Ein Ergebnis der Bundestagswahl steht fest: Die rechten Parteien stagnieren. Um einen Einzug ins Parlament ging es ohnehin bei keiner der zur Wahl angetretenen Parteien aus dem rechten Spektrum, doch auch unter der Fünf-Prozent-Hürde liegt eine wichtige Grenze. Denn ab einem Ergebnis von 0,5 Prozent nehmen Parteien an der staatlichen Parteienfinanzierung teil und erhalten für jede abgegebene Zweitstimme und für jeden Euro aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden eine Zuwendung. Doch wer kommt in den Genuss der staatlichen Gelder? Wie viele Stimmen konnten NPD, pro Deutschland und Co. erringen? Eine Analyse.
Die NPD: Am stärksten in Sachsen und Thüringen
Mit insgesamt 1,3 Prozent der Zweitstimmen hat sich die Partei im Vergleich zur Bundestagswahl 2009 noch einmal verschlechtert: Fast 75.000 weniger Menschen gaben der NPD ihre Stimme (-0,2 Prozent). Das bedeutet allerdings, dass immer noch 560.000 Wählerinnen und Wähler ihr Kreuzchen bei der rechtsextremen Partei setzten. Diese kann somit auf einen staatlichen Geldregen in Höhe einer halben Million jährlich setzen – eine wichtige Nachricht für eine Partei, die vor dem Hintergrund immer neuer Hiobs-Botschaften über Finanzprobleme und einem drohenden Verbotsverfahren jeden Cent gebrauchen kann.
Aufgeschlüsselt nach Bundesländern ist die NPD in Sachsen und Thüringen am stärksten: Hier kam sie auf 3,3 bzw. 3,2 Prozent. In Thüringen kam die NPD damit auf das Ergebnis der Wahlen 2009, in Sachsen büßte die Partei 0,7 Prozent ein – ein Verlust in ihren einstigen Hochburgen. Am schwächsten war die NPD dagegen in Hamburg (0,6 Prozent) und Schleswig-Holstein (0,7 Prozent). Einen Erfolg erzielte die Partei im Saarland: Hier konnte sie ein Plus von 0,5 Prozent und somit insgesamt 1,7 Prozent erreichen. Im einstigen Stammland Niedersachsen gab es dafür eine Pleite: 0,8 Prozent der Wählerinnen und Wähler gaben der Partei hier ihre Stimme, was einem Minus von 0,4 Prozent entspricht. In Mecklenburg-Vorpommern kam die NPD auf 2,7 Prozent der Stimmen, ein Rückgang von 0,5 Prozent. Zur Erinnerung: Derzeit ist die NPD in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern im Landtag vertreten.
Beunruhigend ist das Ergebnis der NPD in drei Wahlkreisen: So erreichte die Partei im Wahlkreis 016 – Mecklenburgische Seenplatte I – Vorpommern-Greifswald II 4,6 Prozent der Stimmen. Im Wahlkreis 158 – Sächsische Schweiz – Osterzgebirge kam sie auf 5,1 Prozent der abgegebenen Zweitstimmen. Im Wahlkreis 085 – Berlin-Marzahn – Hellersdorf kam die NPD zwar „nur“ auf 3,9 Prozent der Zweitstimmen, erreichte aber in einigen Wahllokalen dieses Wahlkreises punktuell deutlich höhere Ergebnisse. So erzielte die Partei bespielsweise im Wahllokal 618 9,2 Prozent der Zweitstimmen bzw. 11,7 Prozent der Erststimmen, in anderen Wahllokalen dieses Gebiets sind die Ergebnisse ähnlich. All diesen Wahllokalen ist gemein, dass sie sich in der Umgebung des Flüchtlingsheims befinden. Hier scheint sich der Streit um das Heim direkt im Wahlergebnis niedergeschlagen zu haben: Die Instrumentalisierung der Debatte durch die NPD und die Hetze gegen die Flüchtlinge hat wohl – zumindest im direkten und begrenzten Umfeld des Heimes – verfangen. Es bleibt abzuwarten, ob die Partei bei kommenden Wahlen mit dieser Erfahrung weiter auf die Hetzkarte setzt – schon bei dieser Bundestagswahl war die NPD deutlich auf Provokationskurs gegangen, sowohl mit ihren Kundgebungen als auch mit rassistischen Wahlplakaten.
Obschon es erfreulich ist, dass die NPD insgesamt verloren hat, gibt es doch keinen Anlass zur Beruhigung. So warnte der Rostocker Politikwissenschaftler Martin Koschkar vor einer Verharmlosung der rechtsextremen Partei. „Die 2,7 Prozent vom Sonntag können wir als das Stammwählerpotenzial der NPD in Mecklenburg-Vorpommern sehen“, sagte Koschkar am Montag der Nachrichtenagentur dpa. Unter bestimmten politischen Bedingungen sei das eigentliche Potenzial der NPD wesentlich größer. Daher bleibe es langfristige Aufgabe der anderen Parteien und der Zivilgesellschaft, die über das Wesen der NPD und über die Verantwortung in der Demokratie aufkläre. Diese Aufklärung muss auch die NPD-Strategie der Normalisierung betreffen, die sich nicht zuletzt darin zeigt, dass an vielen Orten wesentlich mehr Erst- als Zweitstimmen auf die Partei entfielen. Mit konkreten Kandidaten vor Ort ist die Partei also offensichtlich in der Lage, mehr Stimmen zu mobilisieren.
pro Deutschland und Die Rechte: Ohne Bedeutung
Neben der NPD als größter rechtsextremer Partei traten weitere Gruppierungen im Kampf um die Wählergunst an. Dazu gehörte etwa Die Rechte rund um die Neonazi-Größe Christian Worch. Die Rechte gilt als Sammelbecken von militanten Anhängern verbotener Kameradschaften und frustrierter NPD-Kader und hat ihren Wirkkreis hauptsächlich in Nordrhein-Westfalen – hier trat die Partei auch ausschließlich an. Mit gerade einmal 2.288 Zweitstimmen knackte Die Rechte statistisch gesehen allerdings nicht einmal die 0,1 Prozent-Hürde und nimmt somit nicht an der staatlichen Parteienfinanzierung teil.
Das gleiche Schicksal ereilte die Kleinstpartei pro Deutschland: Diese kam auf bundesweit 74.311 Stimmen bzw. 0,2 Prozent. Stärker war die islamfeindliche Partei dabei allerdings in Brandenburg und Sachsen, wo sie immerhin 0,4 Prozent der Zweitstimmen erhielt.
Bei beiden Parteien ist die Provokationsstrategie also nicht aufgegangen.
Republikaner: Die AfD ist Schuld
Ebenfalls abgeschlagen zeigte sich die REPs: Sie kamen auf 0,2 Prozent der Stimmen (91.660), was einem Minus von 0,2 Prozent im Vergleich zur Bundestagswahl 2009 entspricht. Einzig in Baden-Württemberg und Bayern (jeweils 0,4 Prozent) die Stimmanteile der Partei etwas höher. Die Republikaner haben indes bereits einen Schuldigen für ihre Niederlage ausgemacht. So heißt es in einer Pressemitteilung der Partei: „Die neue Partei ‚Alternative für Deutschland‘ habe zahlreiche, zum Teil schon lange vertretene Positionen der Republikaner medienwirksam übernommen und damit Wähler mobilisieren und von den Republikanern abziehen können.“
Alternative für Deutschland: Lucke und die „entartete Demokratie“
Für eine Überraschung am Wahlabend sorgte die AfD: Lange stand nicht fest, ob die neu gegründete Partei nicht doch den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen würde. Schlussendlich kam sie auf 4,7 Prozent der abgegebenen Stimmen: 2.052.372 Menschen setzten somit ihr Kreuzchen bei der AfD. Diese schnitt am stärksten in Thüringen, Brandenburg und Sachsen ab. Gerade in den vergangenen Wochen war immer wieder von einer Unterwanderung der Partei durch Rechtsextreme die Rede – Mitglieder der AfD wiesen diesen Vorwurf zwar weit von sich, auf der anderen Seite bedient die Partei zumindest punktuell entsprechendes Klientel. So war auf der AfD-Facebook-Seite der Slogan „Klassische Bildung statt Multikulti-Umerziehung“ zu lesen – nur eines von vielen Beispielen, die stutzig machen.
Nicht zuletzt Parteigründer Bernd Lucke selbst hatte noch am Wahlabend für Aufruhr gesorgt. So erklärte er bei der AfD-Wahlparty: „Wir haben so viel an Entartung von Demokratie und Parlamentarismus in den letzten vier Jahren erlebt.“ Entartung? Der Begriff ist reinster Nazi-Sprachgebrauch. Dazu passt dann auch wieder, dass sich die Partei beim Rechtsstreit mit Forsa-Chef Manfred Güllner von Corvin Fischer vertreten ließ – dieser wurde unter anderem bekannt durch die Vertretung des NPD-Anwalts Jürgen Rieger. Apropos Streit: Nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses sprachen AfD-Anhängerinnen und AfD-Anhänger in den sozialen Netzwerken von Wahlmanipulation – und geizten dabei auch nicht mit martialischem Sprachgebrauch.
Es bleibt abzuwarten, wie die AfD bei der Europawahl im kommenden Jahr abschneiden wird. Hier gilt dann übrigens statt der Fünf-Prozent-Hürde eine Sperrklausel von lediglich drei Prozent.
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