Sie tragen schwarze Kapuzenpullover, Sonnenbrillen und Basecaps, skandieren: „Nie wieder Krieg“ und heben dabei ihre Fäuste in die Luft. Am 5. September 2009 wollen über tausend Neonazis in Dortmund aufmarschieren und unter dem Motto „Gegen imperialistische Kriegstreiberei und Aggressionskriege“ vorgeblich gegen Krieg demonstrieren. Sind Nazis jetzt wirklich zu Friedensaktivisten geworden? Natürlich nicht. Der seit 2005 jährlich stattfindende „Nationale Antikriegstag“ ist für die Rechtsextremen ein guter Anlass um ihren Geschichtsrevisionismus, Antisemitismus und Antiamerikanismus zu propagieren und dabei linke Styles zu kopieren.
Geschichtsrevisionismus
Die Neonazis führen ihren „Antikriegstag“ nicht zufällig kurz nach dem Jahrestag des deutschen Einmarsches in Polen durch. Die heutigen Nazis leugnen konsequent die Schuld der deutschen Nationalsozialisten am zweiten Weltkrieg. Schon damals stellten sich die Nationalsozialisten als Opfer dar. Als die Deutsche Wehrmacht Polen überrannte verkündete Hitler, es werde jetzt „zurückgeschossen“. Die Neonazis halten bis heute an dieser Mär fest und leugnen die historische Tatsache, dass die deutschen Nationalsozialisten Polen angegriffen haben und so die Vertreibung, Verschleppung und Ermordung von Millionen Menschen in Polen und der Zweite Weltkrieg begann. Sie verdrehen so lange die Geschichte, bis die Deutschen die Opfer sind und alle anderen die bösen Aggressoren.
Antiamerikanismus und Antisemitismus
Die Bösen sind nach ihrem Feindbild vor allem die USA und Israel. In einem ihrer Aufrufe, kündigen sie an „gegen us-israelische Angriffskriege“ demonstrieren zu wollen. Die USA werden als Siegermacht des Zweiten Weltkrieges gehasst und als kulturlos diffamiert. Die Rechtsextremen greifen außerdem die USA als vermeintlichen Hort „jüdischen Finanzkapitals“ an. Dabei propagieren sie das alte antisemitische Stereotyp von reichen Juden, die das Finanzwesen kontrollieren würden. Bei diesem eindeutigen Antisemitismus verwundert es auch nicht mehr, dass die Neonazis den mehrheitlich jüdischen Staat, Israel, besonders gerne angreifen. So werden auch beim „Antikriegstag“ wieder viele Neonazis antizionistische und antisemitische Parolen schreien und demonstrativ Palästinensertücher tragen, um so ihren Hass auf Israel zu zeigen.
Linker Style
Der „Antikriegstag“ ist eines der wichtigsten Ereignisse, der so genannten „Autonomen Nationalisten“, die versuchen Symbole, Aktionsformen und Themen der Linken zu kopieren. Doch gewandelt hat sich bei den Nazis nur der Kleidungsstil, die menschenverachtende Propaganda, bleibt die Gleiche. Die Teilnehmer des „Nationalen Antikriegstags“ werben nicht für Pazifismus, sondern für Nationalismus. Die Nazis aus dem Spektrum der „freien Kameradschaften“ und „Autonomen Nationalisten“, die in Dortmund aufmarschieren wollen, gehören zu dem extrem gewaltbereiten Spektrum der Nazis.
Naziaufmarsch verboten
Bereits am 1.Mai 2009 haben rund 400 Neonazis in Dortmund brutal eine DGB-Demonstration angegriffen. „In Anbetracht dieses Ereignisses und der danach zu erwartenden erneuten hohen Gewaltbereitschaft der Versammlungsteilnehmer an der angemeldeten Versammlung der Neonazis sehe ich die Notwendigkeit, die Versammlung am 5. September zu verbieten“, erklärte der Dortmunder Polizeipräsident Hans Schulze vor ein paar Wochen. Inzwischen hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen diese Verbotsverfügung bestätigt. Der Hamburger Neonazi und Anmelder Christian Worch hat daraufhin angekündigt, vor das Oberverwaltungsgericht Münster und ggf. auch vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. In der Vergangenheit wurden solche Verbote oftmals in letzter Sekunde wieder gekippt, weshalb die Nazi-Gegnerinnen und Gegner weiter an ihrer Mobilisierung gegen den Aufmarsch der Rechtsextremen fest halten.
Demonstrationen, Kundgebungen und Blockaden
Zwei Demonstrationen, mehr als 25 Kundgebungen und eine Blockade wurden in Dortmund angemeldet, um die Nazi-Propaganda nicht unkommentiert zu lassen. Verschiedene Antifa-Gruppen haben bereits Anfang des Jahres das Bündnis „S5“ gegründet. Sie informieren seitdem regelmäßig über die Situation in Dortmund, haben eine Demonstration angemeldet und wollen auch längerfristig gegen Neonazis in Dortmund aktiv bleiben. Zu einer zweiten antifaschistischen Demonstration mobilisiert das Bündnis “Dortmund stellt sich quer”. Der DGB veranstaltet am 5. September ab morgens ein vielseitiges Programm auf einer großen Bühne, direkt neben dem angemeldeten Startpunkt der Nazis. Nachmittags übernimmt dort dann die DGB-Jugend. Sie haben einen Poetry Slam und ein Konzert gegen Rechts, unter aanderem mit Microphone Mafia, Kickstern und Zeilensprung organisiert.
n diesem Jahr wird auch die Stadt Dortmund zum ersten Mal ernsthaft aktiv. Unter dem Motto „Für Dortmund. Gegen Nazis.“ veranstalten sie in die Innenstadt, ein Friedensfest. Dort werden unter anderen Bob Geldof und die Dortmunder Hip-Hop-Gruppe „Too Strong“ auftreten. In ihrem Aufruf erklärt die Stadt: „Dortmund ist international, aufgeschlossen und bunt. Mit dem Fest will die Stadt ein Zeichen setzen für multikulturelle Vielfalt in der Stadt, gegen Rassismus, Rechtradikalismus und Antisemitismus.“
Außerdem haben unterschiedlichste Gruppen, von den Jusos, über das Sozialforum Dortmund bis zur Naturfreundejugend überall in der Nähe der von den Neonazis angemeldeten Strecke Kundgebungen angemeldet. Es scheint als sei die Zivilgesellschaft in Dortmund hellwach. Sie bietet für jeden, der am 5. September gegen Nazis aktiv werden will, den passenden Rahmen. Sogar für Rentner. Das Bündnis von Senior*innen „Aktion 65 plus“ hat, wie bereits im letzten Jahr, angekündigt den Naziaufmarsch „konsequent und friedlich“ blockieren zu wollen. In ihrem Aufruf erklären sie: „Sollte der Nazi-Aufmarsch doch genehmigt werden, werden wir uns widersetzen: mit dem Gewicht unserer Lebensjahre und mit dem Gewicht unserer Erfahrungen mit den Gräueln der Nazi-Zeit, konsequent und friedlich, hartnäckig und gewaltfrei.“ Jüngere, die in diesem Sinne mit ihnen handeln wollen, seien dazu herzlich willkommen.
Christoph M.
Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).