Holger Apfel steht vor dem Rathaus Reinickendorf in Berlin und redet bereitwillig mit der Presse. Der Fraktionschef der NPD Sachsen ist nicht nur ein guter, populistisch agierender Verkäufer, der der neonazistischen Sache ein wählbares Mäntelchen zu verpassen versteht. Auch in der Selbstinszenierung ist er versiert, wenn auch diesmal wohl echter Frust dabei ist. Auf dem Bundesparteitag, der am 4. und 5. April in Berlin stattfindet, haben Apfel und die NPDler, die politikfähig denken wie er, eine große Schlappe erlitten. Pikant dabei: Eigentlich sind das die NPD-Fraktionen, die sich weniger mit Hitler-Huldigung und Rückwärtsdenken, dafür mehr mit aktuellem Rassismus, Antisemitismus und Vorrechtedenken verknüpft mit Ängsten in der Bevölkerung rund um soziale Fragen in Landtagsparlamente hineinhetzen konnten: Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern.
Der Herausforderer ist müde: Udo Pastörs, Fraktionsführer der NPD MV, kriegte die Quittung für die Querelen innerhalb des Voigt-Gegner-Lagers im Vorfeld
Die Herausforderer sind geschlagen
Doch der Wunsch der zwar nicht wirklich gemäßigteren, aber geschickt öffentlich so auftretenden Rechtsextremen nach einem neuen Vorsitzenden und einer stärkeren Konzentration auf politischen Machtgewinn ging nicht auf. Udo Voigt, seit 13 Jahren Vorsitzender der NPD, verstand es, die Mehrzahl der 218 Delegierten bei der Stange zu halten – Finanzaffären und persönlichen Misstrauenskampagnen zum Trotz. Voigt erhielt 136 Stimmen, Herausforderer Udo Pastörs, Fraktionsvorsitzender der NPD Mecklenburg-Vorpommern, erhielt lediglich 72 Stimmen.
Abspaltung oder Treue?
Holger Apfel gehört nun nicht mehr zum Parteivorsitz – wie er zuvor für eine Wiederwahl Voigts angekündigt hatte. Er sagt: „Wenn ich es martialisch ausdrücken wollte, könnte man wohl sagen, wir haben die Schlacht verloren, aber nicht den Krieg.“ Er versichert, er stände in „kritischer Loyalität“ zur Partei, fühle sich in der NPD trotz der weiteren Radikalisierung weiter zu Hause und schließt süffisant an: „Wenn die Landtagswahlen, die Bundestagswahl vergangen sind, werden wir ja sehen, in welchen Ländern die NPD erfolgreich war und wohin der innerparteiliche Diskurs dann geht.“
Immer noch da: Udo Voigt hat es wieder geschafft, trotz Krisen im Amt zu bleiben
Die NPD radikalisiert sich
Wohin der innerparteiliche Kurs aktuell gehen soll, dazu kann der neue und alte Vorsitzende Udo Voigt auf der sonntäglichen Pressekonferenz zum Parteitag jedenfalls nicht viel sagen. Die NPD sei weiterhin modern, auch wenn die erfolgreichen Verbände nun im Vorstand fehlten, sagte der 56-Jährige, man werde sich, naja, mit der sozialen Frage sicher weiterbeschäftigen. Aussagekräftiger sind da wohl die Wahlergebnisse der Delegierten: Voigts Stellvertreter heißen nun Jürgen Rieger – der reicher, hitlerverehrender, streng rassistischer und antisemitischer Anwalt blieb als einziger, Frank Schwerdt – langjähriger Neonazi-Kader, Landtagskandidat der NPD Thüringen und Mitglied der Rechtsabteilung der Partei, und Karl Richter, stellvertretender Redaktionsleiter der neonazistischen „Deutschen Stimme“ und für die „Initiative Ausländerstopp“ im Münchner Stadtrat. Weg sind dafür Holger Apfel und Sascha Roßmüller (Landeschef NPD Bayern). Interessant auch die „Beisitzer“: Dabei sind aus dem neonazistischen Kameradschaftssprektrum Thomas „Steiner“ Wulff, Thorsten Heise und Andreas Thierry. Das Personal spricht für eine Radikalisierung der Partei – mit viel westdeutschem Personal und deutlichem Machtschwerpunkt beim hitleristischen Flügel.
Geschlossenheitssimulation, schlecht funktionierend: Das Podium der Pressekonferenz des NPD-Parteitages
Tatsachenverdrehung funktioniert auch intern
Udo Voigt gab auf der Pressekonferenz dann noch ein Kostprobe des Könnens, mit dem er auf seine „Kameraden“ offenbar als Fels der Beständigkeit in diesen unruhigen Zeiten gewirkt hat. Finanzkrise? Ach was, alle Anschuldigungen vom „System“ sind sowieso falsch und die NPD wird alles anfechten. Klammern an der Macht? Nein, vielemehr wolle Voigt nicht davonlaufen vor den Problemen, die er mitverantwortet. Kein Wunder, dass der Chef der Partei der Wortverdreher das auch vor den eigenen Mannen (und wenigen Frauen) versteht.
Ein Barde als Notfallkandidat
Herausforderer Udo Pastörs sah auf der Pressekonferenz müde aus und durfte nicht mehr viel sagen. Lediglich den Kandidaten der NPD für das Amt des Bundespräsidenten durfte er noch kommentieren, was er mit den passenden Worten tat: „Einen besseren können wir zur Zeit nicht finden.“ Notkandidat wird nach der Absage von Autor Bernd Rabehl nun der rechtsextreme Liedermacher Frank Rennicke, Wehrmacht-verherrlichender Gitarrenbarde, dessen bisher größter Verdienst wohl darin besteht, so watteweiche Texte zu produzieren, dass sie gerade noch nicht wegen Volksverhetzung verboten wurden.
Die gute Nachricht für Demokraten lautet also: Die NPD präsentiert sich nach ihrem Bundesparteitag noch radikaler und für die breite Masse unwählbarer als jemals zuvor. Kein Wunder, dass selbst in der rechtsextremen Szene debattiert wird, ob und wann sich die „politikfähigen“ Kräfte innerhalb der Partei absetzen von der „vor Lust an der Provokation nur so strotzenden Ewiggestrigen-Truppe von Schädelvermessern, Rassefanatikern und Thälmann-Abklatschen“, wie ein rechter Blogger kritisch und äußerst treffend kommentiert. Tatsächlich wäre aber das die größte Gefahr: Dass die Kräfte, die rechtspopulistisch Ressentiments in größeren Teilen der Wahlbevölkerung anzusprechen verstehen, sich in einem geeigneteren Zusammenhang als der NPD organisieren.
Zum Thema:
| Dicke Luft beim NPD-Parteitag
| Fotoreportage vom NPD-Parteitag auf mut-gegen-rechte-gewalt.de