Den Anfang der Gründungsveranstaltung zur „Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche für Demokratie – gegen Rechtsextremismus“ bestritt der sächsische Landesbischof Jochen Bohl. Er fasste in klaren Worten zusammen, warum es für Christen aus ihrem Glauben heraus zum Rechtsextremismus keine andere Haltung geben kann als Ablehnung: Neonazis gefährdeten durch ihre hasserfüllte Hetze das friedliche Zusammenleben aller Menschen, nach dem Christen streben, die ja an den „Friedensfürsten Jesus“ glauben. Auch rassistische Parolen passten nicht zu Christen – schließlich sei der christliche Glaube universalistisch angelegt und glaube, dass alle Menschen gleich geschaffen sind, gleiche Rechte haben, Kinder Gottes sind. Auch Antisemitismus sei mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar – schließlich fuße der sogar im Judentum. Nicht zuletzt ist es die rechtsextrem motivierte Gewalt, die nicht zu akzeptieren sei. „Wir Christen stehen auf der Seite der Opfer“, so Bohl. Deshalb entspräche es dem Gebot der Nächstenliebe im Geiste Jesu, sich den neuen Nazis entgegen zu stellen – morgen in Dresden und überall auf der Welt. Nicht zuletzt, wie der Landesbischof hin, sei das Christentum auch ein Feindbild der Rechtsextremen und ihres neuen Heidentums, dass sich in Sprüchen wie „Odin statt Jesus“ ausdrücke.
Dabei ist die Evangelische Kirche, die am 12.02.2010 in Dresden die Bundesarbeitsgemeinschaft gründet, nicht allein. Christine Hoffmann, Vorsitzende der katholischen Organisation „Pax Christi“, pflichtete Bohl bei: „Es geht um etwas ökumenisch Gedachtes, zutiefst Christliches.“ Es gäbe sogar Rechtsextreme, die sich als katholische Internetplattform präsentierten, sagte Hoffmann – dabei sei eine zentrale These des Christentums die Unantastbarkeit der menschlichen Person, ein Zuwiderhandeln widerspräche fundamental der Ehre des Schöpfers.
Dresdens Oberbürgermeisterin Helga Orosz lobte das Engagement der Kirche: „Eine neue Plattform gegen demokratiefeindliche Einstellungen ist wichtig, gerade für die Vernetzungsarbeit – es braucht viel Engagement gegen Rechtsextremismus“, so Orosz. Sie rief zur Teilnahme an der morgigen Menschenkette gegen den Neonazi-Aufmarsch in Dresden auf, die sich „eindrucksvoll und stark“ wünscht, und schloss: „Wenn wir alles Engagement gegen Rechtsextremismus in einen gemeinsamen Topf werfen, wird am Ende wir die Demokratie siegen.“
Wo begegnen sich Kirche und Rechtsextremismus?
David Begrich, Fachreferent des Vereins Miteinander e.V., widmete sich dann der Frage, warum sich Kirche eigentlich mit Rechtsextremismus beschäftigen soll. Trotz der Kürze seines Vortrages kam eine beachtliche Anzahl von Anlässen zusammen: Etwa die Ermutigungsfunktion, die der Kirche in einer Gemeinde zukommt, wenn Multiplikatoren gegen Rechtsextremismus angegangen werden. Die Wichtigkeit kirchlichen Engagements für das Gemeinwesen, der Kirche als Ort der Begegnung – auch mit Gemeidemitgliedern, die für Ressentiments empfänglich sind. „Arbeit gegen Rechtsextremismus ist keine Frage für ‚Fachidioten‘, sondern für die konkrete Demokratie in der Region“, so Begrich.
Eine Herausforderung für Kirche setzte Begrich in direkten Zusammenhang mit dem Rechtsextremismus – einen „neuer“, unreflektierter Atheismus, der sich mit völkisch aufgeladener Esoterik und deren Identitätsangeboten paart – wenn etwa plötzlich Sonnwendfeiern veranstaltet werden, die angeblich nichts mit Religion zu tun haben sollen. Dabei verbinden Rechtsextreme völkische Esoterik bewusst mit einer antichristlichen, feindlichen Einstellung. Bands fordern in ihren Liedern auf zu Kirchenbrand, Satans-Tanz, Ich-Kult oder Destruktionskult, Plattenlabels wie „Christhuntproductions“ verbreiten die gewalttätige Christenfeindlichkeit. „Diese Ideologiekomponente ist nicht dominant im Rechtsextremismus, aber gehört zur selbstverständlichen weltanschaulichen Grundierung“, so Begrich. Und: heute seien solche Musikstücke nur einen Mausklick entfernt: „Hören Sie ruhig einmal, was ihre Konfirmanten auf dem MP3-Player haben.“ Dies solle nicht als „abseitig“ ignoriert werden – weil Worten Taten folgen können, wie Anschläge auf engagierte Pfarrer belegen. Dabei sei wichtig festzuhalten, dass es sich nicht um eine „jugendkulturelle“ Spinnerei handle. Nicht ohne Grund trage ein „Kultbuch“ des neu-rechten Vordenkers Alain de Benoist den Titel „Heide sein“.
Zuletzt lenkte Begrich das Augenmerk auf schwarze Schafe in den eigenen Reihen. Dazu zählen die – vorhandenen – Mitglieder der „AG Christen in der NPD“, aber auch christlicher Fundamentalismus, der zumindest die Frage nach Schnittpunkten zur extremen Rechten stellt, wie etwa die „Märsche für das Leben“, Bischof Richard Williamsons Holocaustleugnung oder erzkonservative Familienkonzepte, die Jürgen Lewinski in der „Jungen Freiheit“ verbreitet.
Warum kann ein Christ oder eine Christin qua Glauben nur gegen Rechtsextremismus arbeiten?
Zu dieser Frage trug Oberkirchenrat Christhard Wagner der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland schlagkräftige Argumente zusammen – obwohl die, wie er sagte, eigentlich selbstverständlich sein sollten. „Trotzdem ist es mancherorts beim Thema merkwürdig still, sind Engagierte allein, vermissen Kirchenmitglieder deutliche Worte der Kirchenleitung“, so Wagner. Dabei sei die Bibel ein so klares Plädoyer für Nächstenliebe und gegen Fremdenfeindlichkeit, dass sich daraus von selbst ein „innerkirchlicher Dienstauftrag“ ergebe. Dabei sei Nächstenliebe – und ihre „Verwandten“ Barmherzigkeit, Vergebung, Herzensbildung, Gnade – politisch, konkret und alltagstauglich gemeint. „Wir haben eine Pflicht zur Einmischung, wo die Würde des Menschen verletzt wird. Gott hat doch die Menschen als Originale mit gleicher Ehre und Würde geschaffen“, so der Oberkirchenrat. Pflicht in der Nachfolge Christi sei also, eine Kirche für andere zu sein. „Es geht nicht darum, die Feinde, sondern die Feindschaft zu überwinden, mit gewaltlosen Mitteln“, so der Oberkirchenrat. Mit einem Lächeln ergänzt er im Hinblick auf den Naziaufmarsch am morgigen Samstag: „Da gehört Sitzen für mich dazu.“ Wagner betonte auch, dass zu seinem christlichen Selbstverständnis auch das Arbeiten mit rechtsorientierten Jugendlichen gehöre: „Wir müssen auch erarbeiten, wie wir ihnen Möglichkeiten eröffnen können, aus der Szene herauszukommen. Nicht zuletzt solle die Kirche als Mittlerin in schwierigen Bündnis-Konstellationen gegen Rechtsextremismus agieren: „Ohne kirchliche Farben kein buntes Bündnis.“
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