Es hätte alles so schön werden können. Bei gutem Wetter versammelten sich am vergangenen Samstag, 03.03.2012, mehrere tausend Gegendemonstrant/innen bei verschiedenen Kundgebungen in Münster. Unter dem Motto ?Keinen Meter den Nazis – Gegen Rassismus und soziale Ausgrenzung? hatte ein Bündnis zu Blockaden aufgerufen. Zu den angekündigten Blockaden kam es jedoch nur vereinzelt: Über 1.000 Polizist/innen versperrten mit einer Reiter- und Hundestaffel, mehreren Wasserwerfern und Räumpanzern das gesamte Viertel.
Der Polizeieinsatz machte den Blockierer/innen einen Strich durch die Rechnung. Die Polizisten gingen dabei mit großer Härte vor. Friedliche Demonstrant/innen wurden beim Versuch, sich den Polizeiketten zu nähern, mit Pfefferspray und Schlagstöcken angegriffen. Ein 21-jähriger Demonstrant erlitt während einer Festnahme ein Schädel-Hirn-Trauma und musste bewusstlos auf der Intensivstation behandelt werden. Die Bundestagsabgeordnete Ingrid Remmers (Linke) wurde festgenommen, während sie deeskalierend bei einer Festnahme eines Demonstranten vermitteln wollte. Die Linke fordert nun ein Bericht des Innenministers, teilte der Landessprecher der Linken Hubertus Zdebel mit. Und auch SPD, Grüne und der DGB beurteilen den Polizeieinsatz als ?unangemessen und überzogen?.
Die Neonazidemonstration wurde dann an kleineren Sitzblockaden der Anwohner/innen verbeigeleitet. Diese kritisieren hinterher in einem offenen Brief das Verhalten der Polizei. Schon im Vorfeld wurden Anwohner/innen verstört: Die Polizist/innen legten ihnen nahe, keine Plakate gegen Nazis in die Fenster zu hängen, weil dies gefährlich sei. Während des Tages wurden ihre Persönlichkeitsrechte massiv eingeschränkt. So wurden etwa Bewohner/innen wurden unter Androhung von Gewalt und juristischen Konsequenzen eingeschüchtert.
Wasserwerfern, die aus Gegendemonstranten gerichtet waren
Die Neonazis liefen mit einer Stunde Verspätung und unter lauten Protest durch das Viertel. Unter dem Motto: ?Raus aus EU, Nato und Uno? versammelten sich Neonazis aus dem Rheinland, dem Ruhrgebiet und aus Niedersachsen in Münster. Selbst die Rechtsextremen wunderten sich über das Verhalten der Polizei. So schildert ein Teilnehmer in einem einschlägigen Neonaziforum: ?Die Bullen die neben uns liefen hatten ihre normalen Mützen auf, waren locker drauf und wirkten kein bischen bedrohlich. Die Stimmung war gut. Aber die Bullen die bei den Gegendemonstranten standen hatten Helme und Handschuhe an und eine Hand immer am Schlagstock, bzw. einige auch mit Pfefferspray in der Hand.? (Fehler im Original) Auch der Wasserwerfer, der auf die Gegendemonstrant/innen und nicht auf die Neonazis gerichtet worden war, habe ein ?tolles Bild? ergeben. Angemeldet war der Aufmarsch von Sascha K., einem führenden Mitglied der ?Kameradschaft Hamm?. An Zwischenkundgebungen standen sich 300 Nazis mit mehreren tausend Demonstrant/innen gegenüber. Mit lauten Sprechchören und Trillerpfeifen machten des die Gegendemonstrant/innen den Nazis schwer – die derweil versuchten, ihre rassistische und menschenverachtende Ideologie zu verbreiten, durch Redner aus Münster, Hamm, Düsseldorf, Hildesheim und Köln. Obwohl das Ziel, den Naziaufmarsch zu verhindern, nicht erreicht worden ist, setzten die mehreren tausend Gegendemonstrant/innen in Münster ein wichtiges Zeichen gegen Rechtsextremismus. Die Anwohner/innen zeigten den Neonazis mit Plakaten auf den Straßen und mit Grillpartys in ihren Vorgärten, was sie von dem rassistischen und volksverhetzenden Gedankengut halten.
?Rote Hochburgen? bieten Attraktivität für die Szene
Die Veranstaltung am Samstag war die erste Nazidemonstration in Münster seit sechs Jahres. Im Jahr 2006 scheiterten die Neonazis nach wenigen Metern an den Blockaden der Gegendemonstrant/innen. Da sie in diesem Jahr geschützt durch die Polizei die komplette Route laufen konnten, wird das sicher nicht der letzte Versuch gewesen sein, in Münster zu demonstrieren. Anders als bei den gescheiterten Demonstrationsversuchen wie in Dresden bietet die ?rote Hochburg? Münster noch eine Attraktivität für die Szene. Im Alltag haben Neonazis keine Chance, sich in der Stadt zu etablieren. Routinierte Events wie der „Antikriegstag“ in Dortmund im September oder der „Trauermarsch“ in Bad Nennendorf werden gerade für aktionsorientierte Neonazis langweilig. Die Neonazi-Szene versucht mit Aufmärschen wie in Bielefeld oder Berlin- Kreuzberg den ?Kamerad/innen? Events zu liefern. Um dieser neuen Strategie etwas entgegen zu setzen, bedarf es antifaschistische und zivilgesellschaftliche Gruppen und Organisationen. Deren Arbeit wird noch schwerer, wenn sie durch massive Polizeieinsätze kriminalisiert werden. Der Polizeipräsident Hubert Wimber aus Münster beteuerte nach der Demonstration, dass der „rechte Spuk“ in Münster zu Ende sei. Bleibt abzuwarten, ob der ?rechte Spuk? nicht aufgrund des nazifreundlichen Polizeieinsatzes gern wieder einmal nach Münster zurückkehrt.