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Braune Strukturen Nazi-Konzerte: 1,2,3… viele?

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Hamburger braune Szene im Rechtsrock-Bereich aktiv; Foto (Archiv): H. Kulick

Regelmäßig hat die Linksfraktion im Bundestag angefragt, wie viele rechtsextreme Konzerte es gegeben hat und wo diese stattgefunden haben. Hinsichtlich der regionalen Verteilung wollte die Bundesregierung zunächst keine Auskunft geben, da die rechtsextremistische Szene daraus „Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Sicherheitsbehörden ziehen könnte“. Auf Nachfrage konnte sich die Regierung dann aber doch dazu durchringen, für 2006 die Verteilung auf Länderebene preiszugeben. Denn in den einzelnen Länder-Verfassungsschutzberichten lassen sich diese Angaben sowieso nachlesen. Allerdings stimmen die Angaben der Bundesregierung nicht mit denen aus den Ländern überein. Einige Beispiele.

Für Mecklenburg-Vorpommern gibt die Regierung sieben rechtsextreme Musikveranstaltungen an, laut Verfassungsschutzbericht aus MVP waren es aber 18 (davon zwölf Skinkonzerte, fünf Partys und darüber hinaus ein Auftritt eines rechtsextremistischen Liedermachers anlässlich der NPD-Demonstration am 1. Mai 2006 in Rostock.

Laut Bundesregierung gab es 2006 nur ein rechtsextremes Konzert in Hamburg. Laut Hamburg Senat waren es allerdings fünf. Die Antwort auf eine Große Anfrage der GAL ist so ausführlich, wie die Bundesregierung meint, nicht sein zu können: 21.01.06: Konzert mit der Band „“Schall und Rauch““ in Bramfeld. Die Veranstaltung wurde offiziell als Geburtstagsfeier deklariert. 25.02.06: Saalveranstaltung der Hamburger NPD in Rothenburgsort mit dem Auftritt des Liedermachers „Olli“. 15.07.06: Skinheadkonzert in Bergedorf mit den Bands „“Civico 88″ (Italien), „Schall und Rauch““, „“Donnerhall““ und „“Liebenfels Kapelle“. 07.10.06: Konzert in Wilhelmsburg mit den Bands „„Donnerhall““ und „“Words of Anger““ sowie zwei namentlich nicht bekannten Bands. Die Veranstaltung wurde offiziell als Geburtstagsfeier deklariert. 04.11.06: Konzert mit den Bands „“Civil Disorder““, „“Wodan““, „“White Resistance“ und „“Words of Anger““ in Hamm. Die Veranstaltung wurde offiziell als Geburtstagsfeier deklariert.”

Zwischen den Behörden in Schleswig-Holstein und dem Bundeskriminalamt scheint es ähnliche Übermittlungsprobleme zu geben. Während das BKA für das Jahr 2006 vier rechtsextremistische Konzerte in Schleswig-Holstein meldet, werden im Bericht des Landesverfassungsschutzes insgesamt sieben Veranstaltungen aufgezählt. 11.03.06 Konzert mit der Gruppe ““Words of Anger“” in der Nähe von Cismar (Kreis Ostholstein) vor rund 70 Teilnehmern und 09.12.06 Konzert mit drei Gruppen in Neufeld (Kreis Dithmarschen) vor rund 120 Teilnehmern, außerdem wurden dem Landesverfassungsschutz drei rechtsextremistische Liederabende im Jahr 2006 bekannt, die allesamt im “Club 88″ in Neumünster stattfanden. Desweiteren zählt der Landesverfassungsschutz zwei weitere Auftritte von Nazi-Liedermachern bei sonstigen Veranstaltungen auf: 26.08.06 NPD-Sommerfest in Bünsdorf (Kreis Rendsburg-Eckernförde) mit zwei Liedermachern, 30.09.06 Geburtstagsfeier des “Club 88″ in Neumünster mit einem Liedermacher-Duo

Für Nordrhein-Westfalen gibt die Bundesregierung an, es habe vier rechtsextreme Musikveranstaltungen gegeben. Dagegen schreibt der Verfassungsschutz aus NRW: Im Laufe des Jahres 2006 wurden in Nordrhein-Westfalen insgesamt 14 Musikveranstaltungen unterschiedlichen Charakters (Liederabende, Konzertveranstaltungen sowie private Feiern unter Beteiligung von Skinhead-Bands) bekannt. Es handelte sich um sieben Skinhead-Konzerte mit einer Teilnehmerzahl von maximal 250 Personen und sieben Liederabende mit Teilnehmerzahlen zwischen 20 und 90 Personen.

In Thüringen haben 2006 laut Bundesregierung 15 solcher Veranstaltungen stattgefunden, das Land selbst zählte hingegen „nur“ zwölf.

Weiter heißt es in der Antwort der Bundesregierung: Dem Bundeskriminalamt wurden im Rahmen des polizeilichen Informationsaustausches 97 rechtsextremistische Musikveranstaltungen bekannt, die im Jahre 2006 in Deutschland stattfanden. Dieser Informationsaustausch erscheint allerdings entweder recht holprig zu sein – oder die Polizei meldete viele Konzerte nicht. Das Bundesamt für Verfassungsschutz schreibt nämlich in seinem jährlichen Bericht: 2006 fanden 163 rechtsextreme Konzerte statt.

Wertlose Angaben

Welche Zahlen nun stimmen, lässt sich nicht genau nachvollziehen. Allerdings erscheinen die Angaben der Länder glaubwürdiger, da hier auch Details angegeben werden (Datum, Bands). Gleichzeitig fragt man sich aber, wie es sein kann, dass die Bundesregierung zu vollkommen anderen Zahlen kommt, als das Bundesamt für Verfassungsschutz und als die Länder. Weiterhin widerspricht sich die Bundesregierung sogar offenbar selbst. Für das erste Quartal 2006 gab sie bereits mehr als 50 Musikveranstaltungen an. Damit erscheint es sehr unrealistisch, dass in den restlichen neun Monaten des Jahres „nur“ noch 47 Veranstaltungen stattfanden. Kurzum: Die Zahlen der Bundesregierung sind im Prinzip vollkommen wertlos. Sie widersprechen anderen Angaben und sind offenbar viel zu niedrig.

Aber auch die Angaben der Länder sind möglicherweise nur mit Vorsicht zu genießen. So meldet Berlin beispielsweise, im Jahr 2007 habe kein einziges Nazi-Konzert in der Hauptstadt stattgefunden. Nach Informationen des Antifaschistischen Bündnis Süd-Ost [ABSO] fanden im Jahr 2007 jedoch in Berlin mindestens zwei Konzerte von Neonazis statt. Tina Böhm, Sprecherin des ABSO dazu: „In beiden Fällen stammen unsere Informationen direkt von Aussagen der Neonazis im Internet.“ So fand laut dem rechtsextremen Forum „Thiazi“ am 3. November 2007 im Bezirk Wedding ein Rechtsrock-Konzert unter anderem mit den bekannten Neonazibands „“Burn Down““ (aus Potsdam), „“Blitzkrieg““ (aus Chemnitz), „“Legion of Thor““ (aus Berlin) und „“X.x.X““ bzw. „„Deutsch Stolz Treu“ (aus Berlin) statt. Ein zweites Rechtsrockkonzert fand vermutlich im Juni im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick statt.

Die Moral von der Geschichte? Vermutlich könnte eine unabhängige Beobachtungsstelle gegen Rechtsextremismus deutlich bessere Ergebnisse liefern, als es die staatlichen Institutionen derzeit tun. Und: Die Bundesregierung kann den Kampf gegen Rechtsextremismus nicht wirklich ernst meinen, wenn man im deutschen Parlament solche Antworten auf Anfragen abliefert.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

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