Es lief schon besser für die NPD. Die Kassen sind leer, der Schatzmeister sitzt wegen Veruntreuung in Haft, wählen wollte die Rechtsextremen in diesem Jahr bisher kaum jemand, und fast die gesamte Führungsspitze ist wegen Volksverhetzung angeklagt.
Vier Pleiten hat sich die NPD in kurzer Folge selbst eingebrockt: Im Februar 2007 forderte die Bundestagsverwaltung von der rechtsextremen Partei wegen falscher Spendenquittungen 870.000 Euro aus der staatlichen Parteienfinanzierung zurück – weit mehr als die 600.000 Euro, die das Immobilienvermögen der NPD wert ist. Bei den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen Anfang des Jahres kam sie gerade mal auf 0,9 beziehungsweise 1,5 Prozent. Und Anfang Februar wurde auch noch Schatzmeister Erwin Kemna verhaftet, weil er 627.000 Euro aus der Parteikasse in die eigene Tasche gewirtschaftet haben soll.
Streit um den Parteivorsitz
Kein Wunder, dass sich der seit 1996 amtierende Parteichef Udo Voigt zum ersten Mal seit langer Zeit Sorgen um sein Amt machen muss. Zuerst bekundete der Vorsitzende der Landtagsfraktion von Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs, Interesse an seinem Job. Dann zog sein Pressesprecher Andreas Molau, der auch im Vorstand der Bundespartei sitzt, nach. Der ehemalige Lehrer an einer Braunschweiger Walddorfschule gab bekannt, auch er könne sich vorstellen, den derzeitigen Vorsitzenden zu beerben.
Zusätzlich hat die Berliner Staatsanwaltschaft Voigt und andere NPD-Spitzenkader Ende März wegen Volksverhetzung angeklagt. Grund ist ein rassistischer WM-Kalender aus dem Jahre 2006 mit dem Slogan: „Weiß. Nicht nur eine Trikotfarbe! Für eine echte NATIONAL-Mannschaft!“
Noch immer „die wichtigste rechtsextreme Partei“
Doch auch wenn es so aussieht, als würde die Partei den Weg vieler rechter Organisationen gehen und sich selbst zerlegen ? der Schein trügt. „Die NPD hat den Nimbus des Unaufhaltsamen verloren“, sagt der Marburger Soziologe Fabian Virchow, „aber das ändert nichts an ihrer Rolle als wichtigste rechtsextreme Partei.“
Dafür sind hauptsächlich drei Gründe verantwortlich: Zum ersten genießt die NPD trotz der vielen Pleiten noch immer die Unterstützung des rechtsextremen Lagers. Zweitens hat sie als einzige der rechtsextremen Parteien die Chance, sich neue Wählerschichten zu erschließen. Und drittens wird die NPD nicht lange arm bleiben.
Die NPD in den Kommunen
Süpplingen und Lübtheen – zwei Kleinstädte in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. In der ersten sitzt der wahrscheinlich dienstälteste Politiker der NPD, Adolf Preuß, seit 40 Jahren im Gemeinderat. Und in Lübtheen hat der Schweriner NPD-Fraktionschef sein Bürgerbüro. In beiden Orten kennen die Menschen die Negativschlagzeilen der Voigt-Truppe. Doch die bekennenden NPD-Wähler, die man auf der Straße trifft, sagen, dass sie die Rechtsextremen weiterhin wählen würden. Sie kennen Pastörs, sie kennen Preuß. Sie halten sie für nette Menschen. Was interessiert da eine Anklage gegen den Schatzmeister oder die wegen Volksverhetzung? Sie glauben eher der Verschwörungspropaganda der NPD, laut der der Staat die Anklagen inszeniert, um ihr zu schaden.
Es ist eine Stimmung wie sie der Schweriner SPD-Landtagsabgeordnete Mathias Brodkorb des Öfteren erlebt, wenn er mit Menschen in seinem Wahlkreis spricht: „Die vermeintlichen Ausfälle der NPD werden an den Stammtischen oft gar nicht wahrgenommen. Und wenn doch, dann deuten zu viele Wähler diese Ereignisse positiv um.“ Ähnliches erzählt auch Antje Hermenau, grüne Fraktionschefin im sächsischen Landtag. „Wir erleben hier im Land oft ein stabiles rechtes Wählerpotenzial, das von den demokratischen Parteien nicht erreicht wird und dem die Pleiten der NPD weitgehend egal sind.“
Dabei ist Sachsen das Land der größten NPD-Pannen: Gegen einen Abgeordneter der Partei, die sich so sehr für Sauberkeit und Ordnung einsetzt, wird wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften ermittelt, gegen einen anderen, weil er versuchte, einen Revolver in den Landtag zu schmuggeln. Von den anfänglichen zwölf Parlamentariern der NPD sitzen mittlerweile nur noch acht im Landtag.
Treue Stammwähler
Doch trotz dieses Selbstzerstörungskurses steht die Partei in Sachsen lange nicht so schlecht da, wie man erwarten könnte. Laut Landesinnenminister Albrecht Buttolo (CDU) sank ihre Mitgliederzahl 2007 um etwa 150 auf 850 Mitglieder. Das ist zwar ein herber Rückschlag für den Aufbau Ost der Rechtsextremen. Aber sie stehen trotz aller Skandale auch nicht vor dem Zusammenbruch.
Auch bei den Wählern verliert die Partei nicht so stark, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Zwar würde sie laut einer Emnid-Umfrage von Mitte März derzeit in Sachsen nur 4 Prozent der Stimmen bekommen. Allerdings wurde ihr dieser Wert auch noch einen Monat vor der Wahl im September 2004 vorhergesagt – letztendlich zog sie mit 9 Prozent ins Landesparlament ein.
Im rechten Lager büßt die NPD ebenfalls kaum an Unterstützung ein, weder bei den eigenen Anhängern noch bei den sogenannten Freien Kameradschaften. Die Mitgliederzahl dieser gewaltbereiten Gruppen hat sich im vergangenen Jahr dem neuen Landes-Verfassungsschutzbericht zufolge auf etwa 500 verdoppelt ? wohl auch als Reaktion auf das Verbot neonazistischer Organisationen wie „Sturm 34“ oder der „Skinheads Sächsischer Schweiz“.
Kämpferisches Auftreten
Natürlich hat die Partei lange nicht die Stärke der 60er Jahre, als sie in sieben Landtagen saß und 50.000 Mitglieder hatte. Aber die Nationaldemokraten sind auch nicht mehr die desolate Trümmertruppe der 80er und Anfang der 90er Jahre. „Die NPD entwickelt sich in Wellenbewegungen“, sagt Rechtsextremismus-Experte Virchow, „und derzeit geht es für sie trotz aller Probleme eher aufwärts.“
Trotz der Wahlpleiten in Hessen und Niedersachsen geben sich viele Rechtsextremisten in den einschlägigen Internetforen denn auch kämpferisch. Dabei macht ihnen vor allem ein Gegner das Leben schwer – die Linke. Sie besetzt genau das Thema, mit dem eigentlich die NPD punkten will – Kapitalismuskritik und soziale Gerechtigkeit. „Im übrigen interessiert die Leute auf der Straße nicht der Holocaust, sondern ihre Alltagsprobleme, wie etwa Hartz IV“, hatte Parteichef Udo Voigt nach dem Einzug in den sächsischen Landtag 2004 gesagt. Seine Partei berät Arbeitslose nach dem Muster der Linkspartei. Im Lübtheener NPD-Büro hängt ein Transparent mit dem Schriftzug „Wir kümmern uns.“
Neue Themen, neue Wählerschichten
Seit den 90er Jahren gewinnen in der NPD zudem Thesen an Einfluss, die eine Mixtur aus Rassismus und Sozialismus propagieren – angelehnt an das Gedankengut sogenannter Nationalrevolutionäre aus den Jahren der Weimarer Republik. Die Chancen damit auf Wählerfang zu gehen, sind nicht schlecht: Für eine noch unveröffentlichte Studie über die Einstellungen von Wählern befragte das Forschungsinstitut Infratest Dimap im Jahr 2005 in persönlichen Interviews 2000 Menschen. Ergebnis: 20 Prozent der Befragten zeigten sich rechtsextrem eingestellt.
Kurioserweise stimmte die große Mehrheit dieser Gruppe Ansichten zu, die aus den Programmen der Linken und der DKP stammen könnten. Der amerikanische Imperialismus als Feind der Demokratie, der Sozialismus eine gute Idee, die nur schlecht umgesetzt wurde – das finden auch die meisten, die NPD und Co ihre Stimmen geben würden.
Derzeit bleibt es allerdings zumeist beim Konjunktiv. Denn die so Gesinnten wählen im Moment nicht die Rechtsextremen, sondern meist die Linke. Wie der Berliner Parteienforscher Richard Stöss, der die Studie im Sommer veröffentlichen wird, sagt, „tendieren die meisten Menschen mit einer rechtsextrem-antikapitalistischen Mentalität derzeit eher dazu, die Partei von Oskar Lafontaine statt der von Udo Voigt zu wählen.“
Ein Beleg für ein schnelles Sterben der NPD ist das jedoch nicht. Denn wenn sie derzeit auch keine Chance gegen die Linke hat, ihre Konkurrenz aus dem rechten Lager sticht sie allemal aus. „Im Gegensatz zu Deutscher Volksunion und Republikanern setzt die NPD bewusst auf soziale Themen, antikapitalistische Parolen und teilweise eine revolutionäre Rhetorik“, sagt Stöss. Deshalb sei klar: Wenn eine Partei Chancen bei der rechtsextrem-antikapitalistischen Wählerklientel habe, dann die NPD. Und in den Bundesländern, in denen die Linke eher
das Image einer Volks- und nicht das einer Protestpartei hat, nutzen die Rechtsextremen diese Chance auch.
DVU und Republikaner im Niedergang
Das spiegelt sich auch im Verfall der rechten Konkurrenz wider. Noch vor einem Jahr war die überalterte Volksunion stärkste Partei im rechtsextremen Lager. Doch während der DVU die Mitglieder wegsterben, gewinnen die Nationaldemokraten laut Einschätzung aus Sicherheitskreisen langsam aber stetig Anhänger hinzu. Die Republikaner, die es seit einigen Jahren mit einem weicheren rechtspopulistischen Kurs versuchen, verlieren ebenfalls Personal und Mitglieder ? oft an die NPD. Die profitieren von der Schwäche der anderen und ist laut Verfassungsschutz mit etwa 7300 Mitgliedern nun die stärkste der drei rechtsextremen Parteien.
Inzwischen fühlen sich einige ihrer Führungsleute sogar stark genug, um den Pakt mit der DVU anzugreifen. Beide Parteien hatten im Januar 2005 vereinbart, bei Wahlen nicht mehr gegeneinander anzutreten, und hatten deshalb die Bundesländer untereinander aufgeteilt. Die NPD hat in in DVU-Ländern wie Thüringen und Brandenburg aber längst so viele Mitglieder gewonnen, dass sie gleich stark oder sogar stärker als die braune Bündnispartei ist. Für das Bundesamt für Verfassungsschutz gelten die Nationaldemokraten deswegen trotz aller Probleme als „Gravitationsfeld im Rechtsextremismus.“
NPD profitiert weiter von Parteienfinanzierung
Das kann die NPD allerdings auf längere Sicht nur bleiben, wenn sie auch Geld zu verteilen hat, mit dem sie ihre Funktionäre und Kameraden bezahlen und breitenwirksam für sich werben kann. Deswegen war es ein herber Schlag für die Partei, als die Bundestagsverwaltung die 870.000 Euro zurückforderte. Doch inzwischen hat sie die Summe bezahlt – inklusive Zinsen von 14.000 Euro. Deshalb wird die NPD in diesem Jahr erneut Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung bekommen, und zwar nicht eben wenig: voraussichtlich etwas mehr als 1,4 Millionen Euro.
Der Höhenflug der NPD ist also vorbei, im Kriechgang macht sie aber auf absehbare Zeit weiter. „Die Partei braucht nur kleines Erfolgserlebnis bei der nächsten Bundestagswahl, damit sie mittelfristig bestehen bleibt“, sagt NPD-Experte Virchow. „Sie muss dafür nicht unbedingt ins Parlament einziehen, das erwarten ihre Anhänger auch nicht. Drei oder vier Prozent reichen schon.“
Zum Thema
| Die NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“
| Die NPD-Frauen Organisation „Ring Nationaler Frauen“
| Verfassungsschutzbericht zur NPD
| Das Programm der NPD
| Die Neustrukturierung der NPD
| Woher bekommt die NPD ihr Geld
| Das Zentralorgan der NPD „Die Deutsche Stimme“
Weblinks
| Verfassungsschutz-Broschüre zur NPD zum Herunterladen
| Ein halbes Jahr NPD im sächsischen Landtag ? Studie der Konrad Adenauer-Stiftung zum Herunterladen
Literatur
| Das Buch Moderne Nazis von Toralf Staud
| Das Buch Nazis in Nadelstreifen von Andrea Röpke und Andreas Speit (Berlin 2008)