Chronik rechtsextremer und rassistischer Gewalt im Dezember 2019
Männer grölten rechte Parolen: Attacke in Erlanger Innenstadt +++ Überfall in Chemnitz: Staatsanwalt sicher, Rollstuhlfahrer von Neonazi verprügelt +++ Mann an Wetterauer Bahnhof bedroht – „Mein Messer landet gleich in deinem Hals“ +++ Baden-Württemberg: Banner mit Nazisymbolen über Bundesstraße gespannt…
Orte, an denen es im Dezember 2019 zu rechtsextremer oder gruppenbezogen menschenfeindlicher Bedrohung und Gewalt kam. (Quelle: BTN / canva.com)
Jeden Tag werden Menschen in Deutschland Opfer rassistischer, antisemitischer und rechtsextremer Gewalt. Zur Illustration der Lage in Deutschland stellen wir monatlich rechtsextreme, rassistische und antisemitische Gewalttaten bundesweit zusammen, die in unserer Presseschau vorkommen – diese Chronik basiert also auf Zeitungsmeldungen. Die Chronik ist damit absolut unvollständig, soll aber das Ausmaß klarmachen und wichtigste Vorkommnisse enthalten.
Für speziell flüchtlingsfeindliche Gewalttaten empfehlen wir die Chronik von Aktion Schutzschild bei www.mut-gegen-rechte-gewalt.de.
Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit! Wenn Sie weitere Vorfälle kennen, senden Sie bitte eine Mail an belltowernews@amadeu-antonio-stiftung.de.
02.12.2019
Männer grölten rechte Parolen: Attacke in Erlanger Innenstadt
Am Sonntagmorgen kam es im Erlanger Zentrum zu einer Attacke zweier Männer gegen einen 44-Jährigen. Zuvor grölten sie rechte Parolen und urinierten in der Öffentlichkeit.
Überfall in Chemnitz: Staatsanwalt sicher, Rollstuhlfahrer von Neonazi verprügelt
Das Gesicht des Opfers war nach dem brutalen Angriff blutverschmiert und überall geschwollen, er hatte Platzwunden am Körper… In BILD hatte der gehbehinderte Nagd S. (31) aus Libyen kurz nach der Tat exklusiv über den Überfall gesprochen. „Der Nazi hat mit meinem Körper Fußball gespielt“, war nur einer der schockierenden Sätze, die dabei fielen.
Rechter Terror in Deutschland: Auch SPD-Politikerin Chebli erhält Morddrohungen
Die SPD-Politikerin Sawsan Chebli hat eine Morddrohung erhalten. Die Berliner Staatssekretärin wird in dem Schreiben unter anderem aufgefordert, „öffentlich“ von ihrem Amt zurückzutreten. Auf Twitter veröffentlichte Chebli nun den ganzen Wortlaut.
Baden-Württemberg: Banner mit Nazisymbolen über Bundesstraße gespannt
Mehrere Autofahrer sahen am Montag ein zwei mal zwei Meter großes Plakat von einer Brücke in Bad Mergentheim hängen. Darauf zu sehen: ein Hakenkreuz und SS-Runen.
»Schule mit Courage«: Fahne in Neu-Ulmer Schule angezündet
Während des Unterrichts brennt eine »Schule mit Courage«-Fahne im Treppenhaus einer »Schule ohne Rassismus«. Die Polizei schließt einen politischen Tathintergrund aus.
Erneut sind Gräber auf jüdischen Friedhöfen mit Hakenkreuzen bemalt worden. Tatort sind zwei Gemeinden im Elsass unweit der Grenze zu Deutschland. Die Politik verurteilte die Taten.
Rechter Übergriff? Münchnerin in eigener Wohnung überfallen
Eine Münchnerin, die sich seit Jahren intensiv gegen Rechtsextremismus engagiert, hat am Montag den Polizeinotruf verständigt. Offenbar noch unter Schock berichtete die 36-Jährige, zwei maskierte Männer hätten sie in ihrer Wohnung in Milbertshofen überfallen und misshandelt. Die Aktivistin berichtete, die Männer hätten am Morgen an der Tür geklingelt. Als sie öffnete, habe man sie in die Wohnung gedrängt, am Hals gepackt und gegen den Kopf geschlagen. Einer der Männer hinterließ demnach eine Schmierschrift an der Wand, nach AZ-Informationen ein Bibelspruch.
Sie wollten ihr Tuch vom Kopf reißen: Mädchen (11) von Jugendlichen verletzt
Am Nikolaustag kam es in Sebnitz gegen 16 Uhr zu einem rassistischen Angriff auf ein elfjähriges Mädchen. Die 11-Jährige aus dem Irak war vor dem Lidl in der Gartenstraße unterwegs, als sie auf einmal von zwei Jugendlichen angegriffen wurde.
Antisemitische Posts: Polizei ermittelt gegen Lehramtsstudenten
Bayerische Lehramtsstudenten posten antisemitische Inhalte in einer Whatsapp-Gruppe. Als Profilbild verwenden sie das Logo der Friedrich-Alexander-Universität zusammen mit dem Konterfei von Adolf Hitler. Jetzt ermittelt die Polizei.
Rechtsextreme Schmierereien an Schule in Burg Stargard
An der Fassade der Regionalen Schule in Burg Stargard wurden in der Nacht zu Sonntag mit schwarzer Farbe rechtsextreme Schmierereien angebracht. Wie die Friedländer Polizei weiter mitteilte, handele es sich um einen Schriftzug und zwei Symbole verfassungswidriger Organisationen, die auf einer Fläche von einem mal sechs Metern aufgetragen wurden.
Ein Spiel der siebten Fußball-Liga Mecklenburg-Vorpommerns ist am Sonnabend abgebrochen worden, weil sich zwei Spieler der Gastmannschaft von einem Zuschauer rassistisch beleidigt fühlten. Im Landesliga-Spiel zwischen Dynamo Schwerin und Anker Wismar stand es in der 65. Minute 6:0 für die Hausherren, als der Wismarer Kamara Abu Bakarr wütend den Ball in Richtung Zuschauer schleuderte. Er fühlte sich durch einen auf seine Herkunft gezielten Zuruf beleidigt. Der Schiedsrichter stellte ihn wegen des Ballwurfs vom Platz. Daraufhin beschwerte sich auch ein zweiter dunkelhäutiger Wismarer Spieler beim Schiedsrichter über die Rufe von den Rängen.
Nazi-Symbole beim Jüdischen Friedhof in Heidelberg entdeckt
Am Sonntag wurden beim Jüdischen Friedhof, der Teil des Bergfriedhofs in der Heidelberger Weststadt ist, Nazi-Schmierereien entdeckt. Auf die Hinweisschilder, die zur letzten Ruhestätte der Heidelberger Juden führen, wurden Hakenkreuze und ein durchgestrichener Davidstern aufgebracht.
Staatsschutz ermittelt nach Angriff auf Elfjährige
Zwei Jugendliche hatten am Nikolaustag in Sebnitz ein irakisches Mädchen attackiert und rassistisch beschimpft. Die Polizei sieht jetzt eine politische Intention.
Rechtsextremer Angriff in Essen? Opfer mit klarer Ansage
Der langjährige Sprecher des Bündnisses „Essen stellt sich quer“ ist am Montagabend überfallen und niedergeschlagen worden. Nach dem Treffen eines Arbeitskreises habe er als Letzter das Büro des Bündnisses in der Steubenstraße verlassen, erzählt er gegenüber DER WESTEN: „Da kam plötzlich eine schwarz gekleidete Person auf mich zu gerannt und hat mir eine verpasst.“
Wieder Hakenkreuz-Schmierereien in Neukölln: War Familie von Linken-Politiker oder Clan Ziel von Rechtsextremen?
Unbekannte haben in Neukölln Nazi-Symbole an Wände gesprüht. Ziel waren möglicherweise die Familie eines Linken-Politiker oder eine arabische Großfamilie.
Hessen: Wieder Nazi-Schmierereien in Eltville aufgetaucht
Unbekannte schmieren weiter mit schwarzer Sprühfarbe verfassungsfeindliche Symbole an Parkbänke und Anlagen. Vor allem der Bereich am Eltviller Rheinufer ist betroffen – zum Entsetzen von Bürgern und der Stadtverwaltung.
Die Pendler am S-Bahnhof Düsseldorf-Friedrichstadt trauten ihren Ohren am Donnerstagmorgen nicht. In einer Durchsage war unter anderem zu hören: „Ihr werdet alle vergast, man müsste die Gaskammern wieder aufbauen.“ Die Polizei ermittelt. Eine weitere Durchsage lautete: „Es grüßt Sie Ihr Führer!“ Der Vorfall ereignete sich um 7 Uhr morgens. In der Facebook-Gruppe „Nett-Werk Düsseldorf“ war am Morgen eine Audioaufnahme davon zu hören, die aber mittlerweile gelöscht wurde. (…) Die Redaktion erfuhr jedoch aus Kreisen der Ermittler, dass die Lautsprechern der Bahn oder ein Zug als Quelle mittlerweile ausgeschlossen wurden. Es wird vermutet, dass die Durchsage aus einem nahen Wohnhaus kam oder das jemand ein Megafon benutzt hat.
Antisemitische Beleidigungen in Berlin-Wedding: 43-Jähriger wegen Verdachts der Volksverhetzung festgenommen
Ein 43-jähriger Mann beleidigte am Mittwochabend mehrere Passanten antisemitisch. Der alkoholisierte Mann wurde anschließend festgenommen. Am Mittwochabend hat ein 43-jähriger Mann mehrere Passanten antisemitisch in Wedding antisemitisch beleidigt, wie die Berliner Polizei am Donnerstag mitteilte. Nachdem der Mann gegen 18.15 Uhr Passanten in der Reinickendorfer Straße beschimpft hatte, alarmierten Zeugen die Polizei.
Mit NS-Parolen beschmieren Unbekannte am Rathaus Plakate einer Ausstellung »Kaufbeuren unterm Hakenkreuz« mit NS-Parolen. Den photographisch dokumentierten Vorfall meldete ein Leser am 28. November. Zu sehen sind etwa Hakenkreuze und das Kürzel der nationalsozialistischen NSDAP. Nun ermittelt die Polizei »wegen des Anfangsverdachts« der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, wie ein Sprecher am Mittwoch auf Anfrage von Allgäu ⇏ rechtsaußen mitteilte. Da der Fall nicht angezeigt wurde, war er er den Ermittlern bis dahin auch nicht bekannt.
Dresden: Unbekannte beschmieren Garage mit Hakenkreuz
Im Dresdner Stadtteil Striesen verunstalten unbekannte Täter die Garage einer Schule mit einem Hakenkreuz. Doch nicht nur das. Zusätzlich demolieren sie die Garage.
Empörung in Driedorf: AfD-Anzeige als Gewaltaufruf gegen Politiker verstanden
„Manche Menschen lernen nur durch Schmerz, zu dieser Gruppe gehören auf jeden Fall meist Politiker“, schreibt die AfD Driedorf in einer Anzeige. Nun wird ihr vorgeworfen, zu Gewalt an Politikern aufzurufen. Die AfD sieht das ganz anders. Geschrieben hat den Satz der Sprecher des erst kürzlich gegründeten Ortsvereins der AfD in Driedorf in einer Anzeige, die überschrieben ist mit „An alle Sportschützen und alle Jäger“. Die AfD kritisiert in der Anzeige die geplante Verschärfung des Waffengesetzes und ruft zum schriftlichen Protest gegen einen „übergriffigen Staat“ auf. Doch die Erwähnung von Waffen, Schmerz und Politikern in einem Zusammenhang empört Politiker anderer Parteien.
Sie kamen in der Dunkelheit und vermutlich mit Holzknüppeln: Mehrere Maskierte haben in Dresden Scheiben eines Flüchtlingsheims eingeschlagen. In der Unterkunft leben minderjährige unbegleitete Flüchtlinge.
Ein Vorfall, bei dem Unbekannte in Reinsfeld Nazi-Parolen gegrölt haben, beschäftigt die Polizei in Hermeskeil. Am Samstag, 14. Dezember, gegen 17.15 Uhr sind laut Polizei mindestens vier Personen durch die Straße Zum Osterberg in Reinsfeld gezogen und skandierten dabei lautstark „Sieg Heil“.
Nazi-Parolen im Zug: Polizei lässt Alex in Freising stoppen
Rassistische Parolen haben vier alkoholisierte Männer gerufen, die am Samstagabend im Zug von München nach Freising unterwegs waren. Die Polizei griff sofort ein. Eine 25-jährige Reisende (Kreis Landshut) informierte die Bundespolizei gegen 22.45 Uhr, dass im Zug vier Männer seien, die rassistische Parolen mit nationalsozialistischem Inhalt rufen würden. Beinahe zeitgleich teilte ein Polizeibeamter, der privat in demselben Alex unterwegs war, denselben Sachverhalt mit. Beim planmäßigen Halt in Freising stoppten Ermittler den Zug.
Wohnhaus von Cem Özdemir offenbar mit Stein beworfen
Zufällige Sachbeschädigung oder Akt zur Einschüchterung? Der frühere Grünen-Chef twitterte ein beunruhigendes Bild. Das Wohnhaus des Grünen-Politikers Cem Özdemir ist offenbar mit einem Steinwurf attackiert worden.
SPD-Ratsmitglied auf „Drohliste“ Rechtsextremer aufgeführt
Eine Resolution gegen Extremismus hat der Gleichener Gemeinderat verabschiedet. Die hat symbolischen Charakter, aber einen handfesten Hintergrund. Ein SPD-Ratsmitglied ist auf einer „Drohliste“ aufgetaucht.
NS-Opferdenkmal in Berlin beschmiert und beschädigt
Mit 100 Spiegeln wird am Murellenberg in Berlin-Westend an Opfer der NS-Militärjustiz erinnert. Das Denkmal wurde jetzt attackiert. Anwohner sind entsetzt.
Mann mit Nazi-Schriften vor Synagoge in Bielefeld verhaftet
Wenn sich Menschen vor einer Synagoge auffällig verhalten, ist das nicht erst seit dem rechten Anschlag von Halle in Sachsen-Anhalt ein Alarm-Signal. So ist es am Montagnachmittag auch in Bielefeld passiert und eine Polizeistreife hat eingegriffen. Sie nahm einen 61 Jahre alten Mann fest, der rechtsradikale Schriften mit sich führte. Laut Westfalen-Blatt soll er auch eine Art Bombenattrappe bei sich getragen haben. Für die jüdische Gemeinde in Bielefeld ging von dem psychisch gestörten Mann letztlich aber keine unmittelbare Gefahr aus.
Welche Rolle spielen geschlechtsbezogene Ideologien und die Abwertung von Weiblichkeit bei rechter Gewalt, Übergriffen oder rechtsextremen Tötungsdelikten? Das hat die Amadeu Antonio Stiftung jetzt aufgearbeitet. Ein Ausschnitt.
Deutschland will mit Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft als Schwerpunktthema die Bekämpfung des Antisemitismus in Europa setzen. Das ist schön, aber was…
Von Aktionswochen gegen Antisemitismus und Imke Kummer|