenminister als Schirmherr
Die Schirmherrschaft für das Spiel hatte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) übernommen. Das Projekt, das von den Schriftstellern selber initiiert wurde, gefiel ihm und passte darüber hinaus in die Lesereise „60 Jahre Israel ? Deutsch-Israelische Literatur im Auswärtigen Amt“, zu der er regelmäßig einlädt. In diesem Rahmen findet heute Abend um 19:30 Uhr im Deutschen Theater Berlin auch eine literarische Soiree statt. Für die Lesung aus aktuellen Texten wechseln die Autorenspieler der beiden Nationalteams dann wieder vom Trikot ins Hemd.
Während Mariam und ihr Mitschüler unruhig auf den Rängen hin- und herliefen, um DFB-Präsident Theo Zwanziger und „ihre Schriftsteller“ aus möglichst großer Nähe zu sehen, gab Steinmeier in seiner Eröffnungsrede auch gleich noch den korrekten Tipp zum Ausgang des Spiels ab: Er gehe davon aus, dass die deutschen Schriftsteller das Spiel gewinnen würden, so der Außenminister. Die trainieren allerdings auch schon seit 2005.
Ungleiche Teams
Das israelische Team gründete sich eigens für das heutige Spiel. Vor vier Monaten kam zum Beispiel der Autor und Verleger Tomer Kerman zur israelischen Mannschaft. Er spielte als Amateur bereits mit Freunden, als er von Kapitän Assaf Gavron angeworben wurde. Kerman ist zum ersten Mal in Deutschland und begeistert von Berlin. Seine Botschaft: „Jeder ist gleich, überall in der Welt“. Mitspieler Sönke Wortmann, Regisseur des Films „Das Wunder von Bern“ und Mitglied des Kuratoriums der DFB-Kulturstiftung findet es „super, dass heute Israel und Deutschland gegeneinander spielen“. Er sieht den Kulturaustausch als wichtigen Beitrag zur „besseren Verständigung“ zwischen beiden Staaten.
Aufholjagd in der zweiten Halbzeit
Stand es zur Halbzeit noch 3:0 für die deutschen Autoren durch Tore von Moritz Rinke, Kapitän Ralf Bönt ? der auch in der zweiten Halbzeit noch einmal traf – und Daniel Siemans, konnte die israelische Elf mit Treffern von Lior Sarti (68.) und Uri Sheradsky am Ende auf 4:2 verkürzen. „Es ist eine nette Idee, ein tolles Projekt“, sagt Zuschauer Schai Friedmann. Er hatte allerdings noch mehr Zuschauer erwartet. „Nächstes Mal müsste man mehr Marketing machen“, überlegt der 26-jährige Israeli, der seit zwei Jahren in Berlin lebt. Er hofft auf das nächste Freundschaftsspiel im Olympia-Stadion. Zuschauer Oliver K. aus Hohenschönhausen überlegt dagegen, welche Karriere er einschlagen soll: Fußballer oder Schriftsteller. „Aber vielleicht geht ja auch beides,“ sagt der 18-Jährige.
Zum Thema
| Wie Neonazis Fußball-Vereine unterwandern
| Fussball und Rassismus – neue Dimension der Gewalt von Holger Kulick
| Wie kann ich Neonazis daran hindern, sich in unserem Fanclub breit zu machen?
Weblinks