Ende des NSU-Prozesses
Der NSU-Prozess lief vom 6. Mai 2013 bis zum 11. Juli 2018 am Landgericht München, dann wurde nun endlich das Urteil gesprochen. Es brachte die erwartet hohe Strafe für Beate Zschäpe – lebenslange Haft – , aber auch ein enttäuschend geringes Strafmaß gegen André Eminger, eine der wichtigsten Personen im Umfeld des Kerntrios (2 Jahre und sechs Monate Haft). Die weiteren Mittäter vor Gericht erhielten Strafen dazwischen: Holger Gerlach muss 3 Jahre ins Gefängnis, Ralf Wohlleben wurde zu 10 Jahren Haft verurteilt, Carsten Schulze zu drei Jahren Haft.
Vor der Landtagswahl
Im Oktober wurde in Bayern ein neuer Landtag gewählt. Der „III. Weg“ und auch die NPD verzichteten auf einen Wahlantritt. Die AfD machte sich dagegen nach den guten Ergebnissen bei der Bundestagswahl große Hoffnungen, mit einem Ergebnis von 15 Prozent und mehr einzuziehen. Entsprechend zwiespältig nahm die Partei dann das Wähler*innenvotum von 10,2 Prozent auf. Es war ein Wahlkampf mit Hindernissen.
Die zerstrittene Partei konnte sich nicht auf eine/n Spitzenkandidatin oder Duo einigen. Franz Bergmüller, der den Posten für sich reklamiert hatte, musste parallel gegen die Parteispitze gerichtlich um seine Mitgliedschaft in der AfD kämpfen. Das Wahlprogramm spielte quasi keine Rolle. Markus Bayerbach, der für die AfD den Bildungsausschuss im Landtag leiten wird, distanzierte sich von einigen Inhalten, die die Anhänger „basisdemokratisch“ beschlossen bzw. der Landesvorsitzende Martin Sichert in der Endredaktion niedergeschrieben hatte.
Im Gedächtnis blieb vor allem die Forderung nach „islamfreien Schulen“. Auf den Plakaten warb die Partei damit, sie würde halten, was die CSU verspreche. Themen waren Abschiebung, ein traditionelles Familienbild und Sicherheit. Ein eher komisch anmutendes Plakat warb für den Dieselmotor. Eine Aktion im Stile der Identitären Bewegung, bei der vor der CSU-Zentrale der Schauplatz eines Gewaltverbrechens nachgestellt wurde, brachte einigen Mitgliedern des Landesvorstandes der Junge Alternative ein Ermittlungsverfahren nebst morgendlicher Hausdurchsuchung ein.
Vorfeldorganisationen trommeln vergeblich für AfD-Erfolg
Unterstützung bekam die AfD nicht nur von der Bundesspitze, sondern einer Reihe von Organisationen in ihrem Umfeld. Der „Bus für Meinungsfreiheit“ der homophoben Initiative „Demo für alle“ tourte durch Bayern. Islamfeind Michael Stürzenberger, der schon lange so auftritt, als sei er Funktionär oder Sprecher der Partei, versuchte zusammen mit Lutz Bachmann Pegida in Bayern wiederzubeleben. Die Teilnehmerzahlen brachen schnell wieder ein und auch die Dresdner „Prominenz“ blieb zuletzt wieder weg.
Stürzenberger und der Publizist Jürgen Elsässer starteten ein „Grenzschutz“-Volksbegehren. „Höhepunkt“ war die Compact-Konferenz mit Tommy Robinson, Martin Sellner und dem Justizbeamten, der PRO Chemnitz und anderen den Haftbefehl gegen einen Geflüchteten zugespielt hatte, der kurzzeitig für die Tötung des Chemnitzers Daniel H. verantwortlich gemacht wurde. Teilweise gab es Wahlveranstaltungen für die AfD unter dem Label „Kandel ist überall“ mit Landtagskandidaten der Partei. Der verbliebene Rest von Pegida München hielt bis zum Wahltag drei Mal die Woche eine Art Infostand in der Münchner Innenstadt ab, zeigte Bundestagsreden von AfD-Politikern und spielte Werbevideos der Partei ab. Kurz vor der Wahl rief die Aktivistin Leyla Bilge noch zum „Frauenmarsch“.
Differenzierter Umgang mit der AfD im Landtag
Das Wahlergebnis brachte der AfD 22 Abgeordnete im Landtag. Die Fraktion setzt sich zusammen aus einer Reihe aus bekannten Funktionären und weitgehend unbekannten Kandidaten. Die Fraktion führen die als Anhängerin von Björn Höcke bekannte Deggendorferin Katrin Ebner-Steiner und der bislang kaum in Erscheinung getretene Landwirt und Unternehmensberater Markus Plenk. Gleich zu Beginn wurde bekannt, das drei Abgeordnete vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Die Liste wirkt einigermaßen willkürlich, da sie herangezogenen Kriterien wie das Teilen anrüchiger Videos und die Unterstützung des Grenzschutzvolksbegehrens auch auf andere Funktionäre zutreffen.
Die anderen Parteien gehen momentan noch unterschiedlich mit der AfD um. SPD und Grüne haben bisher AfD-Kandidaten nach eigener Auskunft die Stimmen verweigert. CSU, Freie Wähler und FDP wählten situationsabhängig die AfD mit. So wurde Markus Bayerbach mit einem Teil ihrer Stimmen Vorsitzender des Bildungsausschusses, dagegen bekam der Kandidat für den Vizepräsidenten des Landtags keine Mehrheit. In der Aussprache zur Regierungserklärung von Ministerpräsident Markus Söder deutete Ebner-Steiner ihr völkisches Gedankengut an, sprach von Bayern als „multiethnischer Siedlungszone“ und behauptet in NPD-Manier, Ausländer seien krimineller als Deutsche.
Ansonsten mischten bayerische Bundestagsabgeordnete vorne mit bei der Kampagne der Partei zum UN-Migrationspakt. Größer in den Medien war auch ein Vorfall aus dem Jahr 2014, der zwei Funktionäre der Partei einholte. Sie hatten sich nahe der Zugspitze mit erhobenem rechten Arm fotografieren lassen. Die Unterschrift deutete darauf hin, dass es tatsächlich auch als Hitler-Gruß gemeint sei. Nach Veröffentlichung verließen beide die Partei.
Demo für Holocaust-Leugner / Verurteilung von Alfred Schäfer
Der Haftantritt von Ursula Haverbeck, der Widerruf der Bewährung gegen Gerhard Ittner und ein anstehender Prozess gegen die Geschwister Schäfer waren Anlass für die völkische Aktivistin Angelika Schaller, inzwischen Landtagskandidatin der NPD in Thüringen, zu einer Solidaritätsdemonstration nach Nürnberg einzuladen. Mit 250 Teilnehmern war die Kundgebung auch deutlich größer als so manch andere Demonstrationen aus dem extrem rechten Bereich in Bayern.
Aus Berlin reiste der völkische Aktivist Nikolai Nerling an, bekannt als der „Volkslehrer“. Im Laufe der Abschlusskundgebung drohte Alfred Schäfer seinen Richtern mit dem Tode und zeigte den Hitlergruß. Ein Redner aus der Schweiz lobte Hitlers „Mein Kampf“ und eine ältere Frau aus Oberfranken leugnete von der Bühne herab die Shoah. Obwohl auch das Publikum den Straftaten laut applaudierte, griff die Polizei nicht ein. Sie begründete ihre Inaktivität mit dem nahen Ende der Veranstaltung.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Anmelderin, den Versammlungsleiter und zwei weitere Personen. Inzwischen wurde auch das Urteil gegen die Geschwister Schäfer gesprochen. Monica Schäfers Strafe von zehn Monaten galt mit der Untersuchungshaft als verbüßt, Alfred Schäfer bleibt in Haft. Zu den drei Jahren und zwei Monaten aus dem ersten Verfahren könnten bald weitere Verurteilungen folgen. Auch an dem Verfahren nahmen wieder etliche Unterstützer der Szene als Besucher teil. Der Richter musste sogar zum Mittel der Ordnungshaft greifen.
Milde Strafen für Weiße Wölfe Terrorcrew / Bamberger Gruppe
Ganze drei Jahre nach der Razzia gegen ursprünglich 13 Beschuldigte startete im Herbst der Prozess gegen vier Angeklagte am Landgericht Bamberg. Ihnen wurde vorgeworfen, den Kern der inzwischen unanfechtbar verbotenen Weiße Wölfe Terrorcrew gebildet zu haben. Den Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung konnte die Beweisaufnahme nicht erbringen. Die vier wurden kürzlich für einzelne Straftaten verurteilt und die hatten es durchaus ins sich, zumindest verbal.
Zwei der Angeklagten sollen an einen Wachmann der Bamberger Geflüchtetenunterkunft herangetreten sein und von einer Aktion gegen die Anlage gedroht haben, die die Programme von Rostock-Lichtenhagen von 1992 in den Schatten stellen sollte. Zudem wurde bei einem Angeklagten neben Kugelbomben jede Menge Pyrotechnik gefunden. Die Verwendung für einen Anschlag konnte hier nicht nachgewiesen werden. Der Haupttäter bekam unter Einbezug eines anderen Urteils eine Freiheitsstrafe von drei Jahren ohne Bewährung, die beiden anderen Angeklagten kamen mit Bewährungsstrafen davon, die angeklagte Frau mit einer Geldstrafe.
Weitere Ereignisse
Im August feierten etwa 15 Personen in der Wohnung eines IB-Aktivisten im Münchner Stadtteil Johanneskirchen. Die Nachbarn verständigten nach rechten Gesängen die Polizei. Ein Teil der Feierenden zog später am Abend in Braunhemden gekleidet durch den Stadtbezirk Schwanthalerhöhe, verklebte Sticker, zeigten den Hitlergruß und beleidigten einen Passanten. Die Personen wurde von der Polizei ebenfalls der Identitären Bewegung zugeordnet. Bundessprecher Daniel Fiß zufolge seien die Personen schon vor längerem ausgeschlossen worden. An dem Tag fand in Dresden der dortige Gemeinschaftstag statt. Mit Aktionen aufgefallen ist die IB in Bayern eher in der ersten Jahreshälfte. In Donauwörth liefen Aktivisten verkleidet beim dortigen Faschingsumzug mit. In Regensburg bestückten sie das Grundstück, auf den die lokale DiTIB-Gemeinde eine neue Moschee errichten wird, mit Kreuzen. Im Laufe des Jahres kam es zu weiteren Kundgebungen von Seiten von Stürzenberger und der AfD. In Kaufbeuren kippte durch ein Bürgerbegehren der Verkauf eines städtischen Grundstücks an die lokale islamische Gemeinde.
Drei Mal hatten es im Februar und März zwei Männer auf die Geflüchtetenunterkunft in Nußdorf im Landkreis Rosenheim abgesehen. Zunächst sprühten sie ein Hakenkreuz an die Wand, später warfen sie einen Brandsatz und zum Abschluss feuerten sie einen selbstgebauten Sprengsatz auf das Grundstück. Personen kamen nicht zu Schaden. Auf den Rechnern wurde umfangreiches rechtsradikales Material gefunden. Im Prozess im November zeigten sich beide reuig. Beiden müssen für drei Jahre und neun Monate in Haft. Die Staatsanwaltschaft hatte über sechs Jahre gefordert.
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