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Bulgarien Für „Ataka“ gehört der Ruf nach Vernichtung von Roma und Jüd*innen zum Alltagsrepertoire

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Website der bulgarischen Partei "Ataka" (2014) (Quelle: Screenshot)

 

Die einflussreichsten Organisationen der extremen Rechten in Bulgarien sind Ataka und der Bulgarische Nationalbund (BNS). Ziel ihrer Hetze sind vor allem Roma und die türkische Minderheit des Landes.

Nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft in Bulgarien orientierten sich die geistigen Eliten des Landes vor allem an nationalistischen Denkschemata aus der Vergangenheit. Fast 500 Jahre lang war Bulgarien eine Provinz des Osmanischen Reiches. Für Bulgarien begann ihre Geschichte der Neuzeit erst mit der „Nationalen Wiedergeburt“ und dem Beginn des bewaffneten Widerstandes gegen die Osman_innen 1876. Dieser Aufstand endete mit dem Massaker von Batak; die Osman_innen liquidierten dort tausende aufständische Bulgar_innen sowie Teile der Zivilbevölkerung. Das Massaker von Batak wurde zu einem nationalistischen Gründungsmythos des bulgarischen Staates erhoben, auf das sich rechte Parteien und Organisationen immer wieder beziehen.

Die Partei Ataka wurde im April 2005 gegründet und erreichte bei den Parlamentswahlen zwei Monate später bereits 8,8 % der Stimmen. Bei den Parlamentswahlen 2009 konnte Ataka das Ergebnis von 2005 noch steigern und kam auf 9,3 % der Stimmen. Bei der Europawahl 2007 erhielt die Partei 14,2 % und entsandte 3 Abgeordnete ins Europäische Parlament. 2013 gewann Ataka 7,3 % der Stimmen bei den Parlamentswahlen und stellte mit 23 Abgeordneten die viertstärkste Fraktion. Die Wähler_innen von Ataka sind zum größten Teil die Verlierer_innen des Transformationsprozesses nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Regimes. Roma werden als Konkurrent_innen um die kärglich bemessenen sozialen Leistungen begriffen und eignen sich daher wunderbar als Sündenböcke für die eigene Situation. Dass in Bulgarien seit Jahrzehnten eine neoliberale Wirtschaftspolitik betrieben wird, die mit zur Verelendung von Teilen der Bevölkerung beiträgt, wird nur in Ansätzen kritisiert. Dagegen sind führende Mitglieder von Ataka Student_innen, Facharbeiter_innen oder auch Unternehmer_innen, die mit Demokratie, Menschenrechten oder kulturellem Pluralismus nicht viel anfangen können und stattdessen von einem autoritären völkischen Staat träumen. Aus dem historischen Massaker von Batak erklärt sich auch ein tief sitzender Hass gegen die türkische Minderheit im Besonderen und den Islam im Allgemeinen. Seit 2011 betreibt die Partei einen eigenen Fernsehkanal (alfa). Ihr Vorsitzender Volen Siderov nannte als politisches Vorbild den Schweizer Rechtspopulisten Christoph Blocher. In programmatischer Hinsicht setzte Siderov ganz auf die rassistische Karte: er versprach, „Bulgarien an die Bulgaren zurückzugeben“ und „die Z*** dorthin zu stecken, wo sie hingehören – in Lager“.

Antisemitische Hetze gehört auch zum Repertoire von Ataka. Auf einem Forum auf der Homepage von Ataka war eine Liste mit den Namen von 1.500 Angehörigen der jüdischen Minderheit zu sehen, die angeblich „den Staat beeinflussen“ würden. In Kommentaren wurden Juden als „Mitglieder einer gefährlichen Rasse“ beschimpft, die „es verdienen, vernichtet zu werden.“  Im Jahre 1999 nahm Siderov an einer internationalen Konferenz von Holocaust-Leugner_innen in Moskau teil.

Am 20. Mai 2011 kam es vor der Banja-Baschi-Moschee in Sofia zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Anhänger_innen von Ataka und Moscheebesucher_innen. Fünf Menschen, darunter zwei Parteiangehörige, wurden dabei verhaftet. Führende Politiker_innen des Landes sprachen am anderen Tag von einer „beunruhigenden Eskalation der Fremdenfeindlichkeit und des religiösen Hasses“.

Der 2001 gegründete Bulgarische Nationalbund (BNS) verbreitet unter seinem Vorsitzendem Bojan Rasate nationalistische Hetze gegen die türkische Minderheit, Roma, die Europäische Union und den „Zionismus“. Die Jugendorganisation der BNS, die „Bulgarische Nationale Garde“, wurde 2007 angeblich zum „Schutz vor Z***-Übergriffen“ gegründet. Der letzte Auslöser der Gründung des BNS soll der Umstand gewesen sein, als hunderte jugendliche Roma im Sommer 2007 randalierend durch ein Viertel von Sofia zogen, nachdem sie von rechten Skinheads angegriffen worden waren. Die Garde tritt in der Öffentlichkeit in schwarzen Hosen, braunen Hemden, schwarzen Hosenträgern und schwarzen Baretten auf; die Anlehnung an die Uniformen der SS ist gewollt. Die meisten ihrer Mitglieder kamen aus der Skinhead-Szene der frühen 1990er Jahre und orientierten sich an deutschen Neonazis. Rasate bemerkte: „Bereits seit 17 Jahren ist die bulgarische Bevölkerung in ihrer Heimat systematischen Beschränkungen und unkontrollierten Ausschreitungen vonseiten der Minderheit der Roma ausgesetzt, und der Staat sieht teilnahmslos zu. Die Z*** prügeln, stehlen, vergewaltigen und töten ohne eine adäquate Antwort seitens der Macht.“  Roma werden von Rasate als kriminell, primitiv und arbeitsscheu diffamiert: „Zu Beginn muss ich betonen, dass wir im Gegensatz zu anderen patriotischen Organisationen die Z*** nicht als Teil des bulgarischen Volkes betrachten. Von fremder Kultur rede ich bewusst nicht, weil sie keine Kultur haben. (…) Wir können heute nicht daran denken, die Z*** einfach umzubringen. Die Zeiten sind andere. Aber derzeit werden die Z*** gegenüber den Bulgaren bevorzugt. Das Gesetz gilt nicht für alle. (…) Für eine Z***familie bedeuten mehr Kinder: mehr Sozialhilfe und mehr Arbeitskräfte, als Bettler, Diebe, Prostituierte. Die Einnahmen fließen in die Haushaltskasse.“  Weiterhin sprach sich Rasate für einen „Ariernachweis“ aus, da „die Menschen unterschiedlich geschaffen“ wurden. Er definierte die „bulgarische Rasse“ als „weiß mit europäischen Gesichtszügen“.

Die „Bulgarische Nationale Garde“ griff im Juni 2008 eine Schwulen- und Lesbenparade in Sofia mit Steinen und Molotowcocktails an.  Am 7.2.2009 marschierte Rasate mit mehreren hundert Gesinnungsgenossen am Todestag des bulgarischen Generals Hristo Lukov, der 1938 den faschistischen „Bund der bulgarischen nationalen Legionen“ (SBNL) gegründet hatte, mit Fahnen und Transparenten durch Sofia.  Rasate steht in Kontakt mit der NPD und der rumänischen extrem rechten „Nua Dreapta“, die ähnlich wie die BNS in Rumänien eine Pogromstimmung gegen die dort ansässigen Roma schürt.

| Teil 2: Antiziganismus in Bulgarien: Gewaltexzesse, deren Ursache offiziell geleugnet wird

Zum Autor
Der Verfasser, Politikwissenschaftler und Publizist Michael Lausberg, Dr. phil, studierte Pädagogik, Philosophie, Politikwissenschaften und Neuere Geschichte sowie den Aufbaustudiengang Interkulturelle Pädagogik an den Universitäten Aachen, Köln und Amsterdam. Er promovierte an der RWTH Aachen mit einer Arbeit mit dem Titel „Die extreme Rechte in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Seit 2007 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS). Regelmäßige Veröffentlichungen im Migazin, DISS-Journal, bei Kritisch Lesen und in der Tabula Rasa.

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