Gera ist seit Jahren fester Anlaufpunkt vieler Rechtsextremer. Sie scheinen zu wissen, dass die Gegenwehr sich hier. in Grenzen hält. „Rock für Deutschland“, eine politische Rechtsrock-Veranstaltung mit Bands und Rednern aus der Szene, zog am Samstag zum sechsten Mal zahlreiche Neonazis in die Ostthüringer Stadt. Idyllisch am Ufer der Weißen Elster gelegen, bot die sogenannte Spielwiese ein unwirkliches Bild für die Zusammenrottung der Rechtsaußen. In „Landser“-, „Thor Steinar“- und „Alpha Industries“-Klamotten weilten sie seelenruhig auf Holzbänken und im Gras. Bratwurst und Köstritzer Schwarzbier gab es auch dazu.
Die Gegendemonstranten machten indes im Stadtzentrum deutlich, dass sie rechtsextremes Gedankengut nicht akzeptieren wollen. Den Auftakt ihres Protestes machte eine Versammlung auf dem Museumsplatz vor dem Geraer Kultur- und Kongresszentrum, an der sich Politiker der im Stadtrat vertretenen Parteien Die Linke, CDU, SPD sowie „Arbeit für Gera“ beteiligten. Auch Mitglieder von FDP und Bündnis 90/Die Grünen waren mit einem Stand vor Ort. Sprecher des Runden Tisches für Toleranz und Menschlichkeit betonten, in Gera sei kein Platz für Rechtsextreme. „Wir müssen an diesem heutigen Tag, aber auch das ganze Jahr über zeigen, dass wir diese Menschen hier nicht haben wollen“, sagte (der damalige) Oberbürgermeister Norbert Vornehm (SPD). „Egal unter welchem Firmenschild sie auftreten, es sind alte und neue Nazis, in jedem Fall Menschen, die wir hier nicht gebrauchen können.“
Um das deutlich zu machen, zogen die Demonstranten am Nachmittag Richtung Spielwiese. Auf der Brücke über die Weiße Elster, auf der Straße des Friedens, kamen sie zum Stehen. Mehr als „Nazis raus“-Rufe drangen jedoch nicht zu den hermetisch abgeschirmten Neonazis durch. Ohne größere Ausschreitungen ging es schließlich wieder zurück in die Innenstadt. Nur für einige Eierwürfe und Vermummungsdelikte erteilte die Polizei einige Platzverweise. Die Situation blieb ruhig. Zu ruhig? Sind 750 Rechtsextreme, die jedes Jahr nach Gera kommen, die Aufregung nicht mehr wert ? Es scheint, als sehe ein Großteil der Geraer Bevölkerung das so. OB Vornehm sei stolz gewesen auf die Zahl von 500 Gegendemonstranten, berichtete der Mitteldeutsche Rundfunk. Eine Frage der Perspektive, ob es sich lohnt, bereits auf so wenig Unterstützung stolz zu sein.
Zumal es nicht allein Geraer Einwohner*innen waren, die protestierten. „Von 500 Demonstrant*innen sind vielleicht 200 aus Gera“, spöttelte ein Teilnehmer, der aus Jena angereist war. Tatsächlich waren die Züge nach Gera am Samstag gut gefüllt mit jungen Leuten, die offenkundig dem linken Spektrum zuzurechnen waren. Da auch zahlreiche Neonazis mit der Bahn kamen, hatten Polizeibeamte in den Zügen gut zu tun, um gewalttätige Auseinandersetzungen zu verhindern.
Für die Organisatoren von „Gera – bunt, tolerant, weltoffen“ sind die geringen Teilnehmerzahlen eine Watschen – schließlich hatten sie im Vorfeld ausgiebig für den Demokratie-Tag geworben. Überall im Stadtbild wiesen Plakate auf die Veranstaltung hin, regionale Medien hatten berichtet. Tausende Menschen in Einkaufslaune strömten an diesem Samstag durch die Innenstadt. Und doch blieben nur wenige auf dem Bürgerfest hängen. Das Desinteresse, es ist nach wie vor ein Problem Geras. Gerade Ende 2007 haben nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Bürger*innen in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung Empfehlungen für die Bekämpfung des Rechtsextremismus in ihrer Stadt erarbeitet. Die Bürgerkonferenz forderte u.a. eine Stärkung des Runden Tisches, mehr Aufklärung über Rechtsextremismus, Arbeitsplätze und Bildung. Dass ein Dreivierteljahr nach Veröffentlichung der Ergebnisse noch viel zu tun ist, hat sich am 19. Juli gezeigt.
Madeleine Warsitz
Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).