Rechtsextreme Frauenfeindlichkeit betrifft vor allem Jüdinnen, Migrantinnen, Frauen of Color, Lesben, trans oder nicht-binäre Personen, Sexarbeiter*innen, politische Gegnerinnen oder Feministinnen. Welche Rolle geschlechtsbezogene Ideologien und die Abwertung von Weiblichkeit bei rechter Gewalt, Übergriffen oder rechtsextremen Tötungsdelikten spielen, haben Mira Brate und Anna Sumorai für die Amadeu Antonio Stiftung mit der Expertise „Alles Einzelfälle? Misogyne und sexistisch motivierte Gewalt von rechts“ erstmalig aufgearbeitet. Anhand von Tötungsdelikten rechter Gewalt der letzten Jahre wurde danach gefragt, inwiefern Sexismus tatmotivierend oder abwertende Weiblichkeitsbilder tatverschärfend waren. Der folgene Glossar ist ein Ausschnitt aus der Studie.
Sexistisch meint in diesem Zusammenhang, dass Menschen aufgrund ihres Geschlechtes diskriminiert werden. Dabei geht es auch um Machtstrukturen und eine Benachteiligung in Bezug auf Ressourcen wie Geld oder Einfluss. Die mit Abstand größte Gruppe, die von sexistischer Gewalt betroffen ist, sind Frauen. Einige Gruppen von Frauen stehen besonders im Fokus rechter Gewalt:
- Frauen, die im rassistischen oder antisemitischen Weltbild als ungleichwertig imaginiert werden: BIPoC-Frauen (Black, Indigenous, People ofColor), Jüdinnen, Musliminnen, Romnja, Sintizze
- Frauen, die durch ihr Handeln bzw. ihren Lebensentwurf das rechtsextreme Gesellschaftsverständnis bekämpfen oder den Weiblichkeitsanforderungen widersprechen: Feministinnen, linke Frauen oder solche, die sich für eine offene Zivilgesellschaft engagieren, sowie obdachlose Frauen
- Frauen, denen eine „deviante“, also „abweichende“ Sexualität unterstellt wird: Lesben, Sexarbeiterinnen, Frauen, die offen und selbstbewusst mit ihrer Sexualität umgehen
Die Vorstellung von männlicher Vorherrschaft richtet sich nicht nur gegen cis Frauen (also Frauen, die nicht trans sind), sondern generell gegen Menschen, die als unmännlich oder nicht männlich wahrgenommen werden. Dies betrifft trans Menschen, inter, nicht-binäre oder genderfluide Personen, aber auch cis-Männer, deren Geschlechtsperformance als nicht konform mit rechtsextremen, traditionalistischen oder hegemonialen Männlichkeitsvorstellungen gesehen wird, so etwa schwule Männer (hier wird dann von Heterosexismus
gesprochen).
Sexistische Gewalt kann sich gegen Menschen aufgrund ihres (realen oder vermuteten) Geschlechts richten, aber auch gegen Menschen, deren Art, ihre Genderidentität auszudrücken, von der Gewalt ausübenden Person abgelehnt wird (z. B. wenn jemand nicht als „richtiger Mann“ oder „richtige Frau“ anerkannt wird).
Aufgrund dieser Vorüberlegungen haben wir uns dafür entschieden, von sexistischer Gewalt zu sprechen, da durch diesen Begriff strukturelle gesellschaftliche Machtverhältnisse aufgezeigt werden. Darunter lassen sich Taten gegen cis Frauen, trans, nicht-binäre oder inter Personen subsumieren, aber auch gegen Menschen, deren Geschlechterperformance nicht dem binären, heteronormativen Bild entspricht. Somit können auch Überschneidungen oder Intersektionen zu Gewalt gegen Lesben, Schwule, bi-/pansexuelle Menschen und Queers bestehen.
Misogyne Gewalt richtet sich gegen Frauen aufgrund ihres Frauseins. Häufig wird sie von Tätern ausgeübt, die Frauen dafür bestrafen wollen, ihre Rolle als Gebende zu verlassen. Das kann einerseits bedeuten, dass sie dem Täter z. B. etwas verweigern, das ihm seiner Meinung nach zusteht, oder sich Ressourcen aneignen, die ihnen seinem patriarchalen Verständnis folgend nicht zustehen.
Misogyne Gewalt ist Teil des Spektrums sexistischer Gewalt und bildet den Schwerpunkt dieser Studie. Wir haben uns dazu entschieden, trotzdem den umfassenderen Begriff der sexistischen Gewalt zu verwenden, da die Bezeichnung misogyne Gewalt zwar in vielen Fällen präziser wäre, in weiteren Fällen jedoch Ausschlüsse produziert. Sexistische Gewalt denkt also Gewalt gegen das weiblich Gelesene mit Gewalt gegen das unmännlich oder unweiblich Gelesene zusammen und verdeutlicht dadurch das Problem des gewaltvoll durchgesetzten cis männlichen Überlegenheitsanspruchs.
Antifeminismus als Begriff hat in letzter Zeit (genau wie Misogynie) wieder an Bedeutung gewonnen. Auch in der Leipziger Autoritarismus Studie wurde er in den Fokus genommen. Er ist vor allem in der Rechtsextremismusforschung und bei zivilgesellschaftlichen Akteur*innen gebräuchlich.
Feministische Kämpfe richten sich gegen misogyne oder sexistische Strukturen – Antifeminismus richtet sich unter anderem gegen ebendiese Kämpfe mit dem Ziel, sexistische und misogyne Strukturen aufrecht zu erhalten.
Antifeministische Gewalt richtet sich gegen Feminist*innen oder gegen Personen, die als Feminist*innen gelesen werden bzw. die sich für Gleichstellungs- und Frauenpolitik engagieren. Heike Kleffner, Journalistin und Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Beratungsstellen für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, weist auf die Vulnerabilität von Frauen hin, die von rechtsextremen Tätern als politische Gegnerinnen wahrgenommen werden. Hierbei spielt antifeministische Gewalt eine tragende Rolle. Nicht jede misogyne rechte Gewalt ist automatisch antifeministisch, da auch Frauen in der extremen Rechten davon betroffen sein können.
Sexismus
„Sexismus bezeichnet jede Form der Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres zugeschriebenen Geschlechts sowie die diesem Phänomen zugrundeliegende Geschlechterrollen festschreibende und hierarchisierende Ideologie. Er bezieht sich auf gesellschaftlich erwartete geschlechtsspezifische Verhaltensmuster (Geschlechterstereotype), wobei Männer eine privilegierte Position haben (Patriarchat) und deshalb primär Frauen als von Sexismus betroffen gelten. Aus sozialpsychologischer Perspektive können gleichwohl auch Männer von Sexismus betroffen sein.
Sexismus ist kulturell bedingt und institutionell verankert. Da er ein gesellschaftliches Machtverhältnis widerspiegelt, sind die Erscheinungsformen zeitlich und kulturell verschieden und determiniert.“ (Anja Thiele im Gender Glossar
Misogynie
Der Begriff ist besonders für die Frauenbewegung und den Feminismus zentral, da er die Abwertung von allem weiblich Gelesenen benennt und an feministische Kämpfe und Errungenschaften anknüpft. In aktuellen queerfeministischen Debatten, die sich auch mit den Rechten von inter und trans Personen auseinandersetzen, trifft dieser Begriff jedoch nicht immer genau den Kern des Problems: Misogynie deckt in der engen Auslegung nur die Abwertung von cis Weiblichkeiten ab – komplexere Genderidentitäten wie transmännliche, transweibliche oder die von inter Personen werden unter Umständen nicht ausreichend erfasst und benannt.
Soll nicht nur die Abwertung von Frauen, sondern jegliche genderbezogene Diskriminierung kritisiert werden, sind diese Zusammenhänge oft mehrschichtiger, als dass sie mit Misogynie beschrieben werden könnten.
Die Moralphilosophin Kate Manne interpretiert Misogynie als die „Exekutive des Patriarchats“, die jene Grundsätze gegenüber aufbegehrenden Frauen durchsetzt, die das theoretische Konzept des Sexismus vorgibt. Sie plädiert dafür, sich diesen Begriff nicht nehmen zu lassen, da er ein spezifisches Diskriminierungsverhältnis eindeutig benennt.
Die Studie „Alles Einzelfälle? Misogyne und sexistisch motivierte Gewalt von rechts“ gibt es hier zum Download.