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#CharlieHebdo Wie die Hassrede nach dem Hassverbrechen weiter geht

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Zeichnerischer Kommentar der Cartoonistin Lucille Clerq zum Attentat auf "Charlie Hebdo".

Am 07.01.2015 starben in Paris 12 Menschen durch einen brutalen Terroranschlag durch islamistische Täter. Die Opfer sind sieben Teilnehmer_innen der Redaktionskonferenz des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ (fünf Zeichner, eine Autorin und ein Autor, ein Korrektor, ein Gast), eine Reinigungskraft und zwei Polizisten. Die Täter gingen, offenbar dazu ausgebildet, mit militärischer Präzision und militärischen Waffen vor. Sie riefen „“Allahu akbar“ („Gott ist groß“), wie in einem Amateurvideo zu sehen ist, was den Schluss nahelegt, dass sie die Redaktionskonferenz des Magazins wegen islamkritischer Karikaturen angriffen, die „Charlie Hebdo“ immer wieder veröffentlichte – wie Karikaturen gegen andere Religionen und Gruppen auch. Es war ein Angriff auf die Meinungsfreihet und auf die Pressefreiheit, ein Angriff von Demokratie- und Pluralismus-Feinden, von Fanatikern, ein Hassverbrechen. Ein Angriff auf unsere gesamte Gesellschaft und unsere Demokratie. Und er geschieht genau in einer Zeit, in der die rechtsextreme Partei „Front national“ in Frankreich immer mehr Zuspruch erhält, in Schweden die Brandanschläge auf Moscheen nicht aufhören und in Deutschland Zehntausende als „Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) auf die Straße gehen. 

Wissenschaftler betonen stets, dass Hassrede zwischen Gruppen zu mehr Gewalt führt – dass also mehr Islamfeindlichkeit auch zu mehr Islamismus führt. Und dass entsprechend das Gegenmittel gegen Hassverbrechen aller Art nicht etwa Hassrede gegen Gruppen, sondern gemeinsamer Einsatz für Vielfalt und demokratische Werte sind, damit sich möglichst viele Menschen gleichwertig und frei entfalten können und weniger Gründe haben, fundamentalistischen, extremistischen und gewalttätigen Demokratiefeinden auf den Leim zu gehen. Dem allerdings zuzuhören, fällt gerade den aufgeregten Rechtsaußen-Kräften angesichts der terroristischen Gewalttat schwer. Der Wunsch, die Opfer mögen nicht instrumentalisiert werden, ist wichtig, die Appelle, islamistische Terroristen nicht mit allen Muslimen in Europa gleichzusetzen, absolut notwendig. Nur kommt er nicht bei denen an, die schon vorher der Meinung waren, Rassismus, Repressionen und Ausgrenzung wären ein gutes Mittel zum Umgang mit Terroristen und die der Meinung sind, praktisch alle Muslime entsprechend gleichsetzen zu müssen.

Nun sind Autoren und Cartoonisten einer linken Satirezeitschrift die Opfer des Anschlags geworden – Menschen, die von Rechtspopulisten vor dem Anschlag jüngst gern als „Lügenpresse“ beschimpft wurden und die nun als Hüter der Meinungsfreiheit verehrt werden. Rechte Kommentatoren beklagen im Internet außerdem besonders den Mord an einem Polizisten – und versuchen die Tatsache auszusitzen, dass , Ahmed Merabet selbst Muslim war, ein demokratischer, im Dienst des französischen Staates stehender, der sich mutig den bewaffneten Attentätern entgegen stellte. 

Während sich die ersten Nachrichten vom Attentat verbreiteten, hatten die französischen netzaffinen Neurechten der „Generation Identitaire“ bereits bekräftigt, wie Recht sie mit ihrem Hass auf Muslime haben. 

Die „Identitäre Bewegung“ ind Deutschland zog nach:

Für die Front National sprach sich Marine Le Pen für die Einführung der Todesstrafe für die Täter aus.

Auf der Front National-Facebookseite explodierten die Zugriffszahlen.

(Screenshot von gestern)

Erika Steinbach twittert über das Attentat „lustig“ mit Smiley.

Für die AfD kommentierte Alexander Gauland: „Die Altparteien sollten sich gut überlegen, ob sie bei Ihrer Haltung, die Menschen von Pegida weiterhin zu diffamieren, bleiben wollen.“

„Pegida“ agiert gewohnt geschickt, weiß jede „Instrumentalisierung“ von sich:

Schön gehetzt nebenbei: „Redakteure, die jetzt ERSTE Opfer wurden“.

und ruft zum nächsten Spaziergang mit Trauerflor auf.

Direkt nach dem Anschlag waren sie noch nicht ganz so zurückhaltend – und haben ihre Informationen brav nicht aus der „Systempresse“, sondern aus der neurechten „Jungen Freiheit“.

Querfront-Aktivist Jürgen Elsässer kommentiert:

und in seinem Blog schreibt: “Wer jetzt noch gegen PEGIDA demonstriert, spuckt auf die Gräber der Toten in Paris.” 

Verschwörungsfreund Ken Jebsen sieht bereits Parallelen zu 9 / 11:

 usw.

NPD-Chef Frank Franz fügt das in den sozialen Netzwerken gerade beliebte „Je suis Charlie“-Bild als NPD-Profilbild ein und erklärt.

Zuvor hatte sich bereits der stellvertretende NPD-Vorsitzende Ronny Zasowk geäußert: „Sie (die Vertreter aller Bundesparteien) sprachen zusammenhanglos von einem Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit, ohne konkret einzuräumen, dass die Täter Islamisten sind und ihre Zuwanderungspolitik diesen Konflikts- und Kriminalitätsimport erst ermöglicht hat.“ – Abgesehen davon, was für ein Unfug es ist, deutschen Politikern die Einwanderungspolitik in Frankreich vorzuwerfen (und die Sachlichkeit, nicht über Täter zu spekulieren, solange keine Erkenntnisse vorliegen), so sehr zeigt es doch das rechtsextreme Hetzmuster.

Exemplarisch seien ein paar Reaktionen seiner „Fans“ auf den Text dokumentiert: Gewalt, Nationalismus, Hetze gegen Flüchtlinge…

… Verschwörungstheorien und andere „interessante“ Thesen („Ja und nun wollen sie es PEGIDA in die Schuhe schieben“. oder „Und der Antifa gefällt es noch“).

Auch die NPD Sachsen fand das offenbar alles zu mau und legte noch eine Zahn zu, um zu ihrem Kern-Rassismus zu kommen: „Einwanderungsstopp und Ausländerrückführung“.

Die Hassrede geht weiter. Wir müssen alle engagiert bleiben für Demokratie und Pluralismus, gegen jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Hassrede, Hassverbrechen und alle demokratiefeindlichen Bestrebungen. Das heißt auch, wir müssen in unserem eigenen persönlichen Umfeld, im wirklichen Leben und in sozialen Netzwerken, aktiv sein gegen jede Art von Hassrede – denn aus ihr resultieren Hassverbrechen.

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