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Christian Hehl Gedenken an rechtsextremen Hooligan in Mannheim

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Verbindungen von Hehl zur rechtsextremen Hooliganvereinigung "The Firm" werden auch am Spruchband sichtbar (Quelle: picture alliance / www.alfiomarino.de | Alfio Marino xmax)

Es ist Dienstagabend kurz vor Beginn des DFB-Pokalspiels des SV Waldhof Mannheim gegen den 1. FC Nürnberg. 17. 000 Personen befinden sich im Mannheimer Stadion. Die Ansage des Stadionsprechers hallt über den Platz. Er würdigt Christian Hehl – einen Neonazi. Dieser war am Sonntag, dem 16. Oktober, im Alter von 53 Jahren gestorben.

Unglaubwürdige Distanzierung

Der SV Mannheim distanzierte sich daraufhin von rechtsextremem Gedankengut und behauptete, der Stadionsprecher habe die Hintergründe der Person Hehl nicht gekannt.

Der Autor Robert Claus, welcher seit langem zum Thema Rechtsextremismus im Fußball und dessen Fanszenen forscht, äußert Zweifel am Statement des Vereins. „Ich finde es sehr unglaubwürdig, dass irgendwer, der in Mannheim im Fußball aktiv ist und Kontakt zur Fanszene hatte, nicht gewusst haben soll, wer dieser Christian Hehl war. Dazu ist er einfach zu prominent, zu verwurzelt, zu bekannt.”

Aktiver Neonazi und gewaltbereiter Hooligan

Hehl ist kein unbeschriebenes Blatt. Der Neonazi war Anhänger von „The Firm”, einer rechtsextremen Hooligan-Vereinigung des SV Waldhof Mannheim. Und auch außerhalb vom Fußball besaß Hehl Verbindungen in die Neonaziszene, unter anderem zu „Blood and Honour” oder der „Nationalistischen Front”. Seine Parteikarriere startete der Neonazi bei der NPD, für welche er von 2014 bis 2019 in Mannheim im Stadtrat saß. Wegen vermuteter Verbindungen zum NSU sagte er 2018 als Zeuge im NSU-Untersuchungsausschuss aus.

Der Hooligan war mehrfach vorbestraft, wegen Drogenhandels, illegalen Waffenbesitzes und Gewaltdelikten. 1997 wurde er aufgrund eines gewaltsamen Angriffs auf einen Antifaschisten zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt. Ein Jahr später folgte die Verurteilung wegen Gewaltdarstellung und Volksverhetzung. Und auch im Stadion zeigte er sich stets gewaltbereit. 2006 erhielt er ein bundesweites dreijähriges Stadionverbot wegen gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruch. Auch beim SV Waldhof hatte er von 2014 bis 2016 ein Stadionverbot.

Claus betont die besondere Bedeutung Hehls für die Hool- und Neonaziszene: „Hehl steht wie nur wenige andere in Deutschland für die Vermischung aus militantem Neonazismus und rechtsextremer Hooliganszene“.

Nur einer von vielen

Der Vorfall im Stadion des SV Waldhof ist nur eine von mehreren Gedenkaktionen an rechtsextreme Hooligans im deutschlandweiten Fußball. Im Stadion des Chemnitzer FC hatte 2019 eine Trauerfeier für den Neonazi und Hooligan Thomas Haller stattgefunden, welcher kurz zuvor an Krebs verstorben war. Dazu gab es eine Schweigeminute und Pyroshow, auf der Anzeigetafel zeigte man sein Porträt und der Profifußballer Daniel Frahn aus Chemnitz hielt im Spiel ein T-Shirt in die Höhe auf welchem „Support your local Hools“ geschrieben stand.

Ein Jahr später starb der „Blood and Honour” Funktionär und Fußballfan Christian Keck. Kurz darauf erschien am Stadion des 1.FC Nürnberg ein Spruchband mit der Aufschrift „Ruhe in Frieden, Kecki”. Dieses war von der Nordkurve Nürnberg, der Dachvereinigung der aktiven Fangruppen, signiert worden. Im Gegensatz zu Chemnitz und dem Vorfall in Mannheim handelte es sich hierbei jedoch um eine Aktion der Fangruppen und wurde vom Verein verurteilt.

Dass der Umgang mit rechtsextremen Fans auch anders geht, zeigt der Fall Borchardt in Dortmund. Der Neonazi Siegfried Borchardt, auch als „SS-Siggi“ bekannt, gründete die rechtsextreme Hooligangruppe „Borussenfront”. Die Gruppe hat jedoch seit Jahren Schwierigkeiten, im Stadion öffentlich aufzutreten aufgrund von Stadionverboten gegen zahlreiche ihrer Mitglieder. Nach dem Tod Borchardts im Jahr 2021 konnte ein Gedenken im Stadion verhindert werden.

Fehlende Aufarbeitung

Der Stadionsprecher des SV Waldhof erklärte mittlerweile seinen Rücktritt. Dennoch lässt das Statement des Mannheimer Vereins zu wünschen übrig. Auch Claus betont, wie wichtig eine ernsthafte Reaktion des Vereins auf den Vorfall ist. „Der Verein muss realistisch aufarbeiten, wer im Verein kannte Christian Hehl und hat dort wider besseren Wissens gehandelt. Der Verein sollte sich in der Öffentlichkeit bei den Betroffenen rechter Gewalt entschuldigen. Und vor allem darf der SV Mannheim es nicht auf einer verbalen Ebene belassen, sondern es müssen konkrete Präventionsmaßnahmen zur Verhinderung von Rechtsextremismus und zur Förderung von Vielfalt folgen.”

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ähnliche Fälle in den nächsten Jahren wieder vorkommen. Denn wie „SS-Siggi“ oder Christian Hehl bewiesen haben – auch rechtsextreme Hooligans sind sterblich. Und es ist damit zu rechnen, dass ihre neonazistischen Fußballfreunde ihnen auch in Zukunft gedenken wollen. Doch es ist die Frage, ob ihnen dazu wieder ein Stadionmikrofon zur Verfügung gestellt wird.

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